Nun also doch noch vor der Wahl: Eine Initiative zur Verbesserung der Haftbedingungen von trans- und intergeschlechtlichen Gefangenen in Berlin (queer.de berichtete) könnte Anfang September durch das Abgeordnetenhaus gehen. Nachdem sich der Gesetzentwurf über ein Jahr lang im Beratungsprozess befunden hatte, wurde er nun mit einer kleinen Änderung zurück an das Plenum verwiesen. Dort soll in der Sitzung vom 2. September abgestimmt werden.
Das Gesetz zur Änderung von Berliner Justizvollzugsgesetzen sieht unter anderem vor, dass die Möglichkeit von Einzelfallentscheidungen geschaffen wird. Diese soll neben dem ansonsten geltenden Trennungsgebot der Geschlechter bestehen und trans und inter Personen zugute kommen. Aus der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung hieß es gegenüber queer.de nun, man sei "sehr erleichtert, dass das Gesetz noch vor der Wahl verabschiedet werden kann".
Entscheidungen mit Ermessensspielraum
Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hatte das Gesetz als "Voraussetzung für einen zeitgemäßen Umgang mit Transpersonen im Gefängnis" bezeichnet. Die Regelung wurde bewusst offen formuliert, um den Entscheider*innen einen Ermessensspielraum zu geben. Dadurch wird es möglich, dass zum Beispiel eine trans Frau, die amtlich noch mit männlichem Geschlecht und Vornamen registriert ist, nicht in ein Männergefängnis muss, sondern mit anderen Frauen untergebracht wird. Nichtbinäre und intergeschlechtliche Personen könnten wohl stärker mitbestimmen, ob sie in die nach wie vor bestehenden Haftanstalten für Männer oder für Frauen kommen.
Solche Regelungen wären dann "unter Berücksichtigung der Persönlichkeit und der Bedürfnisse der Gefangenen, der Erreichung des Vollzugsziels und der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt" möglich, wie es im Gesetzestext heißt. Nach den Beratungen neu hinzugekommen ist die Bestimmung, dass bei der Einzelfallregelung die "Bedürfnisse der übrigen Gefangenen" eine Rolle spielen sollen.
Unklar ist, welche rechtliche Handhabe sich daraus zum Beispiel für Gefangene ergibt, deren Bedürfnissen in einem solchen Einzelfall nicht entsprochen wird. Im Zweifelsfall wären wohl umfangreiche Erhebungen zu den zu berücksichtigenden Aspekten nötig, etwa durch Gutachten.
Konsequenz aus Verfassungsgerichtsurteil
Die angestrebten Veränderungen sollen unter anderem Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zur Stärkung des Schutzes der Geschlechtsidentität genügen (queer.de berichtete). Das Gericht hatte etwa 2017 geurteilt, dass Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, Anrecht auf einen positiv formulierten, dritten Geschlechtseintrag haben. Die Justizverwaltung in Berlin nahm das zum Anlass, die Haftbedingungen für trans- und intergeschlechtliche Gefangene insgesamt zu reformieren. Damit wäre das Bundesland das erste, das eine solche Regelung explizit einführt.
Ende des Jahres 2018 wurde dann die Möglichkeit des Geschlechtseintrags "divers" geschaffen, der wahlweise nur für intergeschlechtliche Personen gelten soll, die sich nicht als Mann und nicht als Frau empfinden, oder auch für andere trans Personen (queer.de berichtete). Um die Auslegung des Gesetzes gibt es seitdem Streit. Nachdem viele nicht-intergeschlechtliche trans Personen das Gesetz für die Änderung ihres Namens und Geschlechtseintrags genutzt hatten, drohte Innenminister Horst Seehofer (CSU) öffentlich mit Konsequenzen für Ärzt*innen (queer.de berichtete).
Diskriminierende Fälle zeigten Notwendigkeit auf
Im Jahr 2019 hatte der Fall Diana O. für Aufsehen gesorgt. Weil im Wagen der trans Frau ein unbekanntes weißes Pulver gefunden worden war, wurde sie für ein halbes Jahr zur Untersuchungshaft mit Männern eingesperrt (queer.de berichtete). Erst Protest gegen diese Behandlung führte dazu, dass die bayrischen Behörden Diana O. wieder freiließen.
Auch zwei transgeschlechtliche Aktivist*innen aus der Besetzung des Hambacher Forstes in Nordrhein-Westfalen sollen ihre Haftzeit im jeweils falschen Gefängnis verbracht und dabei diskriminierende Erfahrungen mit dem Personal und anderen Häftlingen gemacht haben.
Besser wäre es, sofern die Intergeschlechtlichkeit festgestellt wurde, die Personen SELBST entscheiden zu lassen, ob sie in einen Frauen- oder Männerknast wollen.
Bei Transsexualität sollte der Zeitpunkt der Antragsstellung nach dem TSG (so lange, bis dieses nicht durch neue Regelungen ersetzt wurde) entscheidend sein. Alternativ ein Nachweis darüber, wie lange jemand im empfundenen Geschlecht lebt (würde 2 Jahre vorschlagen).