Sich mit der eigenen Identität auseinanderzusetzen, für sich selbst herauszufinden, was man will, und dass dann auch anderen gegenüber zu kommunizieren, macht man nicht mal eben über Nacht. Victor Salazar (Michael Cimino), frisch nach Atlanta gezogen und neu an der Creekwood High School, brauchte in der ersten Staffel von "Love, Victor" zehn Folgen (und jede Menge Social-Media-Nachrichten an Simon Spier, der an der gleichen Schule im Film "Love, Simon" ähnliches durchlebt hatte), um sich wirklich sicher zu sein, dass er seine Freundin Mia (Rachel Brooks) doch nur platonisch liebt, eigentlich auf Benji (George Sear) steht und tatsächlich schwul ist. Am Ende kam es zum Kuss zwischen den Jungs, die ahnungslose Mia fiel überrumpelt aus allen Wolken und zum Coming-out gegenüber seinen Eltern war Victor auch endlich bereit.
Victor (Michael Cimino, li.) und Benji (George Sear) sind seit Ende der ersten Staffel ein Paar (Bild: Disney)
Die zweite Staffel, die nun mit jeweils einer neuen Folge freitags bei Disney+ angelaufen ist, zeigt sehr schön, wie langwierig und detailreich so ein Coming-out-Prozess aber auch sein kann. Denn tatsächlich ist es selten damit getan, ein bisschen zu knutschen und Mama und Papa zu sagen, dass man schwul ist.
Victors Mutter hält Homosexualität für eine Sünde
Zehn Wochen später, pünktlich zum Ende der Sommerferien, haben sich zumindest die Eltern Salazar, ihrerseits nun frisch getrennt, eher leidlich mit Victors Homosexualität arrangiert. Armando (James Martinez) bemüht sich redlich und besucht bald sogar eine von Simons Vater (Josh Duhamel) geleitete Selbsthilfegruppe für Eltern mit queeren Kindern, doch Isabel (Ana Ortiz) tut sich schwer, ihren katholischen Glauben und die Liebe zu ihrem Sohn unter einen Hut zu bringen.
Auch das Wiedersehen samt Aussprache mit Mia steht Victor bevor, und überhaupt stellt sich natürlich die Frage, wie offen er mit seinem Schwulsein und der Beziehung zu Benji in der Schule und ganz besonders im Basketball-Team umgehen möchte. Und auch ganz pragmatischen Schwierigkeiten gilt es sich zu stellen, nicht zuletzt der Nervosität vorm ersten Sex.
Victor und Benji fahren für ein romantisches Wochenende aufs Land (Bild: Disney)
Die zweite Staffel bietet mehr Witz und Leichtfüßigkeit
Wo schon die erste Staffel von "Love, Victor" Charme hatte und durch ein sehenswertes Ensemble bestach, legt die zweite nun sogar noch ein bisschen drauf in Sachen Witz und Leichtfüßigkeit, mit denen hier die vermeintlich banalen, in jedem Fall normalen und definitiv wichtigen Aspekte eines Coming-out verhandelt werden. Die Sorgen und Konflikte, denen Victor sich konfrontiert sieht, sind nie überdramatisiert, sondern geschickt in kurzweilige Mainstream-Unterhaltung verpackt, die auch noch Raum für die Nebenfiguren lässt und sich zusehends weniger auf die Simon-Nachrichten als narratives Vehikel verlässt.
Verglichen mit Serien wie "Euphoria" oder "Élite" mag es manchmal arg süß und konventionell, ja fast ein wenig bieder erscheinen, wie die Serie von jugendlichen Schülern und ihrer Selbstfindung im Jahr 2021 erzählt. Doch die Harmlosigkeit nimmt den Themen in "Love, Victor" kaum von ihrer Relevanz, zumindest für bestimmte Zielgruppen. Und zu denen gehören Kids, die gerade ähnliche Erfahrungen wie Victor durchmachen, genauso wie deren Eltern. Dass auch die zweite Staffel nun mit dem Versprechen auf eine weitere (noch nicht offiziell bestätigte) endet, dürfte die einen wie die anderen freuen.
und erfährt doppelte Ablehnung. Bei seinen Eltern wegen seiner
Homosexualität und bei anderen Schwulen wegen seines Aussehens.