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Abkommen zum Schutz von Frauen

Türkei aus Homophobie aus Istanbul-Konvention ausgetreten

Ankara hatte eine internationale Übereinkunft zum Schutz von Frauen gekündigt, weil damit angeblich Homosexualität "normalisiert" werden soll. Ab heute ist das Land offiziell aus der Istanbul-Konvention ausgetreten.


Menschenrechtsorganisationen sind besorgt über die sich verschlechternde Lage in der Türkei (Bild: J M Ar / flickr)

  • 1. Juli 2021, 13:56h 2 3 Min.

Zu Update springen: Tausende protestieren gegen Austritt (20h)

Am Donnerstag ist der Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention in Kraft getreten. Der internationale Vertrag hat zum Ziel hat, jegliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie alle Formen häuslicher Gewalt als Verbrechen einzustufen – verboten sind etwa Zwangsheirat, Genitalverstümmelung, Zwangsabtreibung oder Zwangssterilisation. Das Regime von Recep Tayyip Erdogan hatte den Austritt aus der zehn Jahre alten Übereinkunft mit der Ablehnung von Homo­sexuellenrechten begründet.

Wörtlich hatte Ankara im März mitgeteilt: "Die Istanbul-Konvention sollte ursprünglich Frauenrechte stärken, wurde aber von einer Gruppe von Leuten gekapert, die Homosexualität normalisieren wollen – diese ist inkompatibel mit den gesellschaftlichen und Familienwerten der Türkei."

"Die Türkei hat die Uhr für Frauenrechte um zehn Jahre zurückgestellt"

Der Austritt aus der Konvention wurde von internationalen Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert. "Die Türkei hat die Uhr für Frauenrechte um zehn Jahre zurückgestellt und einen erschreckenden Präzedenzfall geschaffen", erklärte etwa die Generalsekretärin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, Agnès Callamard. Der Schritt sende eine "gefährliche Botschaft an die Täter, die missbrauchen, verstümmeln und töten: Sie können dies ungestraft tun", warnte Callamard. Nach ihren Worten wird diese türkische Entscheidung "in die Geschichte eingehen – erstmals tritt ein Mitglied des Europarats aus einer internationalen Menschenrechtskonvention aus".

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In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Demonstrationen von Frauen gegen den Austritt gegeben. Auch für den Donnerstag waren vielerorts in der Türkei Proteste geplant. Eine große Kundgebung in Istanbul sollte um 19 Uhr Ortszeit starten.

In den letzten Tagen ist die Türkei brutal gegen CSD-Demonstrationen vorgegangen. So löste die Polizei binnen einer Woche Proteste in Istanbul, Ankara und Eskişehir auf und nahm dutzende Menschen fest.

Die Istanbul-Konvention war von 45 Staaten, darunter auch Deutschland, und der Europäischen Union unterzeichnet worden. LGBTI werden nicht direkt im Abkommen erwähnt, sondern nur in Erläuterungen, etwa im Kapitel "Prävention". Darin heißt es, dass "positive Aktionen unternommen werden müssen, um dafür Sorge zu tragen, dass die Präventionssmaßnahmen speziell den Bedürfnissen schutzbedürftiger Personen entsprechen". Dabei werden mehrere Gruppen genannt, darunter auch Homosexuelle, Bisexuelle und Transsexuelle. In einem weiteren Teil heißt es, dass bei Asylverfahren die Konvention auch auf sexuelle und geschlechtliche Minderheiten ausgeweitet werden könne – allerdings nur, "sofern [die Vertragsparteien] dies möchten" (Gesamtes Dokument als PDF-Datei). (dk)


Ausschnitt aus dem Anhang der Istanbul-Konvention


 Update  20h: Tausende protestieren gegen Austritt

Tausende Menschen haben am frühen Abend in der Türkei gegen den Austritt des Landes aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen protestiert. Demonstrantinnen im Zentrum der Millionenmetropole Istanbul hielten am Donnerstag Plakate hoch mit der Aufschrift: "Wir geben die Istanbul-Konvention nicht auf. Für uns ist es noch nicht vorbei." Sie skandierten: "Wir schweigen nicht, wir fürchten uns nicht, wir gehorchen nicht." Wenige Tage nach der Niederschlagung des CSD in der Metropole machten sich dort auch viele Lesben und trans Personen und weitere Vertreter*innen der queeren Community bemerkbar.

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Auch in der Küstenmetropole Izmir, der Hauptstadt Ankara und anderen türkischen Städten gab es Proteste. Die Demonstrationen fanden unter massivem Polizeiaufgebot statt.

Twitter / KaosGL
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Präsident Recep Tayyip Erdogan kritisierte dagegen in Ankara, dass manche "Kreise" versuchten, den Rückzug aus der Konvention als "Rückschritt" darzustellen. Er versicherte: "Unser Kampf gegen Gewalt an Frauen hat nicht mit der Istanbul-Konvention angefangen und endet auch nicht mit dem Rückzug aus dieser Konvention." Erdogan erklärte, die Türkei habe ohnehin schon ein effektives Gesetz gegen Gewalt, ohne Unterschiede etwa in Religion, Geschlecht oder "Rasse" zu machen. Diskriminierung wegen sexueller Orientierung ließ der Präsident aber in dieser Aufzählung aus. (dpa/cw)

#1 gastAnonym
  • 01.07.2021, 14:18h
  • Also die Türkei mit "Schutz der Frau bezüglich Gewalt" in Verbindung gebracht zu haben, war für mich schon immer ein Widerspruch in sich.
    Egal welche Dokumente da wo unterzeichnet und man sich zu deren Inhalten mehr oder weniger "bekannte." Die vielen "Ehren?)morde gerade in den ländlichen Gegenden jenes Landes, die vielen "Ferienreisen" von hier lebenden SchülerInnen ins Land der Väter, die dann als Verlobte oder gar Verheiratete zurückkommen führte das ganze adabsurdum.
    Vielleicht kann ja Saudi-Arabien in die Bresche springen - der neue König soll ja äußerst reformwillig sein - erlaubte doch den Frauen tatsächlich, dass sie allein hinter´s Steuer dürfen .... sowas aber auch - Sarkasmus off!
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#2 LegatEhemaliges Profil
  • 02.07.2021, 00:01h
  • Unter Erdogan ist die Türkei nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ein zutiefst zerrissenes Land, in Geiselhaft gehalten zwischen mittelalterlichen Gesellschaftsvorstellungen und stark beschädigtem progressivem Streben. So primitiv es klingen mag, aber die Türkei, als traditionelles Grenzland zwischen Orient und Okzident, ist erneut blutig geteilt zwischen diesen Polen, als wären wir wieder zurück im Osmanischen Reich. Die heutige Türkei ist kein moderner Staat mehr, sondern durch Erdogan und seine Schergen reaktionär bis ins Mark. Etwas, dass uns hier auch blüht, wenn wir die AfD in der Regierung nicht verhindern können. Denn leider ist gesellschaftlicher Fortschritt weder selbstverständlich, noch unumkehrbar.
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