Der Bundestag hat am Donnerstag einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Rehabilitation und Entschädigung von wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität diskriminierten Soldat*innen (PDF) verabschiedet. Die Annahme in zweiter und dritter Lesung erfolgte einstimmig, allerdings setzten sich die Regierung und ihre Fraktionen über Änderungswünsche aus Verbänden und demokratischer Opposition hinweg.
Der Entwurf sieht kurz zusammengefasst eine Entschädigung vor, wenn homo-, bi- oder trans Personen in der Bundeswehr bis Juni 2000 entlassen oder etwa durch Degradierung oder Nicht-Beförderung schikaniert worden sind: 3.000 Euro einmalig für dienstliche Benachteiligungen sowie für jede aufgehobene Verurteilung (queer.de berichtete). Erst zu jenem Stichtag im Jahr 2000 wurde die Einstufung der Homosexualität als "Sicherheitsrisiko" aufgehoben und Schwule und Lesben durften offen dienen (queer.de berichtete). Entschädigungen sollen auch Soldat*innen erhalten, denen das selbe Schicksal in der Nationalen Volksarmee der DDR widerfahren ist.
Bereits im Vorfeld hatten LGBTI-Organisationen die Initiative des Bundesverteidigungsministeriums begrüßt, aber Nachbesserungen gefordert. Auch bei einer Sachverständigenanhörung im Verteidigungsausschuss war entsprechende Kritik geäußert worden (queer.de berichtete). "Leider wurde die Chance verpasst, die Schwächen des Gesetzentwurfs zu beseitigen", beklagte LSVD-Bundesvorstand Patrick Dörr am Donnerstag. "Er beschränkt sich auf eine symbolische Entschädigung und erfasst nicht alle stattgefundenen Diskriminierungen. Die Parteien signalisierten Veränderungswillen. Umso enttäuschender ist es, dass der Gesetzentwurf nun ohne Änderungen verabschiedet werden wird."
Eine umfassende Entschädigungsregelung würde "höhere Entschädigungssummen, Härtefallregelungen, die Möglichkeit nachträglicher Beförderungen und eine kollektive Entschädigung" erfordern, so der LSVD. Auch habe es noch nach dem im Gesetz vorgesehenen Stichtag im Juni 2000 Diskriminierungen gegeben. "Alle Expert*innen halten diese Stichtagsregelung als realitätsfern", beklagte auch der Verband QueerBW. "Jahrzehntelange Diskriminierungspraxis lässt sich nicht über Nacht mit einem Blatt Papier ändern."
Späte Anerkennung des Unrechts
Bereits bei der ersten Lesung Anfang März hatte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer betont, dass die "symbolische Wiedergutmachung" ein "Zeichen eines tiefen Bedauerns" sei. Auch bei der zweiten Debatte, die sich zudem um einen allgemeinen Entwurf zur Neuordnung des Soldatenversorgungsrechts drehte, ergriff die CDU-Politikerin das Wort. Dabei begrüßte sie auf der Tribüne Vertreterinnen von QueerBW und speziell Dierk Koch. Er hatte sich 1960 als 18-jähriger Soldat bei der Marine verpflichtet. Nachdem ein einvernehmliches Verhältnis zu einem anderen Soldaten bekannt wurde, wurde er degradiert, unehrenhaft entlassen und später noch nach Paragraf 175 zu einer Geldstrafe verurteilt.
Dierk Koch am Donnerstag im Bundestag. Zu ihm gibt es unter anderem einen Videobericht der Sat1-Regionalnachrichten
In den letzten Jahren hatte er sich um Entschuldigung und Rehabilitierung in beiden Bereichen bemüht, für die Verurteilung erhielt er 2017 eine Entschädigung über 3.000 Euro. Er sei einer derjenigen, "die ein Verfahren durchzustehen hatten, deren Lebenstraum zerstört worden ist", betonte die Ministerin. "Es war Unrecht, es ist Unrecht, wir wüssen uns und wir wollen uns dafür entschuldigen." Die Entschädigung könne "nur in Ansätzen wiedergutmachen", was Koch zugestoßen sei. "Aber es ist ein klares Zeichen, dass wir zu unserer Verantwortung in der Vergangenheit stehen".
Auch weitere Redner*innen gingen kurz auf den Gast ein, beklagten dieses "dunkle Kapitel" der Bundeswehr und begrüßten die Anerkennung des Unrechts. Vertreter*innen der demokratischen Opposition (und der SPD-Abgeordnete Karl-Heinz Brunner) beklagten allerdings, dass auf Verbesserungswünsche am Gesetz nicht eingegangen wurde. Sie forderten etwa eine Verschiebung oder Streichung des Stichtags Juni 2000, eine Härtefallregelung und eine Kollektiventschädigung als Ausgleich für die Betroffenen, die bereits verstorben sind. Die FDP hatte dazu einige Ergänzungs- und Entschließungsanträge eingebracht, für die auch Grüne und Linke stimmten, darunter zu einer Verschiebung des Stichtags auf den 31. Dezember 2009. Die Anträge scheiterten aber an einer Mehrheit aus CDU/CSU, SPD und AfD. (nb)
Die Diskriminierungsopfer der Polizei, besser, der Deutschen Volkspolizei, werden nicht rehabilitiert.
Obwohl den schwulen und lesbischen MdB's das Problem - die Rehabilitierung der schwulen Volkspolizisten - bekannt ist, kümmern sie sich nicht um eine Lösung und Rehabilitierung. Was haben sie gemacht? Versprochen haben sie viel. Besonders enttäuscht Karl-Heinz Brunner (SPD). Er wollte sich persönlich um diese Problematik kümmern, das hat er sehr oft gesagt und versprochen. Und die SPD hat diesem Gesetz
zugestimmt! Pfui!
Ich weiß genau wovon ich rede, ein Beispiel: »... So zum Bei-spiel L. D. im Oktober 1970. Den Vorgesetzten wurde seine Homosexualität bekannt und ihm klargemacht, dass er als Beamter in der VP nicht mehr tragbar ist. Eingeschüchtert, er war 27 Jahre alt, stimmt er einem Aufhebungsvertrag zu und wechselt in die Privatwirtschaft (VEB). Er hat schnell wieder beruflich Fuß gefasst und lebt heute als Rentner glücklich und zufrieden. Aber deklinieren wir den Fall mal durch: ...Wäre er in der VP geblieben, wäre er 1990 noch in die gesamtdeutsche Polizei übernommen und verbeamtet worden und hätte sich mit 61 Jahren pensionieren lassen können. So aber fiel seine Firma 1990 an die Treuhand, er wurde entlassen und hatte sich bis zu seiner frühzeitigen Verrentung mit ABM-Stellen, Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe rumgeschlagen, jähr-lich wichtige Rentenpunkte verlierend. Heute hat er gut 1000 Euro weniger als ein pensionierter Polizeibeamter, der noch dazu mit 61 oder 63 in die Pension gehen kann. Geht man von durchschnittlich 20 Rentenjahren aus, spart der Staat und die Rentenversicherungsträger 240 000 Euro.«
(Dr. Jens Dobler, VelsPol Bundesseminar, 2019)