Zu Updates springen: LSVD wird UEFA Heuchelei vor, UEFA schiebt – angebliche – Rechtslage vor (16.55/19.55 Uhr)
Die Europäische Fußball-Union UEFA hat für die beiden Viertelfinalspiele im russischen St. Petersburg und im aserbaidschanischen Baku Bandenwerbung in Regenbogenfarben verboten. Das teilte der EM-Sponsor Volkswagen am Freitag mit.
In St. Petersburg findet am Freitagabend um 18 Uhr das Spiel Schweiz gegen Spanien statt, in Baku am Samstag ebenfalls um 18 Uhr das Spiel Tschechien gegen Dänemark. Hintergrund des Verbots ist offenbar die homophobe Haltung der Regierungen beider Länder. Bei den Begegnungen in München (Belgien gegen Italien, Freitag 21 Uhr) und in Rom (Ukraine gegen England, Samstag 21 Uhr) dürfen Konzerne dagegen mit Regenbogenfarben werben.
Wörtlich teilte Volkswagen mit: "Aufgrund von Bedenken der UEFA im Hinblick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen an den Spielorten in Russland und Aserbaidschan hat der Verband uns darüber in Kenntnis gesetzt, dass eine Bespielung der Werbebanden in Regenbogenfarben in St. Petersburg und Baku nicht möglich sei". Der Wolfsburger Konzern betonte: "Diese Entwicklung bedauern wir." Man habe erneut ein "deutliches Zeichen pro Vielfalt" setzen wollen.
Paradox: Noch vor einer Woche lobte die UEFA Regenbogen-Bandenwerbung
Noch vor wenigen Tagen hatte die UEFA die regenbogenfarbene Bandenwerbung gelobt (queer.de berichtete). Damals behauptete die Fußball-Union noch, die Gestaltung der Werbung stünde jedem Sponsor selbst zu und man begrüße, "eine Botschaft der Toleranz und Gleichstellung zu übermitteln". Die UEFA hat sich zu dem neuen Verbot noch nicht geäußert.
Anlass für die Regenbogen-Bandenwerbung mehrerer Sponsoren war das Verbot der UEFA, beim Vorrundenspiel Deutschland gegen Ungarn in München die Allianz-Arena von außen in Regenbogenfarben erstrahlen zu lassen (queer.de berichtete). Der Verband begründete dies mit dem politischen Kontext des Antrags der Stadt München, die so ein Zeichen gegen das neue homo- und transphobe "Propaganda"-Gesetz in Ungarn setzen wollte. Die UEFA schlug vor, die Arena an einem anderen Datum in Regenbogenfarben hüllen zu lassen. Beim letzten EM-Spiel in München an diesem Freitagabend wird es aber nicht dazu kommen – laut Uefa stellte niemand einen entsprechenden Antrag (queer.de berichtete).
In den letzten Tagen hatten mehrere Sponsoren, darunter Volkswagen, Heineken, booking.com und TikTok, Regenbogen in ihren Bandenwerbungen verwendet, dabei auch zu einem EM-Spiel in Budapest. Zu den EM-Sponsoren gehören auch staatsnahe Unternehmen aus homofeindlichen Ländern wie Qatar Airways und Gazprom, die kein entsprechendes Zeichen setzten. (dk)
Update 16.55 Uhr: LSVD wird UEFA Heuchelei vor
Der Lesben- und Schwulenverband übt scharfe Kritik am Vorgehen der UEFA. "Die Dreistigkeit und Verlogenheit der UEFA ist kaum zu überbieten. Mit diesem Vorgehen verrät sie nicht nur Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen in Aserbaidschan und Russland, sondern in ganz Europa", erklärte LSVD-Bundesvorstandsmitglied Alfonso Pantisano am Freitagnachmittag. "Ihre #EqualGame-Kampagne ist offensichtlich gescheitert." Einmal mehr werde "während dieser EM deutlich, dass die Beteuerungen der UEFA, für eine diverse, inklusive und diskriminierungsfreie Gesellschaft zu stehen, so wertlos wie heuchlerisch sind". (cw)
Update 19.55 Uhr: UEFA schiebt – angebliche – Rechtslage vor
Die UEFA hat in einer Stellungnahme erklärt, dass sie "Botschaften der Toleranz und des Respekts für Vielfalt" unterstütze, wie sie Sponsoren bereits bei allen Achtelfinalspielen gezeigt hätten und es Volkswagen auch bei den Viertelfinalspielen in München und Rom plane – die übrigen Sponsoren, die auch einen Regenbogen zeigten, hätten dies auf den Pride-Monat Juni beschränkt.
Weiter heißt es in der englischsprachigen Stellungnahme zu dem abgelehnten VW-Motiv für die EM-Stadien in Russland und Aserbaidschan: "Die UEFA verlangt von ihren Sponsoren, dass ihre Kunstwerke den lokalen Gesetzen entsprechen, und es ist unser Verständnis, dass dies in Baku und St. Petersburg nicht der Fall ist. Die UEFA wird jedoch weiterhin ihren Kampf gegen alle Arten von Diskriminierung durch ihre Equal Game-Kampagne in allen Stadien in allen verbleibenden Spielen hervorheben."
In Russland gilt seit 2013 das Gesetz gegen "Homo-Propaganda" gegenüber Minderjährigen, das nach Auffassungen (nicht nur) von LGBTI-Organisationen diskriminierend und rechtswidrig ist und zudem kein konkretes Verbot von Regenbogensymbolen beinhaltet (queer.de berichtete). Das vage formulierte Gesetz gegen die "Bewerbung" von "nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen" sieht bei Verstößen Bußgelder vor, wird in der Praxis aber vor allem zur außergerichtlichen Zensur und zum Druck zur Selbstzensur genutzt sowie zum Vorab-Verbot von queeren Protesten. Bei diesen werden dann etwa Menschen mit Regenbogenflaggen regelmäßig festgenommen, die anschließenden Verfahren richten sich aber nach allgemeineren und gerichtsfesteren Bestimmungen wie angeblichen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz oder Widerständen gegen Beamte. Regionale Vorläufer des "Propaganda"-Gesetzes hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2017 als Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention bewertet (queer.de berichtete).
In Aserbaidschan gibt es kein entsprechendes "Propaganda"-Gesetz. Queere Proteste werden allerdings unterdrückt, LGBTI-Organisationen nicht anerkannt und queere Personen von der Polizei schikaniert und teilweise unter Vorwänden wie "Sexarbeit" verhaftet (queer.de berichtete). (nb)