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Trans und inter Rechte
Wagenknecht stimmte gegen Selbstbestimmungsgesetz
Bei den namentlichen Abstimmungen am Mittwochabend im Bundestag stimmten die meisten Abgeordneten mit ihrer Fraktion, doch es gab Überraschungen – auch aus FDP, Union und AfD.

Sahra Wagenknecht und drei weitere Mitglieder der Linksfraktion lehnten ein Selbstbestimmungsgesetz für trans- und intergeschlechtliche Menschen ab (Bild: Deutscher Bundestag / Achim Melde)
- 20. Mai 2021, 08:28h 3 Min.
Am Mittwochabend hätte der Deutsche Bundestag die Chance gehabt, Diskriminierungen von trans- und intergeschlechtlichen Menschen in Deutschland zu verkleinern. Doch die beiden Anträge von FDP und Grünen für ein Selbstbestimmungsgesetz wurden mit breiter Mehrheit abgelehnt (queer.de berichtete).
Mittlerweile liegen die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen vor. Demnach stimmten die allermeisten Abgeordneten entsprechend ihrer Fraktionslinie. Allerdings gab es auch einige Abweichler*innen. Während etwa 53 Mitglieder der Linksfraktion die queerfreundlichen Gesetzentwürfe von FDP und Grünen unterstützten, votierten Sevim Dagdelen, Klaus Ernst, Alexander Ulrich und Sahra Wagenknecht dagegen. Wagenknecht hatte sich bislang trotz ihrer queerfeindlichen Rhetorik immer damit gebrüstet, Anträgen zur Stärkung von LGBTI-Rechten zugestimmt zu haben. Die beiden Linken-Abgeordneten Heidrun Bluhm-Förster und Axel Trost enthielten sich.
Jens Brandenburg stimmte gegen eigenen Antrag
Bei den Grünen gab es eine Enthaltung von Daniela Wagner – auch beim Antrag der eigenen Fraktion.
Bei der FDP, die sich beim Grünen-Antrag enthielt, stimmte laut dem offiziellen Ergebnis ausgerechnet der queerpolitische Sprecher Jens Brandenburg gegen seine eigene Initiative; eine Erklärung lieferte er dazu bislang nicht. Sieben Fraktionskolleg*innen, darunter Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki, enthielten sich zudem beim eigenen Antrag der FDP.
Dagegen stimmten mit Andreas Bleck und Kay Gottschalk gleich zwei AfD-Politiker für das von den Liberalen vorgeschlagene Selbstbestimmungsgesetz. Der grüne Gesetzentwurf wurde von der Rechtsaußenpartei geschlossen abgelehnt.
Kaum Abweichler*innen bei Union und SPD
Mit Michael Kießling stimmte lediglich ein einziger Abgeodneter von CDU/CSU für den FDP-Vorstoß. Den Grünen-Antrag lehnte die Union geschlossen ab.
Auch bei der SPD gab es trotz des großen öffentlichen Drucks und andersweitiger Ankündigungen kaum Abweichler*innen. Mahmut Özdemir stimmte als einziger für den Entwurf der Liberalen und Josip Juratovic als einziger für die Antrag der Grünen. Gülistan Yüksel enthielt sich bei beiden Abstimmungen. Alle anderen SPD-Abgeordneten stimmten jeweils mit Nein.
Dritte namentliche Abstimmung
Eine dritte namentliche Abstimmung gab es über den Entschließungsantrag "Fremdbestimmte Operationen an trans- und intergeschlechtlichen Menschen – Aufarbeiten, Entschuldigen und Entschädigen" der Linksfraktion. Union, SPD und AfD folgten der vom Rechtsausschuss empfohlenen Ablehnung mit Ja – bei Nein-Stimmen von Michael Kießling (CSU), Mahmut Özdemir (SPD), Andreas Bleck und Kay Gottschalk (beide AfD). Linke, inklusive Sahra Wagenknecht, und Grüne sprachen sich geschlossen für die Initiative aus, ebenso der FDP-Abgeordnete Alexander Kulitz. Alle anderen Abgeordneten der Liberalen enthielten sich.
Update 09.54h: Stellungnahme von Jens Brandenburg
Der FDP-Abgeordnete Jens Brandenburg, der gegen seinen eigenen Gesetzentwurf stimmte, übermittelte uns folgende Stellungnahme:
Laut Bundestagsprotokoll habe ich gestern gegen unser eigenes Selbstbestimmungsgesetz gestimmt. Das kann ich mir nicht erklären und es ist mir wirklich sehr unangenehm. Natürlich unterstütze ich den Gesetzentwurf, in den ich in den vergangenen Jahren viel Energie und Herzblut investiert habe. Eigentlich war ich mir sicher, die blaue Karte eingeworfen zu haben. Einen menschlichen Fehler kann ich nicht ausschließen, auch ein Auszählungsfehler ist möglich. Mein Votum lautet jedenfalls "Ja". Nach hunderten fehlerfreien namentlichen Abstimmungen in dieser Wahlperiode ärgert es mich sehr, dass ausgerechnet bei dieser Herzensangelegenheit ein falscher Eindruck entsteht. Die entstandenen Irritationen tun mir sehr leid.
Update 14.52h: Erklärung von Daniela Wagner
In einer Erklärung an das Bundestagspräsidium erklärte die Grünen-Abgeordnete Daniela Wagner am Donnerstag, am Mittwochabend "versehentlich mit 'Enthaltung' gestimmt" zu haben. "Mein Votum lautet 'Zustimmung'", heißt es weiter. Die Erklärung wird nach Angaben der Fraktion dem Plenarprotokoll beigefügt.
