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Lisa zieht aus ihrer WG aus – zum Leid ihrer Mitbewohnerin Mara. Neben weiteren Konflikten beherrscht vor allem eine erotische Spannung "Das Mädchen und die Spinne". Ein hyperrealistischer, hochstilisierter Film.
Voyage, voyage, et jamais ne revient – reise, reise, und komm nie wieder zurück. So endet der Refrain des 80er-Klassikers von Desireless. Wer "Das Mädchen und die Spinne" gesehen hat, wird diesen Song so schnell nicht mehr aus dem Kopf bekommen, so penetrant nutzt der Film ihn als Leitmotiv.
Dabei geht es weniger ums Reisen als darum, vielleicht nie wieder zurückzukommen: Lisa (Liliane Amuat) zieht aus ihrer WG aus. Ihre eigene Wohnung, zwei Zimmer, Küche, Bad. Alle Räume sind seltsam gleich groß und gleich quadratisch, wie der Grundriss zeigt, den ihre Nicht-mehr-lange-Mitbewohnerin Mara (Henriette Confurius) ausdruckt und ihr schenkt.
Beim Kistenschleppen und Möbelaufbauen helfen allerlei Menschen. Die Mutter, ein Handwerker, die Nachbarin von oben kommt mit Kind vorbei, viel zu viele Hunde. Ein quirliges Durcheinander, bei dem es schwerfällt, den Überblick zu behalten.
"Wir hätten bestimmt viel Spaß"
Dabei passiert eigentlich gar nicht viel im zweiten Film der Schweizer Regie-Zwillinge Ramon und Silvan Zürcher. "Das Mädchen und die Spinne" ist kein Handlungsfilm, sondern vielmehr ein beengtes Kammerspiel, das die zwischenmenschlichen Beziehungen untersucht – und ausstellt.
Begegnungen gibt es genug. Eigentlich nie bleiben sie oberflächlich oder flüchtig, egal wie kurz sie sind. Schnell entladen sich Konflikte, tun sich Abgründe auf, vor allem aber entstehen erotische Spannungen – etwa zwischen Lisas Mutter und dem Handwerker Jurek. Die beiden kichern, schäkern, Lisa geht sofort dazwischen. "Hilfst du, Mutter?!", mahnt sie mehr als dass sie bittet.
"Das Mädchen und die Spinne" ist kein explizit queerer Film. Ob Lisa und Mara wirklich nur Freundinnen sind oder ob der anstehende Verlust für Mara mehr bedeutet, lässt sich höchstens ahnen. Weshalb die neue Nachbarin Karen sich lieber Mara im Haus wünschen würde, sagt sie jedoch frei heraus: "Wir hätten bestimmt viel Spaß." Hier nimmt niemand ein Blatt vor den Mund, viele reagieren überraschend bissig und gereizt.
Erwartungsgemäß hoch gelobt
Die Wechsel zwischen alter und neuer Wohnung markieren kurze Zwischenszenen, unterlegt vom Walzer "Gramofon" des moldauischen Komponisten Eugen Doga. Sie versprühen eine spielerische Leichtigkeit und große Liebe fürs Detail, wenn sie die mal mehr, mal weniger handlungsleitenden Objekte abtasten und noch mehr mit Bedeutung aufladen.
All dies geschieht unter dem großen Anspruch, hyperrealistisch zu arbeiten. Die Dialoge, in Maras Fall eher Monologe, sind monoton und so überstilisiert, dass sie verstört die Wirklichkeit kommentieren. Kein Mensch spricht so – und gerade darin liegt die Ironie, eine so alltägliche Situation wie einen Umzug zu deuten.
So absurd Mara spricht, so handelt sie auch: Übergießt den Hund Kira mit Kaffee, macht eine Macke in die neue Küchenplatte, kündigt an, dass sie eine Fliege jetzt töten wird. Sie wirkt fast apathisch. Im Zusammenspiel damit und mit phantastischen Elementen entsteht so ein Werk, das die Filmkritik erwartungsgemäß hoch lobt. Doch nicht alle Zuschauer*innen werden ihren Zugang zu dieser hyperrealistischen Erzählweise finden.
Links zum Thema:
» Alle Kinotermine auf der Salzgeber-Homepage
Mehr queere Kultur:
» auf sissymag.de
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