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Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD

"Verhetzende Beleidigung": Kein Schutz für Frauen und trans Menschen

Bundesjustizministerin Lambrecht will Hassbotschaften gegenüber marginalisierten Gruppen verbieten – anders als die "sexuelle Orientierung" werden "Geschlecht" und "Geschlechtsidentität" jedoch ausgeklammert.


Der Gesetzenwurf von CDU/CSU und SPD wurde im Haus von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) erabeitet (Bild: Thomas Köhler / photothek)

In der vergangenen Woche stellte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) ein neues Gesetzesvorhaben (PDF) der Regierungsparteien zur Bekämpfung von Hasskriminalität vor. Mit der Einführung der "verhetzenden Beleidigung" soll eine Gesetzeslücke geschlossen werden, die Union und SPD im Bereich zwischen der Beleidigung und der Volksverhetzung sieht (queer.de berichtete). Queere Politiker*innen und Verbände kritisieren gegenüber queer.de das Vorhaben: Es fehlten die Schutzmerkmale "Geschlecht" und "Geschlechtsidentität".

Der neue Straftatbestand "verhetzende Beleidigung" wurde in den Gesetzentwurf des Bundesregierung zu Feindeslisten aufgenommen, der aktuell im Bundestag beraten wird. Strafbar soll laut dem vom Bundesjustizministerium formulierten Vorschlag der Koalitionsfraktionen in Zukunft sein, wer Angehörigen bestimmter Gruppen Nachrichten zukommen lässt, in denen verhetzende Äußerungen gegen eben jene Gruppen enthalten sind.

Die Union wollte noch weniger Gruppen schützen

Wird die Person, der der Inhalt, etwa per Mail, zugesandt wurde, nicht direkt angesprochen, handelt es sich juristisch nicht um eine Beleidigung. Für die betroffenen Personen jedoch sind solche Nachrichten verstörend und bedrohlich, und sie wissen natürlich, dass sie gemeint waren. Eine Volksverhetzung sind solche Nachrichten bislang auch nicht, weil persönliche Nachrichten der Rechtsprechung zufolge nicht geeignet seien "den öffentlichen Frieden zu stören" – es mangelt schlicht am Publikum.

Über die Frage, welche Gruppen genau mit dem Gesetzesvorhaben geschützt werden sollte, gab es koalitionsintern Streit zwischen CDU/CSU und SPD. Die Union etwa wollte zunächst nur die historischen Opfergruppen des Nationalsozialismus schützen, doch sei unklar gewesen, warum etwa jüdische, nicht aber muslimische Menschen erfasst sein sollten. Schließlich einigte man sich auf einen Katalog, der "eine durch ihre nationale, rassische, religiöse oder ethnische Herkunft, ihre Weltanschauung, ihre Behinderung oder ihre sexuelle Orientierung bestimmte Gruppe" schützt, respektive "einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen".

Die neue Strafvorschrift "Verhetzende Beleidigung" soll als Paragraf 192a in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden. Veruteilten droht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.

Lederer: Gesetzentwurf schafft "Zweiklassengesellschaft"

Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke), selbst Jurist, kritisierte das Gesetzesvorhaben im Telefonat mit queer.de. "Ob es rechtspolitisch sinnvoll ist, diesen neuen Straftatbestand zu schaffen, sei mal dahingestellt", sagte er in Bezug auf den längeren Streit darum, welche Gesetze gegen Verbrechen und Botschaften aus Hass wirklich sinnvoll sind. "Wenn allerdings verhetzende Inhalte gegenüber Angehörigen diskriminierter Gruppen strafbar sein sollen, dann darf es da keine Lücke geben, die das Geschlecht oder die Geschlechtsidentität betrifft. Es ist aus meiner Sicht zwingend, dass hier keine Zweiklassengesellschaft entsteht, in der die definierten strafrechtlichen Schutzgüter einzelne Gruppen privilegieren und damit andere ausgrenzen."

Bundesjustizministerin Lambrecht hatte den Vorschlag in einer Pressemitteilung unter anderem damit begründet, man sei "in der Verantwortung, jeden und jede in unserer Gesellschaft vor Anfeindungen und Ausgrenzung zu schützen". Menschenverachtung müsse man "von vornherein den Nährboden entziehen, und wo immer nötig, konsequent einschreiten." Doch wer ist mit "jeder" und "jede" gemeint?

Bundesverband Trans* fordert Orientierung am AGG

Gabriel_Nox Koenig, Referent_in für Presse- und Öffentlichkeit beim Bundesverband Trans*, sagte zu queer.de, es sei "unverständlich, warum dieses Gesetz auf diese Weise formuliert ist. Alle AGG-Merkmale [gemeint ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz; d. Red.] müssten aufgenommen werden: Geschlecht fehlt ja komplett und auch Geschlechtsidentität ist auf diese Weise nicht geschützt. Und das, obwohl zahlreiche Studien zeigen, dass trans* und nicht-binäre Personen vielmals von Anfeindungen betroffen sind." Oftmals würden eben auch Frauen zum Ziel von Hass – cis Frauen ebenso wie trans Frauen. "Hier wurde eine Chance verpasst, vielen Betroffenen den dringend notwendigen Schutz zukommen zu lassen".

Nox_Koenig verwies darauf, dass besonders transgeschlechtliche Personen immer wieder in die Schusslinie gerieten, verstärkt auch von rechter Seite. "Abgetan als 'Genderideologie' wird hier Menschen ihr Existenzrecht abgesprochen. Dabei sind Menschen, die die Grenzen der Zweigeschlechterordnung überschreiten und herausfordern, so alt wie die Menschheit selbst."

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Würde Schutz der "sexuellen Identität" helfen?

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) kritisierte gegenüber queer.de, dass schon in früheren Versuchen, Hassvergehen und Hatespeech zu kriminalisieren, "stümperhaft" vorgegangen worden sei. So seien etwa antisemitische Beweggründe vergessen worden, ebenso Homophobie, Transphobie und Misogynie. Beck forderte, bei der Strafzumessung die Beweggründe von Täter*innen zu berücksichtigen sowie bei gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit die Merkmale "Geschlecht" und "sexuelle Identität" explizit zu benennen.

Den Begriff der "sexuellen Identität", der sowohl die sexuelle und romantische Orientierung wie auch das eigene Identitätskonzept vereint, versuchen Grüne, Linke und FDP seit zwei Jahren in den Artikel 3 des Grundgesetzes mit aufnehmen zu lassen, in dem ein Benachteiligungsverbot für Angehörige bestimmter Gruppen formuliert wird. Erst in dieser Woche verschob die Regierungskoalition die dazu angesetzten Debatten im Bundestag gleich zweimal (queer.de berichtete).

Zusammenhang von Online-Hass und Femiziden

Laut Studien führt Onlinehetze oftmals zu Gewalt im echten Leben. Im Februar hatte sich etwa das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" (Bezahlartikel) schwerpunktmäßig mit dem Zusammenhang von Online-Hass gegen Frauen und von denselben Tätern ausgehenden Femiziden und Vergewaltigungen beschäftigt. In Österreich sorgte Ende April ein Femizid für Aufsehen, der vom sogenannten "Bierwirt" begangen worden sein soll (Bericht auf derStandard.at). Der 42-jährige Mann war in den vergangenen Jahren im öffentlichen Medieninteresse, weil er der grünen Politikerin Sigrid Maurer frauenverachtende Nachrichten geschickt, dies jedoch in einem jahrelang andauernden Rechtsstreit geleugnet hatte. Am 29. April soll er dann seine 35-jährige Ex-Partnerin erschossen haben.

Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte stellte schon 2008 in einem Bericht (Informationsblatt als PDF) fest, dass Hassverbrechen und Hassreden bei Lesben, Schwulen, Bisexuellen und trans Menschen Angst und Einschüchterung hervorrufen und sie an der uneingeschränkten Teilhabe an der Gesellschaft hindern, weshalb die Agentur die EU dazu aufrief, entsprechende Schutzmaßnahmen auch für diese Gruppen zu verabschieden.

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#1 AlexAnonym
  • 24.05.2021, 08:53h
  • Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn Union und SPD einfach mal alle Forderungen erfüllen könnten, ohne immer noch einen Rest Diskriminierung einzubauen.

    Die müssen endlich weg.
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#2 LegatEhemaliges Profil
  • 24.05.2021, 09:14h
  • Frau Lambrecht ist schon von denen die sie nebenbei mitgewählt haben um Lichtjahre entfernt, da braucht man nicht zu erwarten, dass sie sich mit "skurrilen Minderheiten" auseinandersetzt.
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#3 KaiJAnonym
  • 24.05.2021, 09:28h
  • Es wird eine bewusste Schutzlosigkeit aufgrund des Geschlechts geschaffen.
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