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Frankreich
Homophober Priester wollte Homosexualität mit Homo-Sex "heilen"
Tony Anatrella, ein erbitterter Gegner der Gleichbehandlung Homosexueller, muss sich vor einem Kirchengericht verantworten, weil er angeblich schwule Männer auf seine ganz eigene Art "heilen" wollte.

Tony Anatrella wird beschuldigt, jahrzehntelang Männer sexuell missbraucht zu haben, während er in der Öffentlichkeit über die angebliche Minderwertigkeit Homosexueller predigte
- 14. Juli 2021, 13:15h 3 Min.
Rund 20 Jahre nach den ersten Vorwürfen muss sich der 80-jährige Priester und Psychotherapeut Tony Anatrella vor einem Kirchengericht verantworten, weil er schwule Männer zum Sex mit ihm gedrängt haben soll, um sie von ihrer Homosexualität zu "heilen". Über genaue Details zum Verfahren wurde die Öffentlichkeit – wie in der katholischen Gerichtsbarkeit üblich – vom verantwortlichen Erzbistum Paris nicht informiert. Bekannt ist, dass in den letzten zwei Jahrzehnten mindestens drei Männer Anzeige gegen den Priester erstattet hatten, die allerdings wegen Verjährung oder mangelnden Beweisen nie vor ein ordentliches Gericht kamen. Anatrella weist alle Vorwürfe zurück.
Einer der Betroffenen hatte einen Fall 2006 publik gemacht. Daniel Lamarca erklärte, er habe sich 1987 von Anatrella behandeln lassen. Dieser habe ihm gesagt, er könne seine "Pseudo-Homosexualität" heilen, indem er Sex mit ihm habe. Lamarca erklärte weiter, er hätte die Erzdiözese bereits 2001 über den Fall informiert, sei aber ignoriert worden. Zudem gab es mehrere weitere Vorwürfe sexueller Übergriffe – 2019 beschuldigte ein Patient den Priester etwa, ihn im Alter von 14 Jahren sexuell missbraucht zu haben.
Anatrella profilierte sich als Homo-Hasser
Anatrella ist einer der prominentesten LGBTI-Gegner in Frankreich und setzte sich jahrelang für eine ablehnende Haltung der Kirche gegenüber Homosexuellen ein. Dabei verbreitete er auch offensichtliche Lügen – so behauptete er etwa, dass 40 Prozent der Kinder, die bei Homosexuellen aufwüchsen, selbst schwul oder lesbisch werden würden. Homosexualität, so behauptete er, destabilisiere grundsätzlich "Volk und Gesellschaft".
2005 war Anatrella einer der bedeutendsten Berater des Vatikans und kämpfte dafür, schwule Männer wegen ihrer sexuellen Orientierung pauschal vom Priesterdienst auszuschließen. Er begründete das unter anderem damit, dass Schwule eine "unvollständige und unreife Sexualität" hätten und ihnen deshalb pauschal nicht vertraut werden könne. Das Homo-Verbot gilt bis heute und wurde auch von Papst Franziskus bekräftigt (queer.de berichtete).
Außerdem engagierte sich Anatrella in seinem Heimatland innenpolitisch sowohl gegen den Zivilen Solidaritätspakt (PACS) in den Neunzigerjahren – also eine Art Ehe-Light für hetero- und homosexuelle Paare – als auch später gegen die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben. Trotz erheblichen Widerstands der katholischen Kirche und nach gewalttätigen Protesten wurde die Ehe für alle 2013 in Frankreich umgesetzt (queer.de berichtete).
In Frankreich werden immer wieder Fälle von sexueller Gewalt durch Priester gegen Männer bekannt. So soll etwa ein Geistlicher aus dem nordfranzösischen Département Oise sowohl einen Vater als auch dessen Sohn missbraucht haben. Ende 2019 brachte der damals 19-jährige Sohn den 91-jährigen Priester um, indem er ihm ein Kruzifix in den Hals rammte (queer.de berichtete). Das Urteil für den missbrauchten mutmaßlichen Täter Alexandre V. soll am Freitag gesprochen werden. (dk)
