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Eurovision Song Contest

Eurovision-Finale 2021: Das sind alle Songs

Unser ESC-Experte Jan Gebauer stellt euch die 26 Beiträge der Show aus Rotterdam vor und tippt, welche Länder bei der Jury und den Zuschauern abräumen.


Mitfavoritin Barbara Pravi aus Frankreich, Deutschlands Jendrik und Islands Daði og Gagnamagnið

Nach der Corona-bedingten Absage im vergangenen Jahr findet am Samstag das Finale des 65. Eurovision Song Contest unter dem Motto "Open Up!" statt. Ab 21 Uhr wird die Show aus der der Ahoy Arena in Rotterdam im Ersten und auf eurovision.de ausgestrahlt. Es kommentiert wie gewohnt Peter Urban.

Barbara Schöneberger wird das Rahmenprogramm vor und nach dem ESC-Finale moderieren und auch die Punkte für Deutschland durchgeben. Um 20:15 Uhr gibt es "Countdown für Rotterdam", unter anderem mit Michael Schulte. Spannender dürfte das Wiedersehen mit früheren ESC-Gewinnern sein, die in Rotterdam gegen Ende auftreten werden. Neben Måns Zelmerlöw sehen wir die finnische Hardrock-Band Lordi. Die Pausen-Acts komplettieren Helena Paparizou, Sandra Kim, Lenny Kuhr und ein Reunion der Band Teach-In, die 1975 den Contest gewannen. Nicht live auftreten kann der Mann, der den ESC nach Rotterdam brachte: Duncan Laurence, der bisexuelle Sieger des ESC 2019 in Tel Aviv, wurde unter der Woche positiv auf Covid-19 getestet.

Direktlink | 26 Länder treten im Finale an – hier ihre Songs im 9-Minuten-Schnelldurchlauf
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Während für das Publikum in den Rängen ein nicht unumstrittener Feldversuch läuft, mit Zugang für jüngere Menschen bei negativem Test oder Impfung, gilt für Mitarbeitende, Presse, Künstler*innen und ihre Delegationen ein strikteres Regime mit Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht in vielen Bereichen und Tests. Nach positiven Befunden können auch die sympathischen Isländer*innen nicht auftreten; wie im zweiten Halbfinale wird ein Probendurchlauf eingespielt.

Die Beiträge in Startreihenfolge


V.l., oben: Zypern, Albanien, unten Israel, Belgien

Zypern: Elena Tsagrinou – El diablo
Paella statt Gyros: Der sexy Feuerteufel aus Zypern verpflichtete Luca Hännis Songschreiberin von "You Got Me", die ihre Blaupause mit Lady Gagas "Bad Romance" anreicherte. Mittlerweile gibt es sogar schon ein Mash-up auf VEVO. Aufgeheizt wird der Dance-Stampfer mit "Fuego" und einem lasziven Tanz, dass selbst der Teufel ins Schwitzen gerät. Textkostprobe? "Mama-mamacita, tell me what to do. Lo-la-lo-la-loca, I'm breaking the rules". Viel Tiefsinn – und ein Megaohrwurm! Randnotiz: Einer der Songschreiber, Cleiton Sia, tritt als Dragqueen unter dem Künstlernamen Oxa auf und verlautbarte vor dem ESC: "Ich bin Mann, ich bin Frau, ich bin Transgender, ich bin Performer, Tänzer und Sänger!"
Prognose: Besser gut gestohlen als schlecht selbst geschrieben. Wenn sie stimmlich nicht wieder so wackelt wie im Halbfinale, kann sie weit vorne landen.

Albanien: Anxhela Peristeri – Karma
Ohne Balkan-Schwermut geht es nicht! Die meisten Nachbarländer Albaniens wurden bereits im Halbfinale ausgesiebt oder konnten aus Geldnot gar nicht erst anreisen. Umso stolzer sind die Albaner auf die ebenso stimmfeste wie überschminkte Anxhela Peristeri. Mutig: Sie tritt ganz allein, ohne Tänzer oder Musiker, auf. Den Glitzerfummel reicht sie hinter der Bühne direkt an Moldau weiter. Wenn sie das doch auch mit ihren Stimmbändern könnte.
Prognose: Die aufgedonnerte Bombastschnulze mit Ethno-Touch wird im roten Nebel höchstens im Mittelfeld landen.

Israel: Eden Alene – Set Me Free
Welcher Israel-Gaza-Konflikt? Beim neonfarbenen Spektakel auf der Bühne kommen keinerlei Gedanken an Krieg und Bomben auf. Stattdessen höchste Töne und dünnste Beinchen: Eden Alene, 2018 Siegerin bei X Factor Israel, zieht ihre Dance-Pop-Orgie gekonnt durch. Im Halbfinale sorgte sie mit hohen Tönen im Pfeifregister für das ein oder andere blutige Ohr. Das wäre nicht nötig, denn der Song sorgt auch so für gute Stimmung. Und es gibt sogar ein Trickkleid!
Prognose: Spielt keine Rolle für die vorderen Plätze.

Belgien: Hooverphonic – The Wrong Place
Die Überraschung des ersten Halbfinals, denn die kühle Noblesse von Belgiens Trip-Hop-Band Hooverphonic, die in ihrer Heimat bereits seit den 1990er Jahren sehr erfolgreich sind, hatte kaum einer auf der Rechnung. Ein erstaunlich normales Lied ohne überkandidelte Emotionen, das vermutlich durch die Jurys ins Finale gerutscht ist. Leadsängerin Geike Arnaert, Typ böse Zwillingsschwester von Patricia Kaas, schmettert eine der besten Textzeilen im Wettbewerb: "Don't you еver dare to wear my Johnny Cash t-shirt" und gibt eine klasse Vorstellung ohne viel Schnickschnack.
Prognose: Ein Platz oberhalb des Mittelfeldes wäre eine große Überraschung. Verdient hätten es die Vollprofis!


Russland, Malta, Portugal, Serbien

Russland: Manizha – Russian Woman
Die Zeiten, in denen Russland ausgebuht wurde, sind endgültig vorbei. Die Frauenpower aus Russland wurde im Halbfinale gefeiert. Unglaubliche Vorgeschichte: Das Lied mit feministischer Botschaft wurde ausgerechnet am Weltfrauentag zum Sieger der nationalen Vorentscheidung bestimmt. Manizha, die sich auch für LGBT-Rechte einsetzt, schwebt mit einem traditionellen russischen Kleid auf die Bühne. Ist diese besondere Form des Trickkleids mal weg bleibt ein Tankwartanzug Marke Hella von Sinnen übrig. Ihr Beitrag, voller gebrochener folkloristischer und moderner Hip-Hop-Elemente, wird am Ende von russischen Frauen auf Bildschirmen unterstützt.
Prognose: Die Ukraine hat ebenfalls einen äußerst speziellen Beitrag. Das Battle könnten diese knapp für sich entscheiden.

Malta: Destiny – Je me casse
Seit Monaten liegt die erst 18-jährige Destiny mit ihrem Electro-Swing-Beitrag ganz vorne in den Wettquoten. Ein Novum für Malta! Und trotz des enormen Drucks lieferte Destiny im Halbfinale eine großartige Show ab. Mit starker Soulstimme sang sich das kräftige Mädchen locker weiter und sorgt für die beste Stimmung in der Halle. Endlich mal eine Sängerin, die auch die Höhen beherrscht! Wen interessieren da noch der Glitzerfummel oder die scheußlichen Alustiefel Marke Raumschiff Enterprise? Wer nicht genug von "Je me casse" bekommt, darf sich über gelungene Akustik- und Symphonic-Versionen freuen.
Prognose: Singt endgültig um den Sieg mit und in Valletta bricht langsam Panik aus. Wer soll das bezahlen???

Portugal: The Black Mamba – Love Is on My Side
Der Sonnenschein-Moment des zweiten Halbfinals! Da sah man eine echte Band mit einem sehr guten Sänger, der eine charismatische Show ablieferte. Und so sang sich Portugal aus dem Nichts glatt in die Top 10 der Buchmacher. Der verträumte Memphis-Soul-Titel klingt auf CD etwas staubig, erstrahlt aber durch den Live-Moment in vollem Glanze. Und eins der schönsten Bühnenbilder gibt es obendrein. Umwerfend!
Prognose: DARK HORSE! Das könnte die Überraschung des Abends werden.

Serbien: Hurricane – Loco Loco
Schnell ein paar Keywords für die Suchmaschine: Porno, Balkan-Disco, Hair Extensions, Schlauchbootlippen. Was singen die da eigentlich? Sam, sam sam, nom, nom, nom? Ist das eigentlich Jennifer Rush, die mittig das gesangliche Zepter in die Hand nimmt? Nein, das ist Sanja Vučić, die ihre zugegebenermaßen starke Stimme bereits 2016 präsentierte, als sie Serbien mit einem anspruchsvollen Lied über häusliche Gewalt vertrat. Zwischen dem knalligen Getöse geht das leider unter, denn zwischen Pussycat Dolls und den Kardashians reißen die Mädels mit rudernden Armen die Hütte ab.
Prognose: Der Osten wird es lieben, sodass die hohen Hacken im Mittelfeld landen.


UK, Griechenland, Schweiz, Island

Großbritannien: James Newman – Embers
Eine der stärksten männlichen Stimmen im Wettbewerb singt einen Radio-Pop-Song von der Stange und bewegt sich zwischen zwei überdimensionalen Trompeten wie der nette Schlageronkel einer Florian Silbereisen-Sendung. Dazu trägt er einen hässlichen Ledermantel mit goldenen Reißverschlüssen aus der Resterampe vom SM-Shop um die Ecke. Wann hat die große Pop-Mutti Großbritannien endlich mal wieder einen siegverdächtigen Song am Start? Selbst im eigenen Land will das Lied niemand, denn bisher erreichte "Embers" nicht mal die Top 100.
Prognose: Das wird ein weiterer Reinfall für die Briten!

Griechenland: Stefania – Last Dance
Die 1980er Jahre und Dua Lipa haben in Rotterdam angerufen und wollen ihren Sound zurück. Stefania ist mit 18 Jahren die jüngste Teilnehmerin, lässt aber im hautengen lila Glitzerbody die Konkurrenz weit hinter sich. Auch stimmlich gibt es nichts zu meckern. Die aufwendige Blue- bzw. Green-Screen-Show dagegen soll wohl beeindrucken, wirkt aber wahlweise statisch oder konfus. Stefania wackelt ihren "Last Dance" fast so hölzern wie Pinocchio. Warum steigt sie auf einer unsichtbaren Treppe an Hochhausfassaden entlang? Dumm gelaufen: Die unsichtbaren Tänzer (Menschen im Ganzkörperkondom) hinterließen im Halbfinale immer wieder unsaubere Spuren auf dem Bildschirm. Irre: Songschreiberin Sharon Vaughn schrieb nicht nur "Last Dance", sondern auch am Beitrag von Moldau mit – und vor Jahrzehnten Country-Hits für Willie Nelson, Reba McEntire oder Kenny Rogers.
Prognose: Der süße Dance-Pop in den Farben des Abends – lila, pink, blau – geht mit seiner überambitionierten Show unter.

Schweiz: Gjon's Tears – Tout l'univers
Gjon Muharremaj, dessen Eltern aus Albanien und dem Kosovo stammen, singt eine der großen, modernen Balladen des Abends und im Halbfinale saß jeder Ton, was bei seinen teils irritierenden Verrenkungen umso erstaunlicher ist. Die musicalartige Tetris-Inszenierung erschließt sich zwar nicht beim ersten Anschauen, zieht aber drei Minuten lang in ihren Bann. Das werden nicht nur die Jurys goutieren. Den ESC zu gewinnen ist Gjons großer Traum, seit er ihn zufällig 2011 im Fernsehen gesehen hat. In jenem Jahr fand der ESC in Düsseldorf statt.
Prognose: Nicht "Voilà" ist die große französische Ballade des Abends, sondern "Tout l'univers". Damit sind die Top 5 durchaus wieder drin!

Island: Daði og Gagnamagnið – 10 Years
Die Isländer, bekanntermaßen neben Schweden die größten ESC-Fans, gehören wie schon 2020 zu den Favoriten. Ausgerechnet hier wurde ein Mitglied am Mittwoch positiv auf Corona getestet, sodass die Band nicht live auftreten kann (im Semi am Donnerstag wurde ins Hotel geschaltet und eine pansexuelle Flagge geschwenkt). Die Nerds rund um Leadsänger Daði Freyr, der in Berlin lebt, sind mit ihrer eigenwilligen, verspielten Show die Sympathieträger des Finals. Die minimalistische Choreo und pfiffige Ideen wie der beleuchtete Keyboardkreis zaubern Europa drei Minuten lang ein Lächeln aufs Corona-geplagte Gesicht. Dazu gibt es einen locker-leichten Synthie-Ohrwurm mit Disco-Streichern und Slap-Bass, der Erinnerungen an Daft Punk oder Nile Rodgers' Chic aufkommen lässt.
Prognose: Der Probenauftritt ist fraglos klasse, aber ohne Publikum wirkt er etwas blutarm, was den ganz großen Erfolg kosten könnte. Trotzdem: "Everything about you, I like" und schon jetzt Gewinner der Herzen!


Spanien, Moldau, Deutschland, Finnland

Spanien: Blas Cantó – Voy a quedarme
Keiner redet von Spanien. In den Wetten mittlerweile auf dem letzten Platz, die Klickzahlen bei YouTube im Keller und auch die Kritik kann der gefühligen Ballade im düsteren Nachtsetting mit überdimensionalem Mond nicht viel abgewinnen. Dabei haben die Spanier auf den ersten Blick alles richtig gemacht: Süßer Typ, gute Stimme, große Gefühle in Landessprache, flehende Blicke. Er bedankt sich sogar am Schluss bei seiner Mama. Süß, aber der Funke will einfach nicht überspringen.
Prognose: Nach den Isländern verkommt die klassische spanische Schnulze glatt zur Pinkelpause.

Moldau: Natalia Gordienko – Sugar
Ist das Moldaus Antwort auf Helene Fischer? Den funkelnden Glitzerwams haben wir doch schon bei Albanien gesehen. Und auch das Lichtermeer in lila, rosa und blau kommt uns bekannt vor. Spätestens wenn die Nummer nach 45 Sekunden richtig loslegt, wissen wir: weder gesanglich noch tänzerisch haben wir es hier mit Frau Fischer zu tun. Dass diese unmotivierte Großraumdisco für das Finale aufgerufen wurde und die knuffigen Dänen mit ihrer Synthi-Schlager-Nummer heimgeschickt wurden, ist immer noch die größte Frechheit des zweiten Halbfinals. Immerhin, der Refrain besteht nur aus dem Wort "Sugar" und bumst ansonsten instrumental vor sich hin. Ganz schlimm: die lange, gefühlskalte Endnote von Frau Gordienko. Wem haben wir das nur zu verdanken? Dem Ralph Siegel Russlands, Klemmschwester Philipp Kirkorov!
Prognose: Bitte, bitte, ganz nach hinten damit.

Deutschland: Jendrik – I Don't Feel Hate
Willkommen im Kinderkanal. Jendrik, offen schwul, singt gegen Hass, insbesondere in den sozialen Medien. Das ist lobenswert. Damit Europa versteht, dass wir Deutschen ein solch ernstes Thema lustig verpacken können, schnappt sich der sympathische Blondschopf ein paar pseudomusizierende Begleiter und – Trommelwirbel – eine überdimensionale Gummihand! In deren Mittelfinger steckt ein Mädchen, das zum Rhythmus der Musik wie eine Hupfdohle über die Bühne springt, während auf der Leinwand Wörter wie "lousy" eingeblendet werden. Bei YouTube fragen sich schon die ersten, was wir Deutschen wohl rauchen, um so etwas auf die Bühne zu bringen.
Prognose: Sunnyboy Jendrik bekommt einen Job bei Nikoledon oder im Kinderparadies bei Ikea. Den potenziellen Platz ganz hinten sollte er beim Bewerbungsgespräch allerdings verschweigen.

Finnland: Blind Channel – Dark Side
Der Genre-Mix im ESC-Finale wäre nicht komplett, ohne die obligatorische finnische Crossover-Nummer. Die headbangenden, hüpfenden Jungs mit lackierten Fingernägeln, rot angemalten Mittelfingern und dem Wort "Join" in den Handflächen ziehen uns mit ihrer Linkin-Park-Nummer nur halbwegs auf die "dunkle Seite", denn "Dark Side" ist so eingängig, dass sie letztlich keinen verschreckt. Und blöd, dass dann gegen Ende mit Italien der viel bessere und originellere Song dieses Musikstils noch kommt.
Prognose: Die Rocker von Italien stehlen die Rock-Punkte und für Finnland gehen die Lichter aus.


Bulgarien, Litauen, Ukraine, Frankreich

Bulgarien: Victoria – Growing Up Is Getting Old
Ist das der Eurovision Jammer Wettbewerb? Die kleine Maus aus der Tourihochburg Warna wird nicht umsonst ständig mit Billie Eilish verglichen, deren Ton sie im Halbfinale aber nur mit kräftiger Unterstützung der vorab aufgenommenen Backgroundstimmen traf. Die Schlawiner aus Bulgarien mischten die Aufnahmen zeitweise so laut, dass Victoria kaum noch selbst singen musste. Und das bei der dünnen Stimme. Das Lied ist süß und wird sicher bei den Teenies einschlagen, aber mehr als trösten möchte man das arme Ding letztlich nicht. Immerhin gibt es an der stimmungsvollen Inszenierung mit viel Goldlicht und Sternchen nichts zu meckern.
Prognose: Das richtige Lied zur falschen Zeit. Die Leute wollen Spaß!

Litauen: The Roop – Discotheque
Die größte Rampensau des Baltikums ist zurück. Schon im letzten Jahr sorgten The Roop mit sexy Glatzkopf Vaidotas Valiukevičius für Furore und waren wochenlang ganz oben in den Wetten, bevor alles abgesagt wurde. Mit ihrem Electro-Song "On Fire" gewannen sie schließlich die deutsche Ersatz-Show. Mit "Discotheque" haben sie nicht nur erneut den litauischen Vorentscheid gewonnen, sondern gehören wieder zu den Favoriten, denn der schroffe, unterkühlte Electro-Knaller irgendwo zwischen Kraftwerk und NDW-Trio wird erneut von einer abgefahrenen Choreo begleitet. Das wird bunt, lustig und sehr originell!
Prognose: Das kann das beste Ergebnis Litauens aller Zeiten werden. Also Top 6 und Tipp für einen Platz auf dem Treppchen.

Ukraine: Go A – SCHUM
Oha, mit der wollen wir uns lieber nicht anlegen! Keiner schaut und singt so böse wie Leadsängerin Kateryna Pawlenko, eine der charismatischsten Erscheinungen des Contests. Die wahlweise hypnotisch bis nervtötend anmutende Rave-Folklore hat schon jetzt viele Fans gewonnen, dürfte aber eine ebenso große Fraktion spätestens nach einer Minute akustisch verschrecken. Anstrengend, aber gleichzeitig funktioniert hier alles: Kateryna, ganz in schwarz mit neongrünem Fellumhang als Baum, und ihre weiß gekleideten Jünger, die zwischen Tipp-Ex-Gestrüpp um sie herumtanzen und ihrer Göttin mit beleuchteten Ringen huldigen. Was mahlen die da eigentlich? Kaffee oder Getreide? Bonuspunkte gibt es für die Landessprache! In den Wetten ging es nach den Proben und dem Halbfinale steil nach oben: Aus dem Mittelfeld in die Top 5.
Prognose: Was ein kantiger, bildgewaltiger Beitrag abseits der sonstigen Dance-Nummern und Balladen, der für eine Überraschung sorgen wird.

Frankreich: Barbara Pravi – Voilà
Die gute alte Chanson-Schule, die der Schreiber dieser Zeilen heiß und innig liebt. Die Kritiker überschlugen sich vor Lob für diesen Walzer, der sage und schreibe 36-mal den Titel "Voilà" wiederholt. Dementsprechend liegt das Chanson auch seit Wochen abwechselnd mit Malta oder Italien auf dem ersten Platz der Wetten und Fan-Abstimmungen. Wir sind etwas ratlos: Das ist großartig in Szene gesetzt, wäre da nur nicht Pravis Stimme, die so gar nichts Charmantes an sich hat. Und der endlos wiederholte Titel tut sein Übriges.
Prognose: Wird nicht gewinnen, da die Corona-Tristesse eher eine Uptempo-Nummer auf das Siegerpodest hebt. Und gegen die letzte große Chanson-Queen, Patricia Kaas im Jahr 2009, sieht Pravi dann doch reichlich alt aus.


Aserbaidschan, Norwegen, Niederlande, Italien

Aserbaidschan: Efendi – Mata Hari
Im letzten Jahr reichte Efendi noch einen Song über Cleopatra ein, 2021 dreht sich passender zum Contest alles um die niederländische Tänzerin und Spionin Mata Hari. Die altägyptische Pharaonin wird allerdings noch zitiert, auch sonst blieb alles beim Alten. Eine weitere aufgemotzte Dance-Nummer mit orientalischem Ethno-Touch, heißen Tänzerinnen und zum Finish ordentlich Feuer! Alles sehr und professionell in Szene gesetzt. Gut hinhören: Bei der Textstelle "the Army of Lovers" gibt es tatsächlich ein Mini-Sample von "Crucified" der queeren Band Army of Lovers, Anfang der 1990er Jahre ein europaweiter Hit.
Prognose: Können die Leute die Dance-Nummern noch auseinanderhalten? Wir ahnen Böses.

Norwegen: TIX – Fallen Angel
Krasser Gegensatz von Frankreich über Aserbaidschan zur Schmusenummer aus Norwegen. Der gefallene Engel TIX hat als Partysänger x Hits in Norwegen im Ballermann-Stil gelandet. Sein Künstlername kommt von seinen "Ticks" durch das Tourette-Syndrom. Gibt es dafür "Mitleids"-Punkte? Nö, auch blinde Teilnehmende oder welche im Rollstuhl oder mit Down-Syndrome wurden schon beim ESC nach hinten durchgereicht. TIX war als Songschreiber am Hit "Sweet but Psycho" von Ava Max beteiligt, der 2018 die Charts stürmte. "Fallen Angel" ist ein ebenso eingängiger Pop-Song, dessen Inszenierung mit weißem Engel in Ketten und schwarzen Dämonen das Kitschfass endgültig zum Überlaufen bringt.
Prognose: Hat das Herz am rechten Fleck. Die Jurys winken trotzdem ab. Könnte aber beim Publikum punkten.

Niederlande: Jeangu Macrooy – Birth of a New Age
Jetzt darf wieder die Regenbogen-Fahne geschwungen werden: Jeangu Macrooy ist wie unser Jendrik offen schwul und verließ deshalb seine Heimat Suriname, da die dortige Machokultur nicht mehr auszuhalten gewesen sei. In seinem zwischen Soul-Pop und "König der Löwen" angesiedelten Song geht es um die Black Lives Matter-Bewegung. Nein, er singt nicht über Broccoli! Wir haben nachgeschaut: "Yu no man broko mi, mi na afu sensi" (frei übersetzt: "Man kann mich nicht brechen, auch wenn man denkt, ich sei minderwertig"). Das ist Sranantongo, eine Verkehrssprache in Suriname. Sehr farbenfroh und sympathisch dargeboten.
Prognose: Ein guter Sänger mit starker Stimme, aber leider werden die Niederländer damit keinen weiteren Platz vorne landen.

Italien: Måneskin – Zitti e buoni
Der akustische Schlag in die Magengrube! Mit diesem deftigen Rocktitel konnte die junge Band Måneskin, deren einzelne Mitglieder sich als "bisexuell", "heterosexuell", "sexuell frei" und "neugierig" definieren, tatsächlich das Sanremo-Festival gewinnen. Damit wird Italien von vier Künstlern vertreten, die allesamt im 21. Jahrhundert geboren wurden. Die Wetten prophezeien mittlerweile auch den Sieg beim ESC. Es wäre der erste Sieg einer Rock-Nummer seit den Monstern von Lordi im Jahr 2006. "Zitti e buoni" wird sehr authentisch als Arena-Rock-Nummer lässig und abgeklärt dargeboten. Dazu treten die Jungs oberkörperfrei in Latzhosen im Glam-Rock-Stil auf.
Prognose: Neben Malta der Top-Favorit auf den Sieg, weil Europa in der endlosen Corona-Zeit mit diesem Lied etwas Dampf ablassen kann.


Schweden und San Marino

Schweden: Tusse – Voices
Auch in diesem Jahr glänzt Schweden wieder mit einer perfekten Soul-Pop-Nummer, die von einem starken Sänger namens Tousin Michael Chiza alias Tusse dargeboten wird. Der kam 2015 als unbegleiteter jugendlicher Flüchtling aus dem Kongo nach Schweden, um einige Jahre später die Castingshow "Idol" zu gewinnen. Er setzte sich im traditionell hart umkämpften schwedischen Vorentscheid mit einem queeren, androgynen Auftritt durch, nahm schon einmal mit Freunden am CSD teil und will seine Sexualität nicht mit Labeln versehen. Sein hymnisches Lied handelt von Zusammenhalt, Hoffnung und der Bedeutung, dass alle Stimmen gehört werden müssen.
Prognose: Kein Favorit! Die Jurys stehen aber drauf und werden ihm zu einem soliden Platz verhelfen.

San Marino: Senhit feat. Flo Rida – Adrenalina
Wiederholungstäterin Senhit (ESC Düsseldorf!) trägt zu Beginn einen üppigen Kopfschmuck aus der Azteken-Goldkammer, dazu einen Federaufsatz à la Dana International. Ganz Eurovision-gerecht wird das Ganze dann heruntergerissen und der letzte Dance-Stampfer des Abends zieht seine weiteren Kreise auf einer polierten Spiegelplatte. Pudelkopf Senhit gibt alles in der etwas konfusen Show. Doch letztlich ist es ein echter Weltstar, der seine besten Jahre fast zehn Jahre hinter sich hat, der ihr dann Dita-von-Teese-artig gezielt die Show stiehlt: Rapper Flo Rida bringt die Halle zum Kochen!
Prognose: Eventuell Top 10, was für San Marino ein riesiger Erfolg wäre. Flo Rida spätestens um fünf nach Zwölf: "What was your name?! And where is my big fat check???"

Wer wird vorne liegen?

Prognose für die ersten zehn Plätze, in der Startreihenfolge: Zypern, Malta, Portugal, Schweiz, Island, Litauen, Ukraine, Frankreich, Italien, San Marino.


Durch die Show führen wieder Edsilia Rombley, Jan Smit, Chantal Janzen und die trans Youtuberin Nikkie de Jager (NikkieTutorials)

Aus allen 39 im Gesamtwettbewerb teilnehmenden Ländern vergeben Jurys, die bereits einen Durchlauf vom Freitag bewerteten, und das Televote jeweils Punkte an nur zehn Länder. Um die Spannung aufrecht zu erhalten, werden in der Show zuerst die Jury-Stimmen mit den traditionellen Länder-Schalten vergeben, dann die gesammelten Televoting-Stimmen.

#1 AnonAnonym
  • 22.05.2021, 22:55h
  • Sich gegen Hass einzusetzen ist natürlich lobenswert, warum man sich dabei aber so sehr dem Klischee hingeben muss ist mir immer wieder ein Rätsel.

    Ein bunter, stets lächelnder Typ im pinken Jäckchen der auf einer glitzernden, mit Strasssteinchen besetzten Ukulele spielt und wie ein Flummi durch die Gegend springt wirkt, bei allem Respekt, einfach billig.

    Wer glaubt, die Zuschauerschaft des ESC würde bei so einer Karikatur an Auftritt begeistert Beifall klatschen, nur weil die Thematik des Liedes wichtig ist, irrt. Da haben sich so manche Parteien verkalkuliert.

    Ich für meinen Teil werde jetzt erst mal die deutsche Staatsbürgerschaft aufgeben.
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#2 NajaAnonym
  • 22.05.2021, 23:35h
  • Antwort auf #1 von Anon
  • Geht es auch eine Nummer kleiner?

    Ich fand den Song bis auf die hüpfende Hand gar nicht so schlecht. Hat auch mehr Wiedererkennungswert als viele der anderen Songs.
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#3 Korinthen KKAnonym
  • 22.05.2021, 23:53h
  • Was total nervig ist: dieses ewige Zeitschinden bis zur Bekanntgabe der Stimmen. Da die Jurystimmen doch zuerst bekanntgegeben werden, kann man das doch schon während des Telefonvotings doch machen, oder?!
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