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Vorwurf der Opposition
Bundesregierung "fällt Community in den Rücken"
In seltener Eintracht empören sich FDP, Linke und Grüne über die Regierungskoalition, weil sie eine Reform von Artikel 3 des Grundgesetzes blockiert.

Im Grundgesetz soll der Schutz queerer Menschen verankert werden – doch Union und SPD wehren sich dagegen (Bild: Tim Reckmann / flickr)
- 19. Mai 2021, 09:56h 3 Min.
Die Bundesregierung hat den für Mittwoch geplanten Tagesordnungspunkt im Rechtsausschuss zur Ergänzung des Merkmals "sexuelle Identität" in Artikel 3 des Grundgesetzes überraschend abgesetzt. Damit kann nicht wie in der Tagesordnung vorgesehen am Freitag im Plenum über die Thematik abgestimmt werden. Die queerpolitischen Sprecher*innen der drei demokratischen Oppositionsfraktionen, Jens Brandenburg (FDP), Doris Achelwilm (Linke) und Ulle Schauws (Grüne), zeigten sich darüber empört: "Wer montags mit der Regenbogenflagge wirbt, sollte der Community nicht mittwochs schon wieder in den Rücken fallen", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.
/ fdpbtVorgestern war IDAHOBIT. Heute sollte im Ausschuss über die Aufnahme sex. Identität in Art3 des GG beraten werden. Die GroKo hat eben die Debatte abgesetzt & blockiert so die Abstimmung Freitag. Jetzt wissen wir ja, wie wichtig der @spdbt und @cducsubt die #LGBTIQ-Rechte sind.
Fraktion der Freien Demokraten (@fdpbt) May 19, 2021
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Seit fast zwei Jahren liegt ein gemeinsamer Gesetzentwurf von FDP, Linken und Grünen (PDF) zur Beratung vor. Er sei "ausführlich debattiert". Außerdem unterstützten bereits vor 15 (!) Monaten alle Sachverständigen bei einer Ausschussanhörung das Vorhaben (queer.de berichtete). "In der Zeit hätte man sich längst eine Meinung bilden können", so die Oppositionpolitiker*innen. "Die von der Koalition im Ausschuss durchgedrückte Absetzung ist eine große Enttäuschung. Es ist zudem ein sehr unwürdiges parlamentarisches Verfahren. Union und SPD dürfen jetzt nicht auf Zeit spielen."
Verzögerungstaktik wie bei Ehe für alle?
Brandenburg, Achelwilm und Schauws fühlten sich an "scheinheilige Geschäftsordnungstricks in der Zeit der Ehe für alle" erinnert. Der Hintergrund: Noch am 21. Juni 2017 vertagte Schwarz-Rot die Gesetzentwürfe zur Beendigung des Eheverbots für gleichgeschlechtliche Paare zum 30. Mal (queer.de berichtete). Als der Druck dann doch zu groß wurde, sorgte nur wenige Tage später eine Bemerkung von Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür, dass das Eheverbot für Schwule und Lesben doch im Bundestag in freier Abstimmung beraten wurde. Die Ehe für alle wurde dann in der letzten Sitzung vor der Bundestagswahl 2017 beschlossen (queer.de berichtete).
/ DorisAchelwilmUnion + SPD haben just den Gesetzentwurf von FDP, Grünen + LINKEN zur Erweiterung des #Grundgesetz Art 3 Abs 3 um #sexuelleIdentität abgesetzt! Das ist schon unverschämt. Montags so: , Mittwoch wieder blockieren. @JBrandenburgFDP, @ulle_schauws und ich lassen das nicht stehen! pic.twitter.com/DWvcQlxRRY
Doris Achelwilm (@DorisAchelwilm) May 19, 2021
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Auch jetzt fordert die demokratische Opposition, dass die Bundesregierung eine Abstimmung über Artikel 3 vor der Bundestagswahl zulassen müsse. "Es ist höchste Zeit, den Schutz der sexuellen Identität endlich unmissverständlich in Artikel 3 des Grundgesetzes festzuschreiben", so Brandenburg, Achelwilm und Schauws.
/ ulle_schauwsUnion und SPD haben mit ihrer Mehrheit gerade Gesetzentwurf #SexuelleIdentität im Art.3/3 #Grundgesetz Grüne/FDP/Linke abgesetzt. Wie unwürdig ist das! Montags Regenbogenflagge hissen und 2 Tage später so? Das lassen wir @JBrandenburgFDP @DorisAchelwilm nicht gelten! pic.twitter.com/Vc1Y2wc3Nk
Ulle Schauws (@ulle_schauws) May 19, 2021
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Formal setzt sich neben FDP, Linken und Grünen auch die SPD dafür ein, den Antidiskriminierungsartikel um "sexuelle Identität" zu ergänzen. Zuletzt unterstützen auch vermehrt Unionspolitiker*innen eine entsprechende Reform. Anlässlich des Tages gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie gab sogar Norbert Röttgen, der früher erbittert LGBTI-Rechte bekämpfte, seine Unterstützung für die Verfassungsänderung bekannt (queer.de berichtete).
Aktivist*innen und Verbände kämpfen bereits seit Jahren dafür, queere Menschen gezielt im Grundgesetz zu schützen. Bereits 2007 organisierte der Lesben- und Schwulenverband etwa eine entsprechende Aktion, die von Promis wie Maybrit Illner, Jürgen von der Lippe und dem vor drei Jahren verstorbenen Dieter Thomas Heck unterstützt wurde (queer.de berichtete). (dk)














