"Ich bin hoffnungslos von Männern besessen", gesteht Fotograf Phil Dlab im Vorwort zu seinem Bildband "Nothing to Hide". Er gesteht auch, dass er auf Schamhaare, Speedos und die "sexy Unschuld der Achtziger und Neunziger" steht, auf Profi-Models und Fashion-Chichi hingegen nicht. Dieses Vorlieben-Profil ist unter schwulen Männern nichts Ungewöhnliches, aber dass jemand deswegen von einem Kontinent auf einen anderen übersiedelt und es zum Hauptberuf macht, ist dann doch nicht die Regel.
Phil Dlab hat beides getan. In der Slowakei geboren, zog er mit seiner Familie schon als Kind nach Kanada, wo er aufwuchs, zur Schule ging, einen gut bezahlten Job hatte und zuletzt in Toronto in einer Eigentumswohnung mit Blick auf den Lake Ontario lebte. Vielleicht gab's da zu viel Fashion-Chichi. Jedenfalls brach Phil im Sommer 2010 seine Zelte in Kanada ab und siedelte ins Land seiner Geburt über. Dort hatte er bis jetzt immer seine Urlaube verbracht und sich dabei in den ungekünstelten Sexappeal der slowakischen Männer verguckt.
2018 fing er an, einige davon nackt zu fotografieren, was zur Gründung von Bodytorium.com führte, "der Foto-Website, die sich Männern widmet, vor Männern verneigt und Männern verschrieben hat, die einfach nur sind, wie sie sind". Was das bedeutet, kann man neuerdings nicht mehr nur online, sondern auch im großformatigen Bildband "Nothing to Hide – Young Men from Slovakia" begutachten.
Die Aktmodelle sind keine Objekte
Der Bildband "Nothing to Hide" ist bei Salzgeber erschienen
Für das Buch hat Phil Dlab sechs junge Männer aus dem Bodytorium-Cast ausgewählt, denen jeweils eine Fotoserie gewidmet ist. Jeder Serie ist ein Text vorangestellt, der den Protagonisten kurz vorstellt. Das gehört zu Dlabs Konzept. Er will die jungen Männer als Subjekte verstanden wissen, nicht als Objekte, als Persönlichkeiten, nicht als bloße Aktmodelle.
So machen Betrachter*innen mit Fußballer Dominik einen Trip ins Grüne, sie klettern mit Abenteurer Danko durch die Ruinen der Karpatenburg Blasenstein (Plavecký hrad), gehen schwimmen mit Parkour-Athlet Samuel, sonnenbaden mit Kristian, turnen mit Andrew und duschen mit dessen bestem Kumpel Lukas, der immer sofort einen Ständer bekommt, wenn er sich nackt auszieht. Letzteres wird im Kurztext verraten und löst sich in den Fotos sichtbar ein. Ein plakatives, aber treffendes Beispiel für die Unverkrampftheit, die die Bilder atmen. Wenn man so will, dreht Dlab die sexy Unschuld, die er an den Achtziger und Neunzigern so mochte, auf heutig.
In der Tradition von Bob Mizer
Im Vorwort nennt Dlab einerseits Athletic-Model-Guild-Gründer Bob Mizer (siehe auch queer.de Besprechung zu "Bob's World"), andererseits Körperinszenator Spencer Tunick (queer.de berichtete über dessen CSD-Projekt) als Inspirationsquellen, und umreißt damit grob, in welchem Spannungsfeld sich seine Arbeit bewegt. Er inszeniert seine Jungs im Tunick'schen Sinne in alltäglichen Umfeldern, setzt dabei aber nicht, wie Tunick, auf die nackte Masse, sondern auf Einzelauftritte, die er durch den erotisierten Blick des schwulen Fotografen in die Tradition Mizers stellt, ohne dabei allerdings dessen Überstilisierung zu kopieren. Oder wie er selbst im Vorwort schreibt: "Meine Fotografie ist beiläufig und vorsätzlich unkompliziert."
Fazit: Wer Schwänze ohne Porno-Attitüde gucken will, kommt mit diesem Buch bestens auf seine Kosten. Wer echte Typen, eitlen Posern vorzieht, ebenfalls. Wer hoffnungslos von Männern besessen ist, sowieso. "Nothing to Hide" ist sexy Unschuld 2021 – ein Buch, das die Schönheit männlicher Nacktheit feiert, ohne sie zu pornografisieren. Einige Bilder aus dem Fotoband gibt es in der unten verlinkten Galerie.
Infos zum Buch
Phil Dlab: Nothing to Hide – Young Men from Slovakia. Bildband. 176 Seiten. 150 Fotografien- Texte in Englisch und Deutsch. Format: 24 x 32 cm. Salzgeber Buchverlage. Berlin 2021. 39 €. ISBN 978-3-95985-623-2
Sehr wichtig, um den Charakter eines Menschen zu beschreiben...