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Druck auf Orbán und Kaczynski
LGBTI-Diskriminierung: EU-Kommission leitet Verfahren gegen Ungarn und Polen ein
Reagieren die Länder nicht auf Kritikpunkte an queerfeindlichen Gesetzen, will die EU vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.

Das Gebäude der EU-Kommission zum IDAHOBIT 2020 (Bild: EU / Claudio Centonze)
- 15. Juli 2021, 13:07h 4 Min.
Als Reaktion auf homo- und transfeindliche Regelungen in Ungarn und Polen hat die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die beiden Mitgliedstaaten eingeleitet. Einen entsprechenden Brief schickte die EU-Kommission am Donnerstag an die Regierungen in Warschau und Polen. Zuletzt hatten ein ungarisches Gesetz gegen Homo- und Trans-"Propaganda" sowie quasi "LGBT-freie Zonen" in einigen Teilen Polens für Empörung in der EU gesorgt.
"Europa wird niemals zulassen, dass Teile unserer Gesellschaft stigmatisiert werden: sei es wegen der Person, die sie lieben, wegen ihres Alters, ihrer politischen Meinung oder aufgrund ihres religiösen Glaubens", erklärte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.
Twitter / EU_CommissionEurope will never allow parts of our society to be stigmatised.
European Commission (@EU_Commission) July 15, 2021
We start legal action against Hungary and Poland for violations of fundamental rights of LGBTIQ people.
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Polen und Ungarn haben nun zwei Monate Zeit, auf das Schreiben der EU-Kommission zu reagieren. Andernfalls kann die Kommission das Verfahren bis vor den Europäischen Gerichtshof bringen. Das Europäische Parlament hatte erst letzte Woche in einem mit großer Mehrheit angenommenen Antrag die Kommission zum Handeln aufgefordert, da das ungarische "Propaganda"-Gesetz ein weiteres Beispiel dafür sei, "dass der graduelle Rückbau der Grundrechte in Ungarn bewusst und vorsätzlich vorangetrieben wird" (queer.de berichtete). Diese "staatlich geförderte LGBTIQ-Phobie" müsse Konsequenzen haben.
Die Verfahren gegen Ungarn

Auch das von der Orbán-Regierung bekämpfte Märchenbuch der Lesbenvereinigung Labrys beschäftigt die EU-Kommission (Bild: Labrisz Leszbikus Egyesület)
Ungarns Parlament hatte Mitte Juni ein Gesetz verabschiedet, das nach Vorbild des russischen Gesetzes gegen "Homo-Propaganda" und darüber hinaus gehend den Zugang von Minderjährigen zu Büchern, Filmen und anderen Medien verbietet, bei denen "Geschlechtsidentität abweichend vom bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht, Geschlechtsoperationen und Homosexualität dargestellt und beworben" werden (queer.de berichtete). Die Einschränkungen, die letzte Woche in Kraft traten, gelten auch für die Werbung von Unternehmen, entsprechende Inhalte dürfen auch nicht im Unterricht "beworben" werden.
Das Vorhaben war von der Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán als Zusatz zu einem bereits länger debattierten Gesetzespaket gegen sexuelle Gewalt und "pädophile Täter" eingebracht worden, wenige Tage vor dessen endgültiger Verabschiedung und ohne größere Debattenphase. Die EU-Kommission sieht in dem Gesetz laut Mitteilung vom Donnerstag die Verletzung gleich mehrerer EU-Direktiven, vor allem aber von den Grundwerten der Menschenwürde, der Meinungs- und Informationsfreiheit, des Rechts auf Achtung des Privatlebens sowie des Rechts auf Nichtdiskriminierung. Unabhängig von diesem Vorgehen wurde letzte Woche bekannt, dass die Kommission Ungarn derzeit die Auszahlung von Corona-Hilfen verweigert (queer.de berichtete).
In einem zusätzlichen Vertragsverletzungsverfahren rügte die EU, dass Ungarn im Januar entschieden hatte, dass ein Kinderbuch "Märchenland für alle" mit einem Warnhinweis zu versehen sei, wonach darin Verhaltensweisen gezeigt würden, "die mit traditionellen Geschlechterrollen nicht vereinbar sind" (queer.de berichtete). Vor wenigen Tagen hatte ein schwuler Redakteur des Buches deshalb angekündigt, das Land zu verlassen (queer.de berichtete). Die EU sieht hier die Meinungsfreiheit von Autoren und Verlagen unzulässig begrenzt sowie eine ungerechtfertigte Diskriminierung. Ungarn habe weder die Einschränkung dieser Grundrechte begründet, so die EU, noch "warum der Kontakt von Kindern mit LGBTIQ-Inhalten ihrem Wohlergehen schaden oder nicht dem Wohl des Kindes entsprechen würde".
Das Verfahren gegen Polen
Für Polen befand die Kommission, dass das Land nicht vollständig und angemessen auf ihre Befragung über die Ausrufung sogenannter "LGBT-freier Zonen" in einigen Regionen und Kommunen geantwortet habe. Seit dem Sommer 2019 hatten über 100 Kreise, Städte und Provinzen Resolutionen gegen eine "LGBT-Ideologie" beschlossen oder vorsichtiger formulierte Versionen einer "Familiencharta" angenommen, die größtenteils auf einer Vorlage der christlich-fundamentalistischen Organisation "Ordo Iuris" basieren.
In den Beschlüssen verpflichten sich die Kommunen etwa, gegen "Homo-Propaganda" und Sexualaufklärung an Schulen vorzugeghen. Kurz vor den jeweiligen Ausrufungen hatte ein der Regierung nahestehendes politisches Magazin Aufkleber mit dem Aufdruck "LGBT-freie Zone" und einer durchgestrichenen Regenbogenflagge verteilt, was später in "LGBT-Ideologie-freie Zone" geändert wurde und zu einer Art politischem Schlachtruf wurde.
Twitter / ILGAEurope | Reaktion der interfraktionellen EU-Gruppe zu LGBTI-RechtenThe infringement procedures against Hungary & Poland announced by the EC today show that after years of governments testing how far they can go, the EC takes a clear step to hold & accountable on the rule of law and fundamental rights https://t.co/eMEligZ1ON pic.twitter.com/bJOkAbZmXd
ILGA-Europe (@ILGAEurope) July 15, 2021
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Die EU sieht auch hier eine mögliche Rechtsverletzung in Bezug auf Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und beklagt "mangelnde Kooperation" Polens bei der Klärung der Fragen. Im letzten Jahr hatte die Kommission bereits einigen Kommunen wegen ihrer Beschlüsse bestimmte Fördermittel verweigert – das polnische Justizministerium entschädigte sie allerdings mit teils höheren Summen (queer.de berichtete). (afp/nb)

Das war lange überfällig. Eine andere Sprache verstehen diese Regierungen leider nicht.
Es kann nicht sein, dass die zwar gerne die EU-Gelder kassieren und die anderen Vorteile der EU in Anspruch nehmen, sich aber ansonsten nicht um die EU scheren und laufend EU-Recht brechen und auf EU-Werte spucken.
Da wird nicht nur laufend EU-Recht gebrochen, sondern da werden simpelste demokratische, rechtsstaatliche Grundprinzipien missachtet und universelle Menschenrechte mit Füßen getreten. Sowas darf in einem EU-Mitgliedsstaat nicht passieren. Sonst würde es irgendwann die EU ad absurdum führen und scheitern lassen. Und das wäre zu schade.
Wir lassen und nicht von Polen und Ungarn die europäische Idee ruinieren, nur weil die die EU ausnehmen wollen bis sie untergeht.