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  • 01. Dezember 2005 77 5 Min.

Nach einem tendenziösen ARD-Bericht sehen die Unions-Homos und eine Bundestagsabgeordnete Handlungsbedarf.

Von Norbert Blech

Die Debatte um Bareback-Sex hat nun auch die Politik erreicht. Zum Welt-Aids-Tag haben die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) gefordert, gesetzliche Schritte gegen die Barebacking-Szene zu prüfen.

In einer Pressemitteilung forderten die Wiesbadener Bundestagsabgeordnete Kristina Köhler und der LSU-Bundesvorsitzende Roland Heintze ein "schärferes Vorgehen". Denn der ungeschützte Geschlechtsverkehr werde gefördert "durch die so genannte 'Barebacking'-Szene, die dieses 'Reiten ohne Sattel' in verschiedenen Sexclubs auslebt und in Internetforen oder über pornographische Videos anpreist", so die Erklärung.

Sex sei "natürlich Privatsache". Aber: "Hier geht es darum, dass das HIV-Virus vorsätzlich oder zumindest fahrlässig verbreitet wird", so Heintze. Dies führe seiner Ansicht nach nicht nur zu einer neuen und unkontrollierbaren Wachstumsphase der Epidemie, sondern auch zu einer unfairen Belastung der Gesundheitssysteme. "Das Verhalten der Barebacking-Szene konterkariert den Kampf gegen das Virus auf Kosten derjenigen, die unsere Hilfe brauchen, weil sie sich mit Aids infiziert haben", so die gemeinsame Erklärung.

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Moral aus Mainz

Anlass für die Pressemitteilung ist ein Bericht der Sendung "Report aus Mainz" (SWR), der am Montag in der ARD ausgestrahlt wurde. Der Autor Daniel Hechler hatte sich dort zum dritten Mal mit der Bareback-Problematik auseinandergesetzt und sich sehr moralisierend in die Debatte eingeschaltet. Nach einer Anmoderation, in der Bareback als "Schwulensex ohne Kondom" bezeichnet wurde, kamen Betroffene und Dirk Meyer zu Wort.

Zumindest, so lange es gewünscht war. Der Geschäftsführer der Deutschen Aids-Hilfe kam kurz mit einer verständnisvollen Äußerung zum Bareback-Verhalten zu Wort, wurde aber vor einem zweifellos folgendem "aber" abgeschnitten. Ein verünglückter Erklärungsversuch Meyers, warum die DAH nicht auf Strafe, sondern Verantwortung setzt, wurde ihm als Skandal ausgelegt.

Lob findet Hechler hingegen für die Aids-Hilfe in Österreich, die notfalls auch rechtliche Schritte gegen Bareback-Partys einlegt, was dort juristisch möglich ist. Dass die Infektionszahlen in Österreich nicht steigen, führt Hechler als Beweis für das Gelingen dieses Vorgehens auf. Auch in der Schweiz gingen Aids-Hilfen und Behörden gegen Bareback vor, so Hechler weiter, der dann aber nicht mehr auf die Neuinfektionszahlen in der Schweiz eingeht. Diese sind um 37 Prozent gestiegen ist – mehr als in Deutschland.

LSU: gesetzliche Schritte prüfen

Der Bericht zeige, dass es der "Barebacking-Szene weniger an Aufklärung als an Einsicht" mangele. Deshalb forderte Kristina Köhler, dass "notfalls auch gesetzliche Schritte geprüft werden müssen", und verweist auf die Gesetzeslage in Österreich, wo Paragraf 178 des Strafgesetzbuches die vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten unter Strafe stellt (und auch die fahrlässige Gefährdung durch Paragraf 179 unter Strafe steht). "Wir können es nicht zulassen, dass noch länger auf diese dramatische Weise russisches Roulette mit der AIDS-Gefahr gespielt wird", so Köhler und Heintze. "Denn eines gilt leider bis zum heutigen Tag: In den meisten Fällen gewinnt das Virus."

Donnerstag, 1. Dezember 2005, 16.30h

Redaktionskommentar

Die LSU und der SWR-Reporter haben Unrecht: Mit Moral und Gesetz lässt sich keine HIV-Infektion stoppen.

Von Norbert Blech


Die Forderung nach neuen Gesetzen ist zunächst juristisch eine Katastrophe. In Österreich ist die Bestrafung für die vorsätzliche oder fahrlässige Gefährdung durch übertragbare Krankheiten, die bis zu einer Haftstrafe von drei Jahren geht, selbst bei den Aids-Hilfen umstritten. In deren Magazin "PlusMinus" schrieb 2002 der Redakteur Andreas Kamenik, dass die beiden Paragrafen 178 und 179 auch zu Verurteilungen führten, weil beispielsweise der "Täter" ungeschützten, aktiven Oralverkehr hatte – was zu einer Virus-Weitergabe nicht ausreicht. Der HIV-Positive macht sich in Österreich schon strafbar, wenn es zu einer Infektion kommen kann – eine tatsächliche Ansteckung und die Frage der Einwilligung des Partners sind nicht von Bedeutung.

Auch die Forderung nach einem Verbot von (kommerziellen) Bareback-Partys ist juristisch zweifelhaft, ganz abgesehen von der Frage, ob dies ernsthaft ungeschützten Sex verhindert: niemand sollte Menschen verbieten, sich selbst in Risikosituationen zu begeben. Eine Ausweitung auf alle Sex-Partys und auch Sex im Freien ist bei der Gesetzes-Auslegungsfreude einiger Staatsanwaltschaften und Ordnungsämter auch nicht auszuschließen. Und: es gibt keinen juristischen Grund, einen moralischen sollte es ohnehin nicht geben, zwei HIV-positiven Männern ungeschützten Sex zu verbieten.

Hier hatte der Begriff Bareback einst seinen Ursprung: beim Sex nur unter Positiven. Eine überschaubare Szene, durchaus auch ihrer Verantwortung für HIV-Negative bewusst. Mittlerweile ist Bareback beinahe ein Massenphänomen, und die Verantwortung lässt zweifellos nach. Eine verantwortungsvoll geführte Debatte ist durchaus zu begrüßen.

Aber Vorsicht. Mittlerweile wird der Begriff Bareback für so gut wie jeden Risikokontakt unter schwulen Männern benutzt: von der Bareback-Party über einen einzelnen ungeschützten Kontakt in der Homo-Sauna bis zum Verkehr mit dem eigenen Partner. Dabei gibt es hier sehr verschiedene Gründe, warum kein Kondom verwendet wird, und die unterschiedlichsten Möglichkeiten, präventiv vorzubeugen. Ein großer Teil der Neuinfektionen unter schwulen Männern passiert noch immer in Beziehungen – nicht auf Bareback-Partys.

Das Thema Bareback ist zu komplex, um es in kurzen Pressemitteilungen oder TV-Berichten angemessen bewerten zu können. Das Thema HIV-Prävention ist es erst recht, und dass unwichtige CDU-Politiker dies zur Profilierung suchen, ist ein Skandal. Die Forderung nach Law and Order im HIV-Bereich ist zudem völlig gaga, gibt es doch in Deutschland bereits die Möglichkeit, etwa über "Körperverletzung" zu einer Bestrafung zu kommen, wenn es im extremen Einzelfall wirklich nötig sein sollte. Das passierte bisher so gut wie nie, und das ist verhältnismässig.

Denn eines ist auch klar: mit der moralischen und juristischen Verurteilung von Barebackern verhindert man keine einzige HIV-Infektionen. Letztlich bleibt zum Welt-Aids-Tag nur die Aufforderung an alle, mit der eigenen Gesundheit und erst recht der Gesundheit anderer verantwortungsvoll umzugehen. Mehr kann eine HIV-Prävention nicht erreichen, und ein neues Strafrecht erst recht nicht.
-w-

#1 andyAnonym
  • 01.12.2005, 16:46h
  • hi , wie immer quatsch . die freiheit gottes ist unbegrenzt . nicht alle dient zum guten , aber die menschen können es sich raussuchen. und selbst entschieden. gehirn haben sie auch von gott bekommen oder?
    so ein bock kann nicht die freiheit beschränken .

    aber das alles haben wir schon gehabt!
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#2 KlausAnonym
  • 01.12.2005, 16:59h
  • Lasst uns eine Unterschriftensammlung starten, die der LSU verbietet, den Begriff schwul zu führen...
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#3 gerdAnonym
  • 01.12.2005, 17:05h
  • Ein sehr, sehr schwieriges Thema, das sich nicht so "einfach" in drei Sätzen bewerten läßt.

    Ich bin da sehr gespalten in dieser Frage zur Verschärfung der Rechtslage, denn Bareback in Verbindung mit "falscher" Einhaltung der Therapien bei HIV-Erkrankten führt zur Ausbreitung resistenter Virenstämme.

    Und ich habe über viele Jahre in Gesprächen die Erkenntnis gewonnen, dass gerade ältere, aktive homosexuelle Menschen, die Unsicherheit/Unerfahrenheit junger, passiver homosexueller Männer ausnutzen und zu Sex ohne Kondom neigen.

    Gerade in der Leder/FetischSzene können passive, junge Menschen "schnell" Opfer von älteren, aktiven Barebackern werden.

    Und manchmal bin ich nicht so sicher, ob jüngere Männer dort nur "als Freiwild" angesehen werden.

    Jetzt kommt natürlich das Argument, jeder ist genügend aufgeklärt und wir alle sind erwachsen.

    Aber dennoch bin ich sehr skeptisch, wieviel eigene innere Stärke ein Teil der jüngeren, homosexuellen Männer gegenüber abgebrühten, dominanten Barebackern entgegenhalten können.

    Aber eine abschliessende Wertung zur LSU-Forderung habe ich nicht, da die Konsequenzen der Forderung der LSU mir nicht in allen Auswirkungen klar sind.
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