Manuel Neuer mit dem möglichen Corpus Delicti
Zum letzten Update springen: UEFA stellt Ermittlungen ein, akzeptiert Binde (21h)
Der europäische Fußball-Verband (UEFA) hat nach einem Bericht von ntv.de Ermittlungen gegen den Deutschen Fußball-Bund (DFB) aufgenommen. Grund dafür sei die Regenbogen-Kapitänsbinde von Manuel Neuer.
Der Torwart hatte diese bei den beiden deutschen EM-Spielen gegen Frankreich und Portugal getragen, wie zuvor bei einem Freundschaftsspiel der Nationalmannschaft gegen Lettland. Die UEFA soll die Binde als politisches Zeichen während einer Partie ansehen, was in Statuten des Verbandes verboten sein soll, so ntv. Dem DFB könnte nun eine Geldstrafe drohen.
Eine Bestätigung für diese Meldung gab es zunächst nicht, der Nachrichtensender nannte keine Quelle. DFB und UEFA reagierten zunächst nicht auf dpa-Anfragen. Der "Spox"-Reporter Kerry Hau twitterte allerdings, die Meldung sei aus UEFA-Kreisen bestätigt.
Grundsätzlich handelt die UEFA bei Botschaften abseits des Sportlichen sehr strikt. Wer "Sportveranstaltungen für sportfremde Kundgebungen benutzt", verstößt laut den UEFA-Statuten gegen die "Allgemeinen Verhaltensgrundsätze". Die Proteste gegen Rassismus während der EM hatte der Dachverband zuletzt aber sogar begrüßt. Im Rahmen der Kampagne #EqualGame für einen inklusiven Fußball hatte die UEFA die EM selbst mit einem Regenbogen beworben, etwa mit diesem Twet aus dem Jahr 2019:
Ermittlungen gegen Ungarn
Die UEFA gab derweil am Sonntag offiziell bekannt, sie habe einen Ermittler eingesetzt, um eine Untersuchung hinsichtlich "potenziell diskriminierender Vorfälle" bei den bisherigen beiden EM-Spielen der ungarischen Nationalmannschaft in der Puskás Aréna in Budapest durchzuführen.
Details zu den Vorfällen nannte die Mitteilung nicht. Allerdings gab es Medienberichte, ungarische Fans hatten beim Spiel gegen Portugal am 15. Juni Cristiano Ronaldo mit homofeindlichen Fangesängen belegt (queer.de berichtete). Das Antidskriminierungsnetzwerk FARE meldete zudem an die UEFA, ungarische Fans hätten in den Rängen ein queerfeindliches Banner mit dem Aufdruck "Anti-LMBTQ" gezeigt (die Abkürzung ist die ungarische Version für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans Personen und Queers).
Beim Spiel gegen Frankreich am Samstag soll es zudem übereinstimmenden Medienberichten zufolge durch ungarische Fans zu rasssistischen Beschimpfungen und Affenlauten gegenüber mehreren französischen Spielern gekommen sein.
Debatte um Regenbogenbinde und Ungarn
Die Regenbogen-Kapitänsbinde von Neuer hatte, obwohl nicht das erste Zeichen ihrer Art im europäischen Fußball, in sozialen Netzwerken für viel Lob im In- und Ausland gesorgt, aber auch für ablehnende Kommentare und Hass. Der AfD-Politiker Uwe Junge sprach etwa von einer "Schwuchtelbinde" (queer.de berichtete).
Angesichts des anstehenden Spiels der deutschen Nationalmannschaft am Mittwoch gegen Ungarn gab es weitergehende Forderungen an den DFB und die UEFA, nachdem das ungarische Parlament in der letzten Woche eine Art "Homo-Propaganda"-Gesetz nach russischem Vorbild verabschiedet hatte (queer.de berichtete). Mit einem entsprechenden Antrag des Stadtrats im Rücken will Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter an die UEFA mit der Forderung schreiben, die Allianz-Arena am Mittwoch in Regenbogenfarben leuchten zu lassen (queer.de berichtete).
Wie die anderen Austragungsstädte hatte München bereits im Jahr 2014 den EM-Zuschlag bekommen. Als problematisch bei LGBTI- und Menschenrechten galten bereits bei der Vergabe durch die UEFA auch die Austragungsorte St. Petersburg in Russland und Baku in Aserbaidschan. Im nächsten Jahr soll die vom Weltverband FIFA ausgetragene Fußball-WM in Katar stattfinden, wo Homosexualität noch unter Strafe steht. (nb/dpa)
Update 19.33h: DFB bestätigt Ermittlung
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat am Sonntagabend Ermittlungen des europäischen Verbands UEFA wegen des Tragens einer Regenbogen-Kapitänsbinde durch den deutschen Torwart Manuel Neuer bei zwei EM-Spielen bestätigt.
"Es stimmt, dass die Kapitänsbinde überprüft wird. Dazu werden wir uns auch mit der UEFA besprechen", teilte DFB-Pressesprecher Jens Grittner am Abend mit. "Die Regularien besagen, dass die offiziell von der UEFA bereitgestellte Binde getragen werden muss." Diese Binde mit dem Aufdruck "Respect" hatten die anderen Kapitäne getragen.
Der DFB beteilige sich mit mehreren Aktionen am Pride-Monat Juni, so der Verband weiter. Neuer trage die Regenbogenbinde bereits seit dem Testspiel am 7. Juni gegen Lettland. "Als Zeichen und klares Bekenntnis der gesamten Mannschaft für Diversität, Offenheit, Toleranz und gegen Hass und Ausgrenzung. Die Botschaft lautet: wir sind bunt!"
Update 19.50h: Kritik von LSVD und queeren Fußball-Fanclubs
Die internationale Vereinigung queerer Fußball-Fanclubs hat sich "zutiefst schockiert" über die Ermittlungen der UEFA gezeigt und den Verband aufgefordert, diese sofort einzustellen. "Die Regenbogenfarben stehen in der heutigen Zeit für Akzeptanz, Weltoffenheit und eine bunte Gesellschaft. Das sind Werte, die einen gesunden Menschenverstand reflektieren sollten, und keine politische Einstellung."
Die Queer Football Fanclubs weisen darauf hin, dass sich auch viele Deutsche dafür aussprechen würden, die Münchner EM-Arena beim Spiel gegen Ungarn in Regenbogenfarben leuchten zu lassen, was der Zustimmung der UEFA bedürfe. "Dies ist der perfekte Zeitpunkt, um zu zeigen, dass Akzeptanz und Vielfalt nicht nur leere Worthülsen der UEFA sind", so QFF-Sprecher Daniel Hofmann in der längeren, teils resignativen Stellungnahme: "Der DFB zeigt Werte, die sich die Uefa selbst auf die Fahne schreibt, und soll dafür von eben der UEFA bestraft werden? Wie unglaubwürdig kann man sich nur machen?"
Die Ermittlungen seien nicht "hinnehmbar" und ein "fatales Zeichen", hatte zuvor Christian Rudolph vom Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) gegenüber ntv gesagt: "Wir sind gerade im 'Pride Month' und beim wichtigsten Sportereignis des Monats soll das Tragen einer Regenbogen-Kapitänsbinde unterbunden werden? Die UEFA muss auch daran denken, wen sie vertritt. Wie sollen die Sportler nun darüber denken? Wir bemühen uns um einen offenen Fußball. Und wir wollen in diesem Monat auch ein Signal an all die Sportler aus der LGBTI-Community setzen." Dem LSVD sei wichtig, dass Neuer den kompletten Monat mit der Regenbogen-Kapitänsbinde auflaufen kann. "Das sind mittlerweile auch die Werte, die der DFB vertritt."
Update 21h: UEFA stellt Ermittlungen ein, akzeptiert Binde
"Die UEFA hat die Überprüfung der von @Manuel_Neuer getragenen Kapitänsbinde am Sonntagabend per Mitteilung an den DFB eingestellt", teilte der DFB am Abend bei Twitter mit, nicht einmal zwei Stunden, nachdem er Presseberichte über entsprechende Ermittlungen bestätigt hatte. In der UEFA-Mitteilung werde "die Regenbogenbinde als Zeichen der Mannschaft für Vielfalt" und damit als "good cause" bewertet.