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Bilanz nach einem Jahrzehnt

Die Erfolge der Hirschfeld-Stiftung

Vor zehn Jahren nahm die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld ihre Arbeit auf. Die Rehablitierung und Entschädigung der nach 1945 verfolgten Homosexuellen und das Teil-Verbot von "Konversionstherapien" kann sie sich mit auf ihre Fahnen schreiben.


Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld wurde nach dem Arzt, Sexualwissenschaftler und Mitbegründer der ersten Homosexuellen-Bewegung (1868-1935) benannt (Bild: Claire Merchlinksy)
  • 20. Juni 2021, 17:58h 1 4 Min.

Mit einem Online-Festakt feiert die Bundes­stiftung Magnus Hirschfeld am Freitag, den 25. Juni ihr zehnjähriges Bestehen. Eigentlich ein bisschen früh, denn offiziell gegründet wurde sie erst im Oktober 2011. Trotz ihrer bis heute schwachen personellen und finanziellen Ausstattung hat die Hirschfeld-Stiftung einiges erreicht – vor und hinter den Kulissen. Zeit für eine kleine Zwischenbilanz.

Als ihren größten Erfolg kann sich die Bundes­stiftung die Rehabilitierung und Enschädigung der nach 1945 verfolgten Homo­sexuellen mit auf die Fahnen schreiben. Viele Jahre arbeitete sie daran, im Bundestag und bei der Bundes­regierung ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen. Dabei geholfen hat ihr früh gestartes "Archiv der anderen Erinnerungen" – eine Sammlung von Videointerviews, in denen queere Menschen ihre persönliche Lebens- und Leidensgeschichten aus der frühen Bundesrepublik und DDR erzählen.

Justizminister traf Opfer des Paragrafen 175

2014 initierte Stiftungsvorstand Jörg Litwinschuh-Barthel ein persönliches Treffen von Opfern des Paragrafen 175 mit dem damaligen Justizminister und Kuratoriumsvorsitzenden Heiko Maas (queer.de berichtete). Drei Jahre später stimmte der Bundestag – nach viel weiterer Überzeugungsarbeit – schließlich einstimmig für das Rehabilitierungs-Gesetz (queer.de berichtete). Zwar wurde sowohl die Höhe der Entschädigungen als auch andere Details des Gesetzes von LGBTI-Aktivist*­innen kritisiert. Dass es aber überhaupt umgesetzt wurde, ist durchaus eine Leistung. Denn andere Länder, die ebenfalls bis in die Nachkriegszeit Homo­sexuelle verfolgen ließen – etwa die als heute sehr LGBTI-freundlich geltenden Länder Großbritannien oder Spanien -, haben bis heute die Opfer dieser Politik nicht entschädigt.

Die Initiative dürfte auch dazu geführt haben, dass der Bundestag vier Jahre später ein weiteres Rehabilitierungsgesetz für zu Unrecht diskriminierte queere Soldat*­innen beschlossen hat (queer.de berichtete). Auch dies ist international einmalig.

Das Teil-Verbot sogenannter Konversionstherapien

Der zweite große Erfolg der Bundesstiftung ist das im vergangenen Jahr vom Bundestag beschlossene Teil-Verbot sogenannter Konversionstherapien (queer.de berichtete). Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) war zwar früh mit dem Thema vorgeprescht, doch um es politisch durchzubekommen, nutzte er gezielt die Expertise der Stiftung. Sein Ministerium forderte von ihr eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme zum Thema an (queer.de berichtete). Diese führte – auch dank zweier Fachgutachten – schließlich zum beschlossenen Gesetz.

Dem Namensgeber Magnus Hirschfeld hätte das sicher sehr gefallen. Sein Motto lautete: "Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit".

Bohren dicker Bretter: "Fußball für Vielfalt"

Mit einem anderen großen Thema, dem Projekt "Fußball für Vielfalt", ist die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld dagegen nicht wirklich vorangekommen. Auch acht Jahren nach der von ihr initierten Berliner Erklärung gegen Homophobie im Sport hat sich kein männlicher Bundesligaprofi geoutet. Viele Vereine setzten zwar ihre Unterschrift unter das Papier, lassen aber bis heute ein nachhaltiges Engagement gegen Queerfeindlichkeit vermissen.

Kein Selbstläufer wurden auch die "Hirschfeld-Tage", die 2012 in Berlin, 2014 in NRW und zuletzt 2016 in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen stattfanden. Zu der für 2018 angekündigten Fortsetzung in Bayern kam es nie. Die Hirschfeld-Stiftung stellte die arbeits- und kostenintensive Veranstaltungsreihe ein, weil die Suche nach regionalen Fördermitteln und Partner*innen zu mühsam war. Auch das exklusive "Charity Dinner" im Luxushotel mit Eintrittspreisen von 300 Euro fand nur dreimal in den Anfangsjahren statt, weil die Erlöse in keinem Verhältnis zum Aufwand standen.

Mit "Refugees & Queers", den "Hirschfeld Lectures" oder der "Hirschfeld Akademie" verfolgt die Bundesstiftung noch eine Reihe weiterer Aktivitäten, die sich an ein kleineres Fachpublikum richten. Nebenbei fördert sie auch externe Projekte – und das dürfte aus der Perspektive vieler queerer Initiativen vielleicht ihr größter Erfolg sein: Von 2012 bis 2020 wurden immerhin 587.502,10 Euro an 155 verschiedene Projekte in ganz Deutschland ausgeschüttet. Nicht wenige davon hätten bei anderen Fördertöpfen keine Chance gehabt. (dk/mize)

Offenlegung: Dieser Bericht ist Teil einer zwölfteiligen Serie zum Stiftungsjubiläum. Konzeption und redaktionelle Umsetzung werden von der BMH gefördert. Die Beiträge werden unabhängig und eigenverantwortlich von queer.de erstellt.