Im linearen Fernsehen wird die Doku am 17. Juli um 19.20 Uhr zu sehen sein
Dass sich das deutsche Kino insgesamt und bis heute ein bisschen schwer tut mit LGBTQI-Stoffen, ist kein Geheimnis. Doch das heißt natürlich nicht, dass es nicht auch hierzulande immer mal wieder queere Figuren und deren Geschichten auf der Leinwand zu sehen gibt. Und das seit jeher. Höchste Zeit also, darauf einmal einen gebündelten Blick zu werfen, inspiriert womöglich von einer ähnlich gelagerten Produktion wie "Visible: Out on Television" (zu sehen bei AppleTV+), die einen Blick auf homo-, bi- und transsexuelle Sichtbarkeit im US-Fernsehen wirft.
In seiner Dokumentation "Queer Cinema. Eine Reise durch 100 Jahre deutschen Film", die am 17. Juli um 19.20 Uhr bei 3Sat zu sehen und ein ganzes Jahr in der Mediathek abrufbar ist, konzentriert sich der Autor Daniel Konhäuser nun ganz aufs Kino. Was auch deswegen Sinn ergibt, weil in Deutschland tatsächlich die Wiege des weltweiten Queer Cinema liegt. Der Stummfilm "Anders als die Anderen" aus dem Jahr 1919, inszeniert von Richard Oswald und mitgeschrieben von Magnus Hirschfeld, gilt als der erste Film weltweit, in dem das Thema Homosexualität behandelt wurde. Dass überhaupt noch Aufnahmen des Films existieren, der schnell verboten wurde und von dem eigentlich alle Kopien vernichtet werden sollten, ist ein kleines Wunder.
Bei diesem Werk fängt Konhäuser seine Reise selbstverständlich an, weiter geht es dann zu "Mädchen in Uniform" von Hertha Thiele und Dorothea Wieck, mit dem 1931 auch das lesbische Kino in Deutschland beginnt. Es folgen Filme wie "Jagdszenen aus Niederbayern" (1968), selbstverständlich Rosa von Praunheims bahnbrechender "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" (1971), später "Westler" (1985) und "Coming Out" (1989), Kassenerfolge wie "Der bewegte Mann" nach einem Comic von Ralf König oder die lesbische Liebesgeschichte "Aimée & Jaguar" und schließlich Filme aus den letzten zehn Jahren wie "Romeos", "Freier Fall" oder – ganz aktuell – "Futur Drei".
Über all diese Werke sprechen hier spannende Leute aus verschiedensten Bereichen. Nicht nur die Macher einiger dieser Filme (neben von Praunheim etwa Wieland Speck und Faraz Shariat) kommen zu Wort, sondern auch die Journalistin Manuela Kay, Schauspieler Brix Schaumburg, Professor*in Skadi Loist oder die Regisseurin Angelina Maccarone.
Nur 37 Minuten
Doch leider ist Konhäusers Arbeit gerade einmal 37 Minuten lang – und das ist selbst für die vergleichsweise schmale queere Geschichte des deutschen Kinos viel zu wenig (zum Vergleich: "Visible" besteht aus fünf rund einstündigen Folgen). Für etwas ausführlichere Gespräche bleibt keine Zeit, auch von den verhandelten Filmen gibt es nur minimale Ausschnitte zu sehen. Wertvolle Zeit geht außerdem dabei verloren, dem öffentlich-rechtlichen Publikum zur besten Sendezeit gewisse Basics zu erklären, so nach dem Motto: was ist eigentlich nochmal eine transgender Identität?
An weiterreichende Diskussionspunkte, Einordnungen und gesellschaftliche Kontexte (etwa zu "Romeos", wo der trans Protagonist vom cis Schauspieler Rick Okon verkörpert wird, was aber eben nicht heiß, dass der Film nicht enorme Relevanz hat) ist in den wenigsten Fällen zu denken – und an Vollständigkeit natürlich erst recht nicht. Selbstverständlich wäre es zu viel erwartet, dass hier jeder einzelne Film mit Queer-Bezug erwähnt wird. Aber kein Fassbinder? Keine Ulrike Ottinger? Nichts über Marco Kreuzpaintners "Sommersturm"? Darüber darf man sich schon wundern.