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Olympische Spiele
Wegen Geste für unterdrückte Menschen: Lesbischer Medaillengewinnerin droht Strafe
Wieder einmal ermittelt ein Verband, weil sich eine Sportlerin für die Rechte von Minderheiten engagiert – dieses Mal traf es die extrovertierte Südstaatlerin Raven Saunders.

Raven Saunders holte sich am Wochenende ihre erste olympische Medaille ab (Bild: Twitter / Raven Saunders)
- 2. August 2021, 09:46h 3 Min.
Das Internationale Olympische Komitee ermittelt gegen die offen lesbische US-Diskuswerferin Raven Saunders (genannt "Hulk"), weil sie bei der Siegerehrung eine Geste für unterdrückte Menschen gezeigt hatte. Das gab das IOC am Montagvormittag bekannt. Die 25-Jährige, über die bei den Spielen wegen ihrer extrovertierten Outfits viel berichtet wurde, hatte mit ihren Armen über ihrem Kopf die "X-Geste" gezeigt, die Solidarität für die Rechte von unterdrückten Menschen zum Ausdruck bringen will. Dies könnte vom IOC als verbotenes politisches Zeichen interpretiert werden.
Nach der Aktion erklärte Saunders, das Symbol repräsentiere "die Überschneidungen, an denen sich alle unterdrückten Menschen treffen". Die ursprünglich aus Charleston (South Carolina) stammende Sportlerin erklärte, sie trage als schwarze, lesbische Frau mit Depressionen selbst mehrere Minderheiten in sich. Sie glaube nicht, dass sich ihre Generation daran störe, dies offen anzusprechen. In einem Interview erklärte sie: "Gruß an alle meine schwarzen Leute. Gruß an meine LGBTQ-Community. Gruß an alle meine Leute, die sich mit psychischer Gesundheit auseinanderzusetzen haben. Am Ende ist dieser Gruß stärker als die Mächtigen. So viele Menschen schauen auf uns Athleten und hoffen, dass wir etwas sagen und für sie sprechen." Auf Twitter ergänzte sie mit einem lachenden Smiley: "Lass sie versuchen, diese Medaille zu nehmen. Ich rennen über die Grenze, auch wenn ich nicht schwimmen kann."
/ GiveMe1ShotLet them try and take this medal. Im running across the border even though I cant swim https://t.co/B59N2v9KAk
Raven HULK Saunders (@GiveMe1Shot) August 1, 2021
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In den letzten Jahren hatte das IOC die Regelungen zu "politischen Äußerungen" beispielsweise in Pressekonferenzen etwas gelockert. Bei den Siegerehrungen sind aber alle als "politisch" geltenden Aussagen – auch ein bloßer Hinweis auf Gleichheit aller Menschen – verboten.
IOC hat unterschiedliche Standards bei "politischen" Gesten
Die Ermittlungen erinnern an die Aktion der afroamerikanischen Sprinter Tommie Smith und John Carlos, die bei einer olympischen Siegerehrung 1968 in Mexiko-Stadt die Black-Power-Geste gezeigt hatten. Smith begründete seine Geste damals mit den Worten: "Wenn ich gewinne, bin ich Amerikaner, kein schwarzer Amerikaner. Aber wenn ich etwas Schlechtes tue, sagen sie, ich wäre ein [N-Wort]." Der damalige IOC-Präsident Verhalten Avery Brundage stufte das Verhalten als eine "üble Demonstration gegen die amerikanische Flagge durch [N-Wort]" ein und erwirkte, dass Smith und Carlos aus dem amerikanischen Leichtathletik-Team entfernt wurden. Demgegenüber hatte das IOC keinerlei Problem mit dem Hitlergruß bei den Olympischen Spielen 1936.
/ GiveMe1Shot6 figure contracts secured baby #youmadbro https://t.co/UpibI6fGGX pic.twitter.com/7EhhxLI8Zc
Raven HULK Saunders (@GiveMe1Shot) August 1, 2021
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Bei der diesjährigen Olympiade haben sich unter den mehr als 11.000 Athlet*innen bislang 179 als Teil der LGBTI-Community geoutet. Erstmals tritt mit Laurel Hubbard auch eine offen transsexuelle Sportlerin im Gewichtheben an (queer.de berichtete). Die Neuseeländerin hat ihren ersten Wettkampfauftritt am frühen Montagnachmittag (deutscher Zeit).
Laut "Outsports" haben queere Sportler*innen bislang insgesamt 19 Medaillen gewonnen, davon sechs in Gold. Das deutsche Team brachte es bislang insgesamt auf 20 Medaillen, allerdings sind davon nur vier in Gold. (dk)















Zum Text: "IOC hat unterschiedliche Standards bei "politischen" Gesten" - wenn damit die Spiele von 1936 gemeint sind, wie im Text angedeutet, macht sich queer.de mit solchen Vergleichen lächerlich, schadet der Sache letztlich und macht das berechtigte Anliegen unglaubwürdig. 1936 war eine andere Welt. Um das IOC zu diskreditieren, bedarf es keiner solchen an den Haaren herbeigezogenen Beispiele. Die lassen sich bestimmt auch in jüngerer Vergangenheit finden.