In einer wirren Abhandlung macht der katholische Historiker Michael Hesemann aus Düsseldorf die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare für die Flutkatastrophe Mitte Juli verantwortlich, durch die allein in Deutschland 183 Menschen getötet worden sind. Todesopfer waren in fünf Bundesländern (Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen) zu beklagen.
Laut Hesemann sei die Naturkatastrophe zuvor durch "Erscheinungen" in Vettweiß-Sievernich (Kreis Düren) vorangekündigt worden. Demnach hätten Jesus und Maria eine ortsansässige Hausfrau und "Seherin" vor dem bevorstehenden Unwetter gewarnt. Die Ortschaft ist vor 20 Jahren in erzkatholischen Kreisen durch die "Seherin" bekannt geworden.
Wörtlich schrieb der 57-Jährige:
Am ersten Maiwochenende wagten über hundert Priester in Deutschland den offenen Bruch mit Rom und segneten zahlreiche Homo-Paare. Damit demonstrierten sie, dass sie offenbar den Zeitgeist oder ihr eigenes subjektives Empfinden über die Gebote Gottes und der Kirche stellen. Ihnen fehlte, was man früher einmal Gottesfurcht nannte – die Besorgnis, man könne Gott erzürnen und damit seine Gnade verlieren. Gott bleibt schon stumm, glauben und hoffen sie. Doch die Mahnung aus Sievernich, der Aufruf zu Gebet und Buße zur Sühne für diese "Gräuel an heiliger Stätte" war eindeutig.
Im weiteren Verlauf des Textes deutete Hesemann an, dass sich anschließend zu wenige am Sühnegebet beteiligt hätten ("Wieder hielt sich die Beteiligung in Grenzen und man war an die Geschichte von Sodom und Gomorra erinnert"). Die Folge nach dem letzten Gebetsmarathon mit mangelhafter Beteiligung: "Genau 33 Stunden später setzte der verheerende Starkregen ein."
Hesemanns Artikel ist sehr populär
Der bizarre Text wurde Ende Juli auf Deutsch unter anderem auf Youtube als Audiodatei, auf der radikalkatholischen Plattform gloria.tv und auf der Facebook-Seite des Autors veröffentlicht. Hesemann erklärte außerdem, dass der Text ursprünglich in der polnischen Zeitung "Nasz Dziennik" erschienen sei – laut Hesemann mit einer Auflage von 300.000 "die größte katholische Tageszeitung Europas". Und auch die Abrufzahlen der deutschen Textfassung sind hoch: So verzeichnet das Youtube-Video mehr als 80.000 Aufrufe, gloria.tv meldet über 7.000 Klicks.
(Bild: Youtube)
"Nasz Dziennik" hat gute Verbindungen zur rechtspopulistischen polnischen Regierung und macht immer wieder gegen Schwule und Lesben Stimmung. So erklärte der polnische Präsident Andrzej Duda 2018 in einem Interview mit "Nasz Dziennik", dass er gerne "Homo-Propaganda" verbieten würde (queer.de berichtete). Der offen schwule Politiker Robert Biedron hatte die Zeitung verklagt, weil sie Homosexualität als "Krankheit" bezeichnet hatte.
"Deutschland braucht das Gebet Polens"
Als Antwort auf die in Deutschland grassierenden Unwetter schlägt Hesemann in seinem Artikel Katholizismus nach polnischem Vorbild vor: "Deutschland braucht das Gebet Polens, dass es seinen momentanen Irrweg korrigieren möge."
Hesemann hat eine skurrile Karriere hingelegt. Nachdem er in Göttingen unter anderem Geschichte und Journalistik studierte, wurde er in den Neunzigerjahren in esoterischen Kreisen vor allem durch Bücher über Ufos und Aliens bekannt. Ende des letzte Jahrhunderts schwenkte er auf katholische Themen um. Auf seiner Homepage präsentiert sich Hesemann als Vertrauter von Papst Benedikt XVI. und prahlt mit seiner Nähe zum Vatikan: "Seit 2009 hat Hesemann als einer von ganz wenigen deutschen Historikern dauerhaften Zugang zum Vatikanischen Geheimarchiv, seit 2015 auch zum Politischen Archiv des vatikanischen Staatssekretariats."
Im Februar solidarisierte sich Hesemann mit dem wegen seiner Nachsichtigkeit gegenüber sexuellem Kindesmissbrauch in der Kirche in Verruf geratenen Kardinal Rainer Maria Woelki. Der Chef des Kölner Erzbistums gilt als homophobster deutscher Bischof und bekräftigte erst vor wenigen Tagen das Segnungsverbot für gleichgeschlechtliche Paare (queer.de berichtete).
Hintergrund für den Artikel Hesemanns ist, dass Papst Franziskus erst Mitte März das Segnungsverbot für homosexuelle Paare erneuert hat, weil gleichgeschlechtliche Liebe immer sündhaft sei (queer.de berichtete). In Deutschland führte dieses Verbot zu Protesten innerhalb der Kirche – selbst viele Bischöfe stellten es infrage, viele Priester widersetzten sich der Order aus Rom.
Für alle, die noch einen kleinen Funken Verstand haben, hier ein Tipp:
www.kirchenaustritt.de