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Rechter Shitstorm
SPD stellt sich hinter #MenstruierendeMaenner
Via Twitter zettelten Transfeinde einen Shitstorm gegen Mülleimer auf Herrentoiletten an. Der Grund: Die SPD Sachsen beschloss auf ihrem Parteitag, menstruierende Männer zu unterstützen.

Die Entsorgung von Menstruationsprodukten in der Toilette kann zu Verstopfungen führen und belastet die Abwassersysteme – ein kleiner Mülleimer schafft Abhilfe (Bild: AZV Südholstein)
12. Juli 2021, 16:34h 3 Min. Von
Die sächsische SPD hat auf ihrem Landesparteitag Anfang Juli vieles diskutiert und beschlossen: etwa die Möglichkeit, die Landespartei mit einer Doppelspitze zu führen – bei gleichzeitigem Verbot, diese mit zwei Männern zu besetzen. Weitere Themen in Leipzig waren die Auswirkungen der Pandemie, der Wirtschaftsumbau angesichts drängender Klimafragen, ein flächendeckender Mindestlohn von zwölf Euro – und die Ausstattung von Herrenklos mit Mülleimern.
Der Antrag, der vom Parteitag auch angenommen wurde, brachte nicht nur Männer auf die digitalen Barrikaden. Der Grund: Die Mülleimer will die Partei aufstellen, damit Männer, die ihre Tage haben, ihre Menstruationsartikel dort entsorgen können. Immerhin verursachen heruntergespülte Binden oder Tampons Verstopfungen und Überschwemmungen am stillen Örtchen. Betroffen sind davon freilich nicht sehr viele Menschen. Doch für einige trans- und intergeschlechtlichen Männer und nichtbinären Personen ist bei der Toilettensituation Luft nach oben. Ein Antrag, der eigentlich banal ist – wäre er nicht in Zeiten eines von rechts tobenden Kulturkampfes gestellt worden.
Häme von rechts und ganz rechts
Lein Wunder, dass sich das Netz auf die Partei stürzte, als der Antrag öffentlich bekannt wurde. Auf Twitter trendete in der vergangenen Woche der Hashtag #MenstruierendeMaenner, unter dem man sich durch allerlei ausgekübelten Hass lesen konnte, wenn man denn wollte. Der Kolumnist Jan Fleischhauer gehörte da schon zu den erträglicheren Stimmen. Er deutete gleich die ganze Geschichte der deutschen Sozialdemokratie durch den kleinen Plastikmülleimer und warf ihr vor, "den Kompass verloren" zu haben.
Twitter / janfleischhauerNiemand hat etwas gegen zusätzliche Mülleimer für Hygieneprodukte. Aber eine Partei, die auf einem Parteitag die Probleme menstruierender Männer zu lösen versucht, hat irgendwo in ihrer langen Geschichte den Kompass verloren. Der Antrag wurde übrigens angenommen. pic.twitter.com/bXINp9vDmc
Jan Fleischhauer (@janfleischhauer) July 4, 2021
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Doch nicht nur rechte Internet-Aktivist*innen fanden ihre Freude am Thema. Boulevard- und Lokalzeitungen berichteten, und sogar der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries lies es sich nicht nehmen, daraus politisches Kapital schlagen zu wollen: "Früher stand der 'kleine Mann' im Mittelpunkt sozialdemokratischer Politik, heute sind es Mülleimer für menstruierende Männer."
Twitter / VriesChristophWer sich politisch nur noch um Kleinstgruppen und Minderheiten kümmert, sollte bei Wahlen nicht auf Mehrheiten hoffen. Früher stand der "kleine Mann" im Mittelpunkt sozialdemokratischer Politik, heute sind es Mülleimer für menstruierende Männer. Nun ja… https://t.co/AD6HYMecPF
Christoph de Vries (@VriesChristoph) July 5, 2021
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Neben der AfD machte auch die "Bild" Stimmung gegen die Sozialdemokrat*innen im Osten. Das Boulevardblatt schrieb: "Dieser Antrag des SPD-Parteitags in Sachsen sorgt für leidenschaftliche Diskussionen. Aber: Es geht nicht um höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen oder sichere Rente, sondern um 'menstruierende Männer'."
Ein Antrag von 130 zu Mülleimern "kein Grund für Aufregung"
Die sächsische SPD allerdings reagierte kühl. Unter einen Tweet des Journalisten Kai Kollenberg von der "Leipziger Volkszeitung", der die menstruierenden Männer ebenfalls vorsichtshalber in Anführungszeichen setzte, antwortete der Parteiaccount der Landes-Partei: "Es mag für manche schwierig zu verstehen sein, aber nur weil es um Probleme geht, die nicht die Mehrheit betreffen, sollten sie trotzdem nicht ignoriert werden. Das hat nichts mit Klientel zu tun, sondern mit Menschlichkeit."
Twitter / SPDSachsenEs mag für manche schwierig zu verstehen sein, aber nur weil es um Probleme geht, die nicht die Mehrheit betreffen, sollten sie trotzdem nicht ignoriert werden. Das hat nichts mit Klientel zu tun, sondern mit Menschlichkeit.
SPD Sachsen (@SPDSachsen) July 4, 2021
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Vom Shitstorm gegen queere Männer ließ sich indes auch die SPD in Sachsen-Anhalt nicht beeindrucken, die gegenwärtig mit der CDU und der FDP auf eine neue Dreier-Koalition zusteuert. Auf Nachfrage der Magdeburger "Volksstimme" meinte die SPD-Landtagsfraktion: "Wenn sich bei einem sächsischen Landesparteitag ein einzelner von 130 Anträgen mit Mülleimern auf Toiletten befasst, ist das kein Grund für Aufregung."
