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Folgen der Staatshomophobie
Schwuler Kinderbuch-Redakteur verlässt nach Drohungen Ungarn
Die ungarische Regierung drängt mit ihrer Homophobie den Autor des Kinderbuches "Märchenland für alle" ins Exil.

Boldizsár Nagy muss sich ein neues Heimatland suchen, weil er in Ungarn bedroht wird
- 13. Juli 2021, 12:53h 2 Min.
Der Redakteur des von homophoben Rechten angefeindeten Kinderbuchs "Meseország mindenkié" (Märchenland für alle) verlässt wegen anhaltender Drohungen gegen seine Person seine Heimat Ungarn. Die Entscheidung sei schon früher gefallen, sagte der Literaturwissenschaftler und Übersetzer Boldizsár Nagy am Dienstag dem Nachrichtenportal 24.hu. Die Kampagne gegen sein Buch sowie das in der Vorwoche in Kraft getretene Gesetz zur Unterdrückung von Informationen über Homo- und Transsexualität in der Öffentlichkeit hätten ihn darin bekräftigt, für sich und seinen Lebenspartner keine Zukunft in Ungarn zu sehen. In welchen Land er mit seinem Partner künftig seine Heimat findet, sagte er nicht.
In "Märchenland für alle" werden bekannte Märchen neu erzählt, indem die Heldenfiguren Minderheiten angehören. Darunter sind in tiefer Armut lebende Kinder, Kinder mit Behinderung, Opfer von häuslicher Gewalt, Homosexuelle und Transsexuelle. Die Autorinnen und Autoren wollen damit mehr Akzeptanz für benachteiligte Menschen schaffen.

Die ungarische Staatsmacht versucht, die Verbreitung von "Märchenland für alle" zu verhindern (Bild: Labrisz Leszbikus Egyesület)
Im letzten Jahr ging die ungarische Staatsmacht gegen das Buch vor: So wurde der Verlag gezwungen, das Kinderbuch mit einem Warnhinweis zu versehen (queer.de berichtete). Außerdem schredderte eine rechtsextreme Parlamentsabgeordnete das Buch vor laufenden Fernsehkameras. Der rechtsnationale Ministerpräsident Viktor Orbán äußerte sich anschließend billigend über die Aktion der radikalen Politikerin. "Lasst unsere Kinder in Ruhe!", sagte Orbán damals. Seitdem stellen die von der Regierung abhängigen Medien Homosexualität mit sexuellem Missbrauch von Kindern gleich.
Auch das nunmehr in Kraft getretene Informationsgesetz zielt auf eine derartige Gleichsetzung ab. Insbesondere ist es verboten, Bücher und andere Informationsträger Menschen unter 18 zugänglich zu machen, die Homosexualität, Transsexualität oder Geschlechtsanpassungen "darstellen" oder "propagieren".
Die EU-Kommission hat das "Homo-Propaganda"-Gesetz bereits scharf kritisiert und mit finanziellen Konsequenzen gedroht (queer.de berichtete). Bislang ist etwa der Corona-Hilfsfonds, durch den Ungarn nach derzeitigen Berechnungen rund 7,2 Milliarden Euro erhalten soll, nicht genehmigt. Die Gelder für Deutschland und elf weitere Länder wurden hingegen am Dienstag genehmigt. (AFP/dk)














