Wichtiger Etappensieg für die argentinische trans Community: Mit überwältigender Mehrheit verabschiedete die argentinische Abgeordnetenkammer am Freitag eine gesetzliche Transquote im öffentlichen Dienst (La Ley de Promoción del Acceso al Empleo Formal para Personas Travestis, Transexuales y Transgénero) mit 207 Ja-Stimmen gegen elf Nein-Stimmen.
Das Gesetz basiert auf einem Dekret, das der argentinische Präsident Alberto Fernández im September 2020 unterzeichnet hatte (queer.de berichtete). Nun geht das Gesetz in den Senat, der diesem ebenfalls zustimmen muss, damit es endgültig in Kraft tritt. Die lokale Community ist zuversichtlich, dass es durchkommt.
Auch Maßnahmen für den privaten Sektor vorgesehen
Das Gesetz geht weiter als das Dekret. Es hat für alle 23 Provinzen verpflichtenden Charakter, außerdem sieht es auch Maßnahmen für Privatunternehmen vor. Diese sollen freiwillig Anreize zur Inklusion schaffen. Private Unternehmen, die trans Menschen beschäftigen, sollen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorzugt behandelt werden.
Von einem "revolutionären Schritt" sprach Mónica Macha, Mit-Initiatorin des Gesetzes, nach der erfolgreichen Abstimmung. "Es ist ein Zeichen zur Stärkung der trans Community und der Gesellschaft im Allgemeinen. Es zeigt, dass Arbeit den Menschen ihre Würde zurückgibt und der Kampf um mehr Rechte, politische Kräfte freisetzen kann."
Weiter betonte die Abgeordnete, dass insbesondere trans Frauen enorm unter der machistischen Gesellschaft litten. Ihre Lebenserwartung betrage auch heute noch im Durchschnitt nur 40 Jahre, 95 Prozent der trans Menschen im Argentinien hätten keine formale Anstellung und 80 Prozent würden als Sexarbeiterinnen tätig sein. Das Gesetz sei daher mehr als nötig.
Das Gesetz sieht konkret folgende Punkte vor:
• Inklusion auf nationaler Ebene: Die Behörden stellen sicher, dass ein Prozent der Stellen des öffentlichen Diensts für trans Menschen reserviert ist.
• Die Bestimmungen gelten für alle trans Menschen, unabhängig davon, ob sie ihren Geschlechtseintrag oder Namen im Melderegister geändert haben.
• Nationales Register: Trans Menschen können sich freiwillig in einem nationalen Register für Jobs im öffentlichen Sektor eintragen.
• Schutz vor Diskriminierung: Trans Menschen werden vor Diskriminierung geschützt und haben ein Recht auf Arbeit, um ihren Lebensunterhalt in Würde bestreiten zu können. Sollten sie die obligatorische Schuldbildung nicht beendet haben, können sie das während der Anstellung tun. Eine nicht abgeschlossene Schuldbildung darf kein Ausschlussgrund sein. Der Staat ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Schulbildung auch während der Anstellung beendet werden kann.
• Sensibilisierung: Die Provinzen und zuständigen Behörden sind verpflichtet Maßnahmen zu ergreifen, die die Sensibilisierung mit Blick auf geschlechtliche und sexuelle Vielfalt am Arbeitsplatz fördern.
• Vorrang bei der staatlichen Auftragsvergabe: Private Unternehmen, die trans Menschen beschäftigen, werden bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorzugt behandelt.
• Vereinfachter Zugang zu Krediten: Die Nationalbank gewährt trans Unternehmer*innen vereinfachten Zugang zu Krediten, um ihr Unternehmen zu gründen oder unterstützen.
Eine überwiegende Mehrheit der Abgeordneten stimmte für die Transquote
Trans Akivistin spricht von "historischer Wiedergutmachung"
Marlene Wayar, eine der wichtigsten trans Aktivist*innen des Landes, erklärte, das Gesetz sei ein enorm wichtiger kollektiver Erfolg, weil es nicht nur Perspektiven für junge trans Menschen und Kinder schaffe, sondern auch eine "historische Widergutmachung für die staatliche und gesellschaftliche Gewalt gegenüber trans Menschen" darstelle.
Argentinien festigt mit diesem Schritt seine Positionierung als eines der fortschrittlichsten Länder in Bezug auf LGBTI-Rechte. Als erstes lateinamerikanisches und zehntes Land weltweit hat es bereits 2010 die Ehe für alle eingeführt (queer.de berichtete). Auch bei den trans Rechten ist Argentinien Vorreiter. Seit 2012 ist das Gesetz zur Geschlechtsidentität in Kraft (queer.de berichtete). Dieses erlaubt es trans Menschen, ihren Geschlechtseintrag ohne Hormontherapie, chirurgische Eingriffe oder psychologisches Gutachten zu ändern.
Ein Wort in eigener Sache
Hinter gutem Journalismus stecken viel Zeit und harte Arbeit – doch allein aus den Werbeeinnahmen lässt sich ein Onlineportal wie queer.de nicht finanzieren. Mit einer Spende, u.a. per
Paypal oder Überweisung, kannst Du unsere wichtige Arbeit für die LGBTI-Community sichern und stärken.
Abonnent*innen bieten wir ein werbefreies Angebot.
Jetzt queer.de unterstützen!
Mal von der grundsätzlichen Ablehnung von Quoten jeder Art weiß ich gar nicht wo ich mit den Bedenken gegen dieses Gesetz anfangen oder enden will ...
- Verzicht auf Qualifikation? Will ich wirklich meine Anliegen von unqualifizierten Sachbearbeitern im öffentlichen Dienst behandelt wissen? Ich habe schon als Referendar sachlich unhaltbare und gegen höherrangiges Recht verstoßende asylrechtliche Verordnungen abgeschossen ohne dass die Macher dieses Problem hatten.
- Eingriff in die Privatwirtschaft, vereinfachter Zugriff zu Krediten ... wenn die meinen, sie können sich das bei ihren jahrzehntelangen Wirtschafts- und Finanzproblemen leisten und wollen die Ungleichbehandlung ...
- Überrepräsentation
- das Fehlen jeden Nachweises könnte geradezu von Herrn Spahn stammen (Stichwort Corona-Testzentren).
Aber mit dem Stichwort Wiedergutmachung lässt sich wohl so ziemlich alles begründen.