In einem wichtigen Urteil zum Spannungsfeld zwischen Religionsfreiheit und Antidiskriminierung hat sich das höchste Gericht der Vereinigten Staaten in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil einstimmig auf die Seite religiöser Organisationen gestellt. Allerdings handelt es sich nicht um ein Grundsatzurteil, sondern um einen spezifischen Fall in einer Kommune.
Im vorliegenden Fall hatte die Stadt Philadelphia ihren Vertrag mit einer katholischen Adoptions- und Pflegeagentur gekündigt, nachdem diese sich weigerte, Antidiskriminierungsregelungen in Bezug auf queere Personen einzuhalten – in diesem Fall ging es um die Weigerung, homosexuelle Pflegeeltern zu registrieren. Die aus Steuermitteln finanzierte Agentur zog vor Gericht, verlor allerdings in den vorherigen Instanzen.
Der Supreme Court entschied nun, mit ihrem Vorgehen habe die Stadt das Recht auf freie Religionsausübung verletzt. Durch das von Chef-Richter John Roberts verfasste Urteil ist die Stadt gezwungen, wieder einen Vertrag mit der Agentur zu schließen und ihr Pflegekinder zu vermitteln.
Ist das erst der Anfang?
Das Urteil könnte auch Auswirkungen auf weitere kirchliche und von Steuerzahler*innen finanzierte Dienstleistungen wie Obdachlosenheime, Lebensmitteltafeln und medizinische Dienstleistungen haben. Die vom Gericht als hoch angesehene Stellung von Religionsfreiheit könnte zudem weitere Bereiche betreffen, etwa anstehende Rechtsstreitigkeiten zur Frage, ob religiöse Bäcker*innen oder Blumenhändler*innen Dienstleistungen zu einer gleichgeschlechtlichen Hochzeit ablehnen können. In einem Fall hatte sich der Supreme Court 2018 bereits auf die Seite eines christlichen Konditors gestellt, das Urteil aber ausdrücklich nur auf den Einzelfall bezogen (queer.de berichtete).
Das neue Urteil des Höchstgerichts ist allerdings ebenfalls teilweise begrenzt, da es darauf abzielte, dass die Antidiskriminierungsregelungen Philadelphias Ausnahmen zulassen und den Behörden Ermessensspielräume zugestehen. Es gehe außerdem um einen Vertrag bzw. eine Agentur von mehreren. "Ein zwingendes Interesse der Stadt an einer Vertragsverweigerung gegenüber den Catholic Social Services (CSS) besteht unter den gegebenen Umständen nicht", so das Urteil. "CSS streben nur eine Anpassung an, die es ihnen ermöglicht, weiterhin den Kindern von Philadelphia in einer Weise zu dienen, die ihren religiösen Überzeugungen entspricht; es versucht nicht, diese Überzeugungen anderen aufzuzwingen."
Der Staat handle "nicht neutral, wenn er religiösen Überzeugungen gegenüber intolerant vorgeht oder Praktiken aufgrund ihrer religiösen Natur einschränkt", so das Urteil. Mit Mehrheit entschieden die Richter*innen zugleich, zum vorliegenden Fall nicht wie beantragt ein früheres maßgebendes Supreme-Court-Urteil zur Beschränkung von Religionsfreiheit neu zu bewerten. Queere Organisationen und juristische Kommentator*innen zeigten sich in ersten Stellungnahmen dennoch entsetzt vom Urteil, das letztlich Diskriminierung legitimiere – auch in dem Wissen, dass für weitere Urteile mit größerer Wirkung die konservative Mehrheit des Gerichts nicht auf die liberalen Richter*innen angewiesen ist. (cw)
Obwohl vom Steuerzahler finanziert, müssen sich solche Einrichtungen nicht an geltendes Recht halten, sondern können religiöse Positionen über alles andere stellen. Das nennt man wohl Gottesstaat.
Und wenn das dann demnächst auch noch für Ärzte, Krankenhäuser, Obdachlosenheime, etc. gilt...
Alles wegen eines Präsidenten, der eigentlich die Wahl verloren hatte und nur wegen des sonderbaren US-Wahlrechts Präsident geworden ist.