Pedro Castillo, der neue Staatschef von Peru, ist ein Seiteneinsteiger in die Politik (Bild: Screenshot TV Peru)
Ende einer Hängepartie: Sechs Wochen nach der Stichwahl am 11. April hat das Wahlgericht den Linkskandidaten Pedro Castillo zum neuen Präsidenten von Peru erklärt. Der streng katholische Bewerber der marxistisch-leninistischen Partei Perú Libre kam auf 50,12 Prozent der Stimmen, wie das Wahlgericht am Montag mitteilte. Die Rechtspopulistin Keiko Fujimori erhielt in der extrem knappen zweiten Runde der Wahlen demnach 49,87 Prozent.
Oft ist der Sieg einer eher linksgerichteten Person bei Wahlen ein eher positives Zeichen für LGBTI-Aktivist*innen, aber in Peru ist das anders: Sowohl der Sieger als auch die Verliererin gelten als äußerst konservativ und LGBTI-feindlich. Beide lehnen etwa neben Abtreibung oder Sterbehilfe auch die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben ab.
Fujimori stellte begrenzte Rechte in Aussicht
Fujimori erwies sich als ein wenig offener: Sie wiederholte im Wahlkampf Äußerungen, wonach sie sich eingetragene Partnerschaften mit beschränkten Rechten vorstellen könne. Derzeit werden gleichgeschlechtliche Partnerschaften im 33 Millionen Einwohner*innen zählenden Land überhaupt nicht anerkannt. Konkret wollte sie so gleichgeschlechtliche Paare beispielsweise im Erb- oder Rentenrecht gleichstellen, aber nicht in anderen Feldern wie dem Adoptionsrecht. Konkret sagte sie, dass Homosexuelle keine Kinder adoptieren sollten, weil diese dann "gemobbt" werden würden.
Politikwissenschaftlerin Alexandra Ames hielt beide Kandidat*innen in der Frage der LGBTI-Rechte für sehr ähnlich: "Sie gehören beide einer extrem konservativen Richtung an und suchen die Nähe zu religiösen Gruppen wie evangelikalen Kirchen oder katholischen Kirche, die den gesellschaftlichen Status quo beibehalten wollen." Beide hatten im Wahlkampf ihren katholischen Glauben
In mehreren weiteren Bereichen sind sich der Sieger und seine Kontrahentin ähnlich: So setzen beide auf die Ausbeutung von Bodenschätzen und messen dem Schutz von Umwelt und Menschenrechten keine große Bedeutung zu. Große Unterschiede zeigten sie in der Wirtschaftspolitik: Während Castillo von Sozialismus träumt, engagierte sich seine Kontrahentin für neoliberale Reformen.
Viele Einsprüche gegen Wahl
In den vergangenen Wochen hatte es eine wahre Schlacht um den Präsidentenpalast gegeben: Das Wahlgericht hatte eine ganze Reihe von Beschwerden und Einsprüchen vor allem des Fujimori-Lagers zu bearbeiten, weshalb sich die Proklamation des Siegers rund eineinhalb Monate verzögerte. Am Ende lagen gerade einmal etwas mehr als 44.000 Stimmen zwischen den beiden.
(Bild: Congreso de la República del Perú)
Castillos Wahlsieg ist eine schallende Ohrfeige für die politische Elite in Lima. Als absoluter Außenseiter hatte er im April die erste Wahlrunde gewonnen, vor Beginn seiner Kampagne verfügte der 51-Jährige noch nicht einmal über ein Twitter-Profil.
Der Sieger ist langjähriger Dorfschullehrer und stammt aus einer bäuerlichen Familie aus der Provinz Chota im Norden des Landes. 2017 hatte er einen Streik von Lehrer*innen angeführt und wurde damit landesweit bekannt. Die Regierung warf ihm damals Verbindungen zu Sympathisant*innen der linken Rebellengruppe Leuchtender Pfad vor. In seiner Jugend soll er allerdings auch einer bäuerlichen Selbstverteidigungsorganisation zum Schutz gegen die Rebell*innen angehört haben.
Castillo will Medien und Justiz kontrollieren und die Todesstrafe wieder einführen
Über seine sonstigen politischen Überzeugungen und sein Regierungsteam ist bislang relativ wenig bekannt. Er kündigte an, im Falle eines Wahlsiegs einen sozialistischen Staat aufzubauen, die Medien zu kontrollieren und das Verfassungsgericht abzuschaffen. Im Wahlkampf (Motto: "Keine armen Leute mehr in einem reichen Land") warb er zudem für eine Verfassungsreform, den Umbau des Rentensystems und die Verstaatlichung der Gasindustrie. Er will außerdem die 1979 abgeschaffte Todesstrafe wieder einführen.
Die Börsen brachen nach den ersten Hinweisen auf den Sieg des Linksaußen-Kandidaten ein. Beobachter befürchten nach Castillos Triumph eine Kapitalflucht ausländischer Investor*innen.
Eigentlich war Castillo eine Notlösung. Er wurde nur zum Spitzenkandidaten der marxistisch-leninistischen Partei Perú Libre gekürt, weil Parteichef Vladimir Cerrón aufgrund einer Verurteilung wegen Korruption nicht antreten durfte.
Abneigung gegen Fujimori-Clan ein Grund für Castillo-Sieg
Castillo dürfte davon profitiert haben, dass viele Peruaner*innen eine tiefe Abneigung gegen den Ex-Präsidenten Alberto Fujimori hegen, von dessen Politik sich Tochter Keiko nie ernsthaft distanziert hat. Der frühere Machthaber verbüßt wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen eine 25-jährige Haftstrafe. In seiner Amtszeit (1990-2000) ließ Fujimori Sicherheitskräfte rigoros gegen linke und angeblich subversive Kräfte vorgehen, das Parlament wurde entmachtet. Zudem wurden Zehntausende indigene Frauen zwangssterilisiert.
Nach der Scheidung der Eltern galt Keiko Fujimori jahrelang als First Lady und begleitete ihren Vater auf zahlreichen Auslandsreisen. Im Falle eines Wahlsiegs wollte sie ihren Vater begnadigen. Jetzt droht ihr selbst Gefängnis: Sie soll nach Ansicht der siegreichen Partei wegen Korruption angeklagt werden.
Die Herausforderungen für den neuen Präsidenten sind enorm: Peru leidet besonders stark unter der Corona-Pandemie. Es gehört zu den Ländern mit der höchsten Sterblichkeitsquote weltweit, zudem brach die Wirtschaft um 12,9 Prozent ein. Im Landesinneren sind außerdem noch immer Splittergruppen der Guerillaorganisation Leuchtender Pfad aktiv.
Das vergangene Jahr war zudem von einem erbitterten Konflikt der Regierung mit dem Kongress geprägt. Zwar stellt Castillos Perú Libre die stärkste Partei in Parlament, hat aber keine eigene Mehrheit. Der Kongress verfügt in Peru über weitreichende Rechte, die Parlamentarier*innen jagten seit 2018 drei Präsidenten aus dem Amt. Sollte es Castillo nicht gelingen, große Teile der zersplitterten Parteienlandschaft einzubinden, dürfte die nächste Machtprobe nicht lange auf sich warten lassen. (dpa/AFP/dk)