Ein Vorfall in Haltern am See schlägt bundesweit hohe Wellen. Unbekannte Täter*innen griffen in der Nacht von Freitag auf Samstag das SPD-Bürger*innenbüro in der Stadt am Rande des Ruhrgebiets an. Dabei wurden mehrere Scheiben beschädigt. Außerdem wurde die Forderung "TSG abschaffen!" an die Wand gesprüht. Die SPD erstattete Anzeige gegen Unbekannt. Auf Indymedia bekannte sich am Samstagmorgen ein anonymer "autonomer Zusammenschluss von trans* Personen" zu dem Angriff.
Der Vorfall steht vermutlich in Zusammenhang mit der in der vergangenen Woche im Bundestag gescheiterten Reform des Transsexuellengesetzes (TSG). Fast alle Abgeordneten der SPD-Fraktion hatten am 19. Mai gemeinsam mit einem Großteil der Abgeordneten von Union und AfD zwei Gesetzentwürfe für ein Selbstbestimmungsgesetz von FDP und Grünen in namentlicher Abstimmung abgelehnt (queer.de berichtete). SPD-Politiker*innen begründeten die Ablehnung der Trans-Reform damit, dass der Koalitionspartner CDU/CSU eine Einigung blockiert habe, auch zu einem gemeinsamen Gesetzentwurf der Regierung.
SPDqueer macht Kritiker*innen für Tat verantwortlich
"Wie kommt man da drauf, wegen einer Abstimmung im Deutschen Bundestag ein SPD-Büro in Haltern am See zu demolieren?", fragte die Generalsekretärin der NRWSPD Nadja Lüders am Sonntag in einer Pressemitteilung. "Dazu braucht es schon eine sehr gefährliche und undemokratische Denkweise. Die Frustration darüber, dass es in Deutschland nicht progressiv genug zugeht bei der Selbstbestimmung, in allen Ehren – wer zu Gewalt und feigem Vandalismus greift, entzieht sich dem demokratischen Diskurs."
Die NRWSPDqueer verurteilte den Angriff auf das SPD-Büro ebenso scharf. "Auch für das queere Engagement in unserer Partei war die nicht gelungene Abschaffung des TSG im Bundestag eine Enttäuschung. Doch bei Sachbeschädigung von Bürger*innenbüros wird eine rote Linie des Protests überschritten", so der Vorsitzende Fabian Spies. Gleichzeitig machte er SPD-Kritiker*innen für die Attacke verantwortlich: "Hetze und Aufrufe zu Hass und Gewalt in den sozialen Medien sind der Nährboden für solche Taten. Dafür haben wir keinerlei Verständnis."
SPDqueer-Vizechef: Anschlag ist "Ergebnis grüner Schaufensteranträge"
In ihrer berechtigten Empörung über den Vandalismus schossen einige Sozialdemokrat*innen sogar weit übers Ziel hinaus. So bezeichnete der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPDqueer Oliver Strotzer den Anschlag auf das Halterner SPD-Büro auf Twitter als "Ergebnis grüner Schaufensteranträge".
Die Grünen reagierten empört auf den Vorwurf: "Die Gewalt und den Angriff auf das SPD Büro in Haltern verurteilen wir. Entschieden und solidarisch. Den niveaulosen Vorwurf von @OliverStrotzer weisen wir zurück. Punkt", kommentierte die queerpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion Ulle Schauws auf Twitter. Ihr Kollege Sven Lehmann nannte den Vorwurf des SPDqueer-Vizechefs "einfach nur unverschämt und politisch dumm".
Nach anhaltender Kritik, u.a. von der trans Aktivistin Georgine Kellermann, entschuldigte sich Strotzer schließlich. "Der Anschlag auf das Bürgerbüro der #SPD in Haltern am See hat mich heute sehr aufgewühlt und wütend gemacht", schrieb er am Sonntag auf Twitter. Lehmann und Schauws "damit indirekt in Verbindung zu bringen war unangebracht. Ich möchte mich dafür entschuldigen". (cw)