Das spanische Linksbündnis schafft neue Rahmenbedingungen für trans Menschen und erfüllt damit zentrale Forderungen der Bewegung für queere Rechte. Künftig soll der Wechsel von Namen und eingetragenem Geschlecht durch zwei einfache Besuche beim Standesamt möglich sein. Auf die Einbringung eines entsprechenden Gesetzes einigte sich die Minderheitsregierung aus der linken Podemos und der sozialdemokratischen PSOE unter Ministerpräsident Pedro Sánchez.
Bislang gilt auch in Spanien: Wollen sich transgeschlechtliche Menschen in ihrem Geschlecht und mit ihrem Vornamen anerkennen lassen, müssen sie sich medizinisch begutachten und pathologisieren lassen. Außerdem ist der Nachweis einer zweijährigen Einnahme von Geschlechtshormonen erforderlich.
Im März hatte das wieder eingeführte Gleichstellungsministerium unter der Podemos-Politikerin Irene Montero die Anpassung des Verfahrens an den Stand der psychologischen Wissenschaft und damit eine Entpathologisierung transgeschlechtlicher Spanier*innen gefordert.
Kleinere Hürden wird es in Spanien weiterhin geben
Während junge Spanier*innen im Alter von 13 bis 15 Jahren eine Erlaubnis ihrer Eltern vorlegen müssen, sieht das Vorhaben für die Altersgruppe ab 16 Jahren eine rein selbstbestimmte Änderung der Eintragungen vor. Doch eine kleine Schwelle bei der Umtragung der Daten ist auch im Entwurf der spanischen Regierung noch enthalten: So soll nicht der einmalige Gang zum Standesamt den Vorgang abschließen. Stattdessen sind zwei Besuche auf dem Amt nötig – und zwar im Abstand von drei Monaten.
Montero betonte, dass das von ihrem Ministerium forcierte Gesetzesvorhaben Spanien bei der Gleichstellung transgeschlechtlicher Bürger*innen an die Spitze Europas befördere. Das geschehe in einer Zeit, in der andere Staaten der EU die Rechte von LGBTI-Personen infrage stellten. "Wir befinden uns an einem historischen Tag", sagte die Ministerin nach dem Beschluss, der "die Stärke der Regierungskoalition" zeige sowie "ihre Fähigkeit, feministische Politik zu machen, Vereinbarungen zu treffen, eingehende Debatten zu führen und eine Politik zu machen, die das Leben der Menschen verbessert", wie die deutschsprachige Portal ARENA-online schreibt .
Gegen das Gesetz, das auch das Recht auf eine Hormonbehandlung garantiert, hatte es zunächst Widerstände auf Seiten des großen Koalitionspartners, der Sozialdemokrat*innen, gegeben. Doch inzwischen hat sich die gesamte Regierung dem Vorhaben angeschlossen.
Auch Nichtbinäre sollen Rechte erhalten
Ein erklärtes Ziel des Gesetzesvorhabens ist es auch, die Situation nichtbinärer transgeschlechtlicher Menschen zu verbessern. In einer Studie der Organisation Transgender Europe, die im Jahr 2017 unter dem Titel "Overdiagnosed but Underserved" die Lage von trans Personen im medizinischen System von Georgien, Polen, Serbien, Schweden und Spanien untersuchte, kamen die Autor*innen zu äußerst negativen Ergebnissen für den EU-Staat am Mittelmeer.
Als Beispiel wird dort eine nichtbinäre trans Person zitiert, die in Spanien keinerlei medizinische Behandlung erhalten konnte. Sie hätte sich als transgeschlechtlicher Mann ausgeben müssen, um überhaupt Testosteron zu erhalten. In dem Fall hätten Ärzt*innen sie jedoch in eine medizinische Transition zum Mann gezwungen. Zusammen mit Schweden gehörte Spanien dem Bericht zufolge zu den Ländern, in denen es am unwahrscheinlichsten sei, dass nichtbinäre Trans ihrer Geschlechtsidentität entsprechend leben dürften. 80 Prozent der nichtbinären Spanier*innen in der Untersuchung kannten keine Ärzt*innen, an die sie sich ohne Angst vor Diskriminierung hätten wenden können. Auch in Deutschland sind nichtbinäre Personen gegenwärtig von medizinischen Maßnahmen wieder ausgeschlossen, was Trans-Verbände zuletzt im Mai innerhalb einer Stellungnahme zu medizinischen Hürden in Deutschland kritisierten (queer.de berichtete).
Inszenierter Streit zwischen "Feministinnen" und Transrechten
In deutschen Medien wurden bereits Nebelkerzen gegen die neuen Rechte für transgeschlechtliche Spanier*innen gezündet. So behauptete Hans-Christian Rößler im Februar in der FAZ: "Selbst Feministinnen geht der Entwurf zu weit." Für das Redaktionsnetzwerk Deutschland beklagte Martin Dahms am Dienstag, in Spanien seien Debatten um die Novelle "erstaunlich leise", was ihn nicht hinderte, über den "fast unverständlichen Jargon" der Bewegung für Transrechte zu behaupten: "Die meisten Spanier kommen da nicht mehr mit." Auch er fand in seinem als Meldung getarnten Kommentar schließlich genügend angebliche Feministinnen, denen "die biologische Realität" plötzlich ganz wichtig war.