Transgeschlechtliche Erwachsene leiden häufiger unter selbst empfundenen Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis wie die cisgeschlechtliche Restbevölkerung. Das wäre so schon schlimm genug, würde das Phänomen nicht als Vorstufe der Alzheimer-Erkrankung und anderer Gedächtnisstörungen gelten. Zwei Studien der Alzheimer Association, die bei der diesjährigen Konferenz der Gesellschaft in Denver vorgestellt worden sind, belegen die größere Betroffenheit der trans Bevölkerung.
Subjektiv empfundene Beeinträchtigung kognitiver Leistung als Demenz-Vorstufe
Das Phänomen des sogenannten Subjective Cognitive Decline (SCD), also der zunächst nur subjektiv empfundenen Beeinträchtigung kognitiver Leistungen wie dem Gedächtnis, gilt in der Forschung als Marker für später einsetzende Erkrankungen wie Alzheimer oder Demenz. Dabei handelt es sich um nicht diagnostizierte, aber von Patient*innen in der Selbsteinschätzung angegebene Probleme mit der geistigen Leistungsfähigkeit wie einem Gedächtnisverlust oder Verwirrtheit. Die Forschung zum Thema zeigt: Auch wenn man einen kognitiven Abbau noch nicht objektiv messen kann, zeigt die Selbstauskunft bereits frühzeitig eine erhöhte Gefährdung an.
Untersucht wurden binäre und nichtbinäre transgeschlechtliche Erwachsene in den USA. Bei ihnen fanden die Forscher*innen etwa 1,7 Mal so häufig Selbstauskünfte über SCD. So klagte jede sechste befragte trans Person unter den entsprechenden Problemen, während es bei der cisgeschlechtlichen Vergleichsgruppe eine von zehn Personen sind.
SCD hat bereits beginnenden Einfluss auf die Fähigkeiten der Betroffenen, ihren Alltag zu meistern. So kann es für die Menschen mit sinkenden kognitiven Fähigkeiten schwieriger werden, ihrer Lohnarbeit nachzugehen, Aufgaben korrekt zu erfüllen oder ihr soziales Leben zu gestalten.
Bekannt ist auch, dass transgeschlechtliche Menschen häufiger als andere mit weiteren psychischen Schwierigkeiten und Erkrankungen wie Depressionen, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Diabetes, dem gesteigerten Konsum von Tabak und Alkohol sowie Übergewichtigkeit zu kämpfen haben, die ihrerseits einen Risikofaktor für die Entwicklung von Erkrankungen wie Alzheimer und Demenz darstellen. Die Studie fand zum Beispiel bei 37 Prozent der transgeschlechtlichen Proband*innen Erfahrungen mit Depressionen, während es bei cisgeschlechtlichen Erwachsenen nur 19,2 Prozent sind.
Das Gesundheitssystem muss sich auf queere Patient*innen einstellen
"Wir wissen noch zu wenig über Alzheimer, Demenz und die kognitive Gesundheit bei transgeschlechtlichen und nichtbinären Individuen", sagt Carl Hill, der sich für die Alzheimer-Gesellschaft mit Fragen um Diversität, Gerechtigkeit und Inklusion beschäftigt. Dadurch, dass queere Menschen häufiger von kognitiven Erkrankungen betroffen seien, gebe es auch einen größeren Bedarf an entsprechender kultureller Kompetenz im Gesundheitswesen. Das medizinische Personal müsse in der Lage sein, auf die Bedürfnisse älter werdender transgeschlechtlicher Menschen und ihrer Angehörigen einzugehen.
Bereits im Jahr 2019 hat die Alzheimer-Gesellschaft in Kooperation mit einer Organisation für LGBTI-Senior*innen deshalb Informations- und Lehrmaterial für die Arbeit mit queeren Erkrankten erstellt. Dazu gehört auch die Aufforderung an medizinisches Personal, die Geschlechtsidentität transgeschlechtlicher Menschen zu respektieren und die korrekte Sprache für sie zu verwenden.
Man sei sich zwar noch nicht sicher, was genau die erhöhte Zahl der Selbstauskünfte über kognitive Schwierigkeiten unter transgeschlechtlichen Menschen verursache, wie Ethan Cicero von der Emory University's Nell Hodgson Woodruff School of Nursing sagt. Er hat das medizinische Datenmaterial für die Alzheimer-Gesellschaft zusammen mit Kolleg*innen in Hinblick auf die transgeschlechtliche Bevölkerung ausgewertet. "Wir nehmen an, dass es teilweise an der Stigmatisierung gegenüber transgeschlechtlichen Menschen liegen könnte, sowie an den Vorurteilen, die transgeschlechtliche Menschen höheren Raten von Misshandlung und Diskriminierung dort aussetzen, wo sie leben, arbeiten, lernen, medizinische Versorgung in Anspruch nehmen und altern." Es sei weitere Forschung nötig, um präventive Interventionsstrategien zu entwickeln.
Auch andere Queers betroffen – Armut verschärft das Problem
Im Jahr 2018 hatte die Gesellschaft erstmals die Daten zu queeren US-Amerikaner*innen ausgewertet und in der gesamten Gruppe erhöhte Risiken für kognitive Erkrankungen gefunden. Zunächst hatte man schwule, lesbische, bisexuelle und transgeschlechtliche Proband*innen als sexuelle oder geschlechtliche Minderheit zusammengefasst und diese Gruppe dann mit cisgeschlechtlichen, heterosexuellen Amerikaner*innen verglichen. Dabei hatten die Forscher*innen herausgefunden, dass 14 Prozent aus der queeren Gruppe über SCD klagten, etwa 4 Prozent mehr als in der Vergleichsgruppe. Selbst wenn Faktoren wie das Einkommen, das Alter und die ethnische Zugehörigkeit herausgerechnet wurden, blieb ein Unterschied von 23 Prozent übrig, der sich nur durch die Queerness selber – oder durch die Diskriminierung – erklären ließ.
Doch eine erhöhte Sensibilität beim Pflegepersonal fängt noch nicht die Probleme auf, die transgeschlechtliche Erwachsene in den USA davon abhalten, angemessene Gesundheitsversorgung zu erhalten. Schwerwiegend wirkt sich auch die verbreitete Armut unter der transgeschlechtlichen Bevölkerung aus. So hatte jede dritte transgeschlechtliche Person ökonomische Schwierigkeiten beim Zugang zum Gesundheitssytem. Bereits die Sorge vor den möglichen Kosten hielt sie davon ab, Ärzt*innen aufzusuchen.
Studien zeigen gesundheitliche Belastung von Queers immer wieder
Zum Zusammenhang queerfeindlicher Diskriminierung und Gesundheit gibt es bereits eine relativ gute Studienlage. Die Ergebnisse zeigen auch: Sinken das Ausmaß von Vorurteilen und Diskriminierung, gleicht das auch die Gesundheit der Betroffenen an die Werte der Restbevölkerung an. Im Jahr 2012 zeigte etwa eine Studie in den USA den Zusammenhang zwischen der Ehe für alle und der psychischen Gesundheit homosexueller Menschen auf (queer.de berichtete).
Erst kürzlich hat eine Studie der Krankenkasse IKK classic für Deutschland erneut gezeigt, wie stark sich Diskriminierungserfahrungen auf die Gesundheit auswirken. Als Beispiele wurden hier insbesondere die häufiger auftretenden Essstörungen, Migräneanfälle und ebenfalls Depressionen genannt (queer.de berichtete). Anfang des Jahres legte eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung einen Zusammenhang zwischen queerfeindlicher Diskriminierung und unter anderem Angststörungen und Erkrankungen am Herzen offen (queer.de berichtete).
Und auch das Problem mit der Armut ist unter Queers besonders brisant: Eine Studie im "Journal of Population Economics" hat kürzlich die große Datenlage zum Thema zusammengefasst und die erzielten Werte zusammengerechnet. Demnach beträgt die Lohndiskriminierung bis zu 10,3 Prozent. Darunter leiden vor allem Bisexuelle und schwule Männer. Bei Lesben ist der Effekt anders: Sie verdienen im Schnitt mehr als heterosexuelle Geschlechtsgenossinnen (queer.de berichtete).
Was mir allerdings fehlt, neben dem angesprochenen Crosslink auf Depressionen, ist außerdem noch das Stichwort PTSD. Und Menschen, die aus anderen Gründen keine Familie haben, zu denen es soziale Interaktionen gibt, wären auch noch eine schöne Referenz bzw. Vergleichsgruppe.
Verstehen kann ich es extrem gut, bzw. das subjektive Empfinden von verringerter kognitiver Leistung habe und hatte ich teilweise schon selbst. Ich habe meine Suizidalität im Wesentlichen dadurch überlebt, an Dinge, die passiert sind, bewusst nicht zu denken, und mir ein Maximum von 14 Tagen zu sezten, die ich mir den Mist (aka mein Leben) jetzt noch zumute. Rein von der Arbeitssituation her, mit extrem knappen Zeitverträgen, hätte Zukunftsplanung über mehr als 6 Monate so oder so auch keinen Sinn gehabt. Allein schon diese ständige gedankliche Selbst-Restriktion und Selbstkontrolle, die du brauchst, um überhaupt noch irgendwie zu überleben, geschweige denn (arbeitstauglich) zu funktionieren - das ist eine extreme Belastung, bei der du bewusst ständig einen großen Teil dessen einschränkst, was dein Gehirn gern tun würde. Und zum Verarbeiten kommst du auch selten, bevor dann das Nächste an Belastungen dazukommt.
Es bessert sich bei mir gerade, weil ich jetzt mal ein paar Monate vergleichsweise sowas wie Sicherheit erlebe. Hat irgendwie auch gutgetan, an den anderen Leuten, die plötzlich ähnliche Belastungen von Einsamkeit, Isolation, Nicht-Teilhabe ertragen musssten, wie sie für mich schon lange vorher normal waren, zu sehen und zu begreifen, dass es vollkommen normal und verständlich ist, damit nicht glücklich zu sein. Nicht, dass ich es irgendwem jetzt gewünscht hätte. Aber wenn man an anderen mal sieht, wie selbstverständlich die Rechte auf das einfordern, was du einfach schon sehr lange alles nicht hast.. und dass es denen auch wehtut, das _nicht_ zu haben.. das schafft irgendwie einiges an Selbstakzeptanz, und der Einsicht "okay - die leiden auch darunter, wenn sie ein Jahr lang niemanden umarmen können. Du bildest dir nicht ein, dass das etwas ist, was irgendwann emotional wehtut. Du bist kein Freak, wenn das wehtut, es ist _normal_, dass du das belastend findest"... so traurig das mit der Pandemie alles ist, aber in der Hinsicht hat es mir wirklich geholfen.
Es beruhigt mich irgendwie schon, dass es mir gerade so vorkommt, als könne man sich zumindest teilweise erholen. Aber dass man langfristig, auch kognitiv, gesund dabei bleibt, würde mich persönlich jetzt schon eher überraschen.
Macht für mich insofern alles Sinn. Aber was soll man halt machen. Ich beschäftige mich mit der Diskriminierung ja nicht "einfach so" als Hobby, sondern weil sie mir ständig begegnet, und während es im Internet einerseits oft schlimmer ist, was den Hass betrifft, gibt's da andererseits so die einzigen Leute, bei denen die Chance besteht, dass sie rudimentär verstehen, was man erlebt. Im RL ist der Hass nicht so extrem, dafür bist du da ständig auf dich gestellt, und gerade seit Corona praktisch komplett isoliert. Die Kapazitäten, aktiv Leute einzusammeln, die sich sonst in so einer Selbsthilfegruppe sporadisch sehen, und emotionale Fürsorge für irgendwen als sich selbst zu übernehmen, hat bei meinen letzten Kontakten jedenfalls niemand.
Danke für den Artikel. Ist irgendwie ein Hinweis, dass man schon zusehen sollte, das Gehirn als Organ so einigermaßen ausgewogen zu benutzen.
Andererseits, wenn das mit dem "einfach mal so vor sich hin leben ohne an Negatives zu denken" so einfach wäre... naja, hätte, wenn und aber zählt nicht. Es ist nicht so und man wird es nicht erleben.
Aber bisschen (mehr) auf sich achten sollte man ab und an vielleicht.