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Staatliche Diskriminierung
EGMR: Russland muss Homo-Paare anerkennen
In einem wegweisenden Entscheidung wird Russland dazu verurteilt, gleichgeschlechtliche Paare anzuerkennen. Ob sich das wenig an internationaler Rechtsprechung interessierte Putin-Regime daran hält, ist allerdings mehr als fraglich.

Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind eigentlich für alle Mitgliedsstaaten des Europarats bindend, Russland behält sich aber das Recht vor, die Urteile zu ignorieren (Bild: wikipedia)
- 13. Juli 2021, 14:34h 3 Min.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat sich am Dienstag in einem Urteil hinter drei gleichgeschlechtliche Paare gestellt, die auf Anerkennung ihrer Partnerschaft in Russland geklagt hatten (Urteil auf Englisch). Das Urteil kann auch Auswirkungen auf andere im Europarat vertretene Staaten haben.
Nach Ansicht der Richter*innen verstößt Russland mit der Nichtanerkennung der Partnerschaften gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der das Recht auf die staatliche Achtung des Privat- und Familienlebens betont. Der einstimmigen Meinung schloss sich auch ein Jurist aus Russland an.
Geklagt hatten zwei lesbische Paare und ein schwules Paar, deren Anträge auf Anerkennung ihrer Partnerschaft von Gerichten in Grjasi und Moskau abgelehnt worden waren. Nach Ansicht der Richter*innen wurden sie deshalb wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert. Zwar ergebe sich aus Artikel 8 nicht direkt die Pflicht von Staaten, gleichgeschlechtliche Paare anzuerkennen. Allerdings erklärte das Gericht, dass Staaten in dieser Frage auch die Interessen der gleichgeschlechtlichen Paare berücksichtigen müssten. Diese könnten genauso wie Heterosexuelle feste Beziehungen eingehen, die nach der Menschenrechtskonvention schützenswert seien. Dass eine Mehrheit der russischen Bevölkerung gleichgeschlechtliche Paare ablehne, wie das Land argumentierte, befreie Russland nicht von der Pflicht, diese Paare zu schützen – Minderheitenrechte seien nicht abhängig von der Akzeptanz der Mehrheit.
Dabei betonten die Richter*innen, dass Russland zwar einen entsprechenden Schutz schaffen müsse, in dem konkreten Rechtsrahmen aber einen gewissen Spielraum unter Berücksichtigung des "spezifischen sozialen und kulturellen Kontexts" habe, also etwa eine Ehe für alle, eine Lebenspartnerschaft oder einen Partnerschaftsvertrag wählen könne. Eine formale Anerkennung der Homo-Paare, die ihnen den notwendigen Schutz gewähre, stünde aber "nicht in Konflikt mit dem 'traditionellen Verständnis von Ehe', das in Russland vorherrscht".
???????????? On May 12, 2009, as a first Russian lesbian couple, we applied for marriage at the Tverskoy Office for the...
Posted by Rene Fet on Tuesday, July 13, 2021
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Die Entscheidung sieht kein Schmerzensgeld für die Kläger*innen vor. Diese hatten 50.000 Euro gefordert, die Richter*innen erklärten jedoch, dass die Feststellung der Verletzung von Grundrechten durch den EGMR ausreichend sei.
Das Urteil der Straßburger Gerichtskammer ist noch nicht rechtskräftig. Alle Parteien haben drei Monate Zeit, Rechtsmittel dagegen einzulegen.
Umsetzung des Urteils ungewiss
Doch selbst wenn Russland keinen Einspruch gegen das Urteil einlegen sollte, gilt es als mehr als fraglich, ob das Putin-Regime gleichgeschlechtliche Partnerschaften anerkennt. De jure sind die Urteile für alle 47 Mitgliedsstaaten des Europarats bindend, de facto gibt es allerdings keine Möglichkeit für das Gericht, eine Umsetzung der Urteile zu erzwingen. So hatte der Gerichtshof Russland bereits mehrfach wegen CSD-Verboten verurteilt, bis heute werden aber immer wieder Proteste von LGBTI im Land von Wladimir Putin untersagt. Russland argumentierte stets, bei den Urteilen handle es sich um Einzelentscheidungen.
Zudem hatte Russland 2015 ein Gesetz beschlossen, das es der Regierung ausdrücklich erlaubt, Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu ignorieren (queer.de berichtete). Im April 2016 wurde das Gesetz erstmals offiziell angewandt – in einem Fall über die Rechte von Gefangenen (queer.de berichtete). Moskau argumentiert, dass die russische Verfassung über internationaler Rechtsprechung stehe.
Bereits vergangene Woche hatte der EGMR Russland wegen Diskriminierung einer trans Frau verurteilt, der wegen ihrer Geschlechtsidentität ihre Kinder nicht mehr sehen darf (queer.de berichtete). (dk)
















Verstöße gegen EU-Recht werden einfach ignoriert und LGBT's werden unter schwerer Diskriminierung in Geiselhaft genommen. Freiheit und Persönlichkeitsrechte zählen nicht. Das ist mehr als widerlich.
Die Presse- und Meinungsfreiheit wird gekappt.
Die Demokratie, auch wenn sie sich nach außen noch so nennt, ist in Russland schon lange keine mehr.