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Geschichte der "Homosexuellen-Seuche"
40 Jahre Aids
Am 5. Juni 1981 berichtete ein US-Fachmagazin erstmals über die Häufung einer seltenen Form der Lungenentzündung bei schwulen Männern – eine Chronik zum Jahrestag.

Ribbon photo created by jcomp - www.freepik.com) Die Rote Schleife ist seit 1991 ein international bekanntes Zeichen der Solidarität mit HIV-Positiven (Bild:
- 3. Juni 2021, 15:58h 5 Min.
Vor genau 40 Jahren – am 5. Juni 1981 – berichtete ein Monatsmagazin der US-Gesundheitsbehörde CDC über die Häufung einer seltenen Form der Lungenentzündung bei schwulen Männern. Dieser Bericht im "Morbidity and Mortality Weekly Report" ist die erste Veröffentlichung zu einer Krankheit, die seit Herbst 1982 als Aids bezeichnet wird. Das Akronym steht für "aquired immune deficiency syndrome" (erworbenes Immunschwächesyndrom).
Damit hat Aids seit inzwischen vier Jahrzehnten schwules Leben und schwules Bewusstsein schmerzhaft und radikal verändert. Was viele zunächst als ein vorübergehendes medizinisches Problem abtaten, entwickelte sich rasch zu einer weltweiten Pandemie. Dass sich am Ende der Achtzigerjahre eine politische Mehrheit für den liberalen Aufklärungskurs von Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth (CDU) finden konnte – entgegen dem repressiven Kurs des Staatssekretärs im Bayerischen Staatsministerium Peter Gauweiler (CSU) und entgegen der Hetze in Medien wie dem "Spiegel" – war zunächst nicht abzusehen.
Trotz aller Fortschritte, die erreicht worden sind, ist Aids bis heute eine große politische und gesellschaftliche Herausforderung unserer Zeit geblieben. Wir dokumentieren die Hauptereignisse der Aids-Krise in den letzten vier Jahrzehnten:
1981: Am 5. Juni berichtet der "Morbidity and Mortality Weekly Report" über die Häufung einer seltenen Form der Lungenentzündung. HIV/Aids war zu diesem Zeitpunkt schon seit vielen Jahren unerkannt in kleinem Umfang verbreitet.
1982: Im Heft 22 berichtet der "Spiegel" erstmals über die Krankheit. Unter der Überschrift "Schreck von drüben" heißt es, dass erste Fälle auch in Europa aufgetaucht seien. Im Herbst wird die Krankheit unter den Namen Aids bekannt. In Deutschland wird die Krankheit erstmalig bei einem Patienten aus Frankfurt am Main diagnostiziert.
1983: Der Virologe Luc Montagnier und Robert Charles Gallo entdecken das HI-Virus. Im Heft 23 widmet der "Spiegel" der Krankheit die erste Titelgeschichte über die "Homosexuellen-Seuche". LGBTI- und Aids-Organisationen beklagen, dass das Hamburger Magazin mit sensationslüsternen Vokabeln eine Hetzkampagne gegen schwule Männer starteten (ausführlicher queer.de-Bericht). Am 23. September wird in Berlin die Deutsche Aids-Hilfe von schwulen Männern und einer Krankenschwester gegründet.
1984: Der erste HIV-Antikörpertest wird vorgestellt.
1985: Die erste Informationsbroschüre der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Thema Aids erscheint. Im amerikanischen Atlanta findet die erste internationale Aids-Konferenz statt. In Deutschland wird der Test aller Blutprodukte auf HIV Pflicht. Am 2. Oktober stirbt als erster Prominenter Rock Hudson an den Folgen von Aids. Viele weitere schwule Prominente sterben in der darauffolgenden Zeit – wie z.B. Robert Mapplethorpe (09. März 1989), Keith Haring (16. Februar 1990) und Freddie Mercury (24. November 1991). Mit dem Kinofilm "Buddies" (USA, 1985) und dem Fernsehfilm "Früher Frost" (USA, 1985) erscheinen die ersten Filme über Aids.
1986: Die geschätzte Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland erreicht mit rund 6.000 ihren Höhepunkt.
1987: Die Kampagne "Gib Aids keine Chance" der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung startet. Die Deutsche Aids-Stiftung "Positiv leben", die Nationale Aids Stiftung und der Nationale Aids-Beirat der Bundesregierung werden ins Leben gerufen. In den USA entsteht die radikale Bewegung Act Up (AIDS Coalition to Unleash Power), um durch neue öffentlichkeitswirksame Aktionen Aufmerksamkeit zu erzeugen und politischen Druck auszuüben.
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1988: Der erste Welt-Aids-Tag wird von den Vereinten Nationen ausgerufen.
1991: Die vom 2021 verstorbenen Aktivisten Patrick O'Connell entwickelte Rote Schleife wird zum ersten Mal als Zeichen für Solidarität mit HIV-Betroffenen getragen. Im September besetzt Act Up den Dom zu Fulda.
1993: Am 20. Mai stirbt Siegfried Dunde in Bonn an den Folgen von Aids. Er beschäftigte sich in Vorträgen und Publikationen mit Vorurteilen gegenüber Homosexuellen und Aids-Kranken und war stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Aids-Stiftung "Positiv Leben".
1994: Mit "Philadelphia" (USA 1994) erscheint die erste große Hollywood-Produktion über Aids.

Anwalt Joe Miller (Denzel Washington, re.) verteidigt seinen schwulen und HIV-positiven Kollegen Andrew Beckett (Tom Hanks) vor Gericht – und überwindet so seine Vorurteile (Bild: Sony Pictures Home Entertainment)
1996: Die Deutsche Aids-Stiftung "Positiv leben" und die Nationale Aids-Stiftung schließen sich zur Deutschen Aids-Stiftung zusammen. Die Kombinationstherapie löst auf dem Welt-Aids-Kongress Euphorie aus.
Neunzigerjahre: In Deutschland kommt es jährlich zu etwa 2.000 HIV-Neudiagnosen.
Ab 2000: Von 2000 bis 2007 stieg die Zahl der Neudiagnosen jährlich kontinuierlich an, stabilisierte sich im Anschluss aber bei 3.000 pro Jahr.
2008: Die Schweizerische Aids-Kommission veröffentlicht eine Richtlinie, wonach kondomloser Sex für therapierte HIV-Positive unter bestimmten Voraussetzungen für vertretbar ist. "Schutz durch Therapie" setzt sich international durch, ist aber großen Teilen der Öffentlichkeit bis heute unbekannt.
2010: In einem aufsehenerregenden Prozess wird "No Angels"-Sängerin Nadja Benaissa zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt, weil sie als HIV-Positive Sex gehabt hatte. Die Deutsche Aidshilfe hatte Freispruch gefordert.
2014: UNAIDS, das Aids-Programm der Vereinten Nationen, gibt das 90-90-90-Ziel aus. Bis zum Jahr 2020 sollen 90 Prozent der Menschen mit HIV diagnostiziert sein, wovon dann 90 Prozent eine antiretrovirale Behandlung erhalten. Davon sollen wiederum 90 Prozent eine nicht-nachweisbare Viruslast aufweisen. Durch diese Maßnahmen soll bis 2030 niemand mehr an Aids erkranken.
2016: Die Europäische Kommission lässt Truvada als vorbeugendes HIV-Medikament (Präexpositions-Prophylaxe/PrEP) zu. HIV-Negative können sich dadurch vor einer möglichen zukünftigen Infektion mit HIV schützen. Seit 2019 finanzieren deutsche Krankenkassen das Medikament, das neben Kondomnutzung und "Schutz durch Therapie" als wichtige Säule im Kampf gegen HIV gefeiert wird.
2018: In Deutschland werden die einst unter HIV-Aktivist*innen umstrittenen HIV-Heimtests zugelassen.
2019: Die Zahl der HIV-Neuinfektionen ist stabil – 2019 gab es schätzungsweise 2.600 neue Fälle. Zirka 60 Prozent der Infektionen wird auf Sex unter Männern zurückgeführt.
2021: Die Deutsche Aidshilfe startet die Kampagne "Selbstverständlich positiv", die zu einem offenen und selbstbewussten Leben mit HIV ermutigen und damit zugleich Diskriminierung entgegenwirken soll.
Nicoles Vater bereitet seine Tochter gut auf ihren Umzug nach Deutschland vor. Doch als die junge selbstbewusste Frau...
Posted by Deutsche Aidshilfe on Friday, May 28, 2021
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Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich damals in der Schule war und irgendwann hörte man von ersten Schlagzeilen darüber.
Und ich kann mich noch gut erinnern, dass ich irgendwo gelesen hatte "In 5 Jahren gibt es eine Impfung und in 10 Jahren eine Heilung." Beides ist leider bis heute nicht der Fall.
Und dann wurde in der Schule ganz viel von Safer Sex geredet.
Wer hätte gedacht, dass das auch 40 Jahre später noch ein Thema ist... Traurig.
Ich sehne den Tag herbei, wo HIV ausgerottet ist.