Keine Frage, es ist sehr erfreulich (und überfällig), dass die Öffentlich-Rechtlichen mit ihrem Programm endlich mal über den cis-heterosexuellen Tellerrand blicken und sich in letzter Zeit auch an queere Geschichten wagen. "All You Need" und "Loving Her" waren kürzlich zwar bloß Produktionen für die Mediatheken (und wurden linear dann nur en block auf Nischensendern gezeigt), dafür aber erfreulich gelungen. Nun folgt mit "The Drag and Us" gleich noch eine weitere Serie mit LGBTI-Bezug – und ähnlichem Ausstrahlungskonzept: Ab dem 31.8. sind alle acht Folgen in der ZDF-Mediathek zu sehen, außerdem zeigt ZDFneo am gleichen Tag die ersten beiden Folgen ab 23.45 Uhr (und dann jeden späten Dienstagabend eine weitere).
Der Plot ist dabei schnell erzählt. Franziska (Paula Paul) hat nicht nur einen eigenen Schlossereibetrieb, sondern ist auch alleinerziehende Mutter zweier pubertierender Söhne. Der smart-nerdige Freddy (Marwin Haase) ist eifriger Video-Blogger und kommt als 12-Jähriger ins Gröbste gerade erst hinein, während der 15-jährige Nikki (Frederic Balonier) vor allem Mädchen im Kopf hat und sich ansonsten gerne um die Haushaltspflichten drückt. Als letzterer für einen heimlichen Trip mit der Freundin dringend ein paar hundert Euro braucht, vermietet er spontan sein Kinderzimmer unter. Natürlich ohne Absprache mit der Mutter. Und ohne zu wissen, dass mit Christian (Ralph Kinkel) ein selbstbewusst schwuler junger Mann einzieht, der auch sein Dragqueen-Alter-Ego Cathérine mitbringt.
Drag-Klischees wie aus den Neunzigern
Bei "The Drag and Us" handelt es sich, die Prämisse lässt es erahnen, nicht um den Versuch, authentisch queere Alltagsrealitäten abzubilden, sondern um eine klassische Sitcom. Dagegen ist im Prinzip rein gar nichts einzuwenden, schließlich ist es kein Geheimnis, wie smart, innovativ und natürlich vor allem witzig es in diesem Genre zugehen kann. Doch leider ist die von Gabriele M. Walther produzierte und gemeinsam mit Komiker Tom Gerhardt und Filmemacher Martin Duffy erdachte Serie nichts von alledem.
Altherrenhumor bei "The Drag and Us": Tim (Martin Gruber, l.) ist beeindruckt von Cathérines (Ralph Kinkel, r.) "Vorzügen" (Bild: ZDF / Walter Wehner)
Die Studiokulissen sehen billiger aus als jede Daily Soap, dazu kommen Lacher aus der Konserve, wie man sie seit den Neunzigern nicht mehr gehört hat. Von ungefähr damals stammt wohl auch das Bild, das die Macher*innen von Dragqueens haben: Cathérine jedenfalls ist einfach nur schrill und laut und hört gefühlt von früh bis spät Gloria Gaynor.
Hauptproblem der Serie ist aber ohnehin, dass sich eigentlich nirgends je auch nur ein einziger zündender Gag finden lässt. Dass weder die Schauspieler*innen noch die Regie von Franziska Meyer Price ("Berlin, Berlin") ein Händchen für komödiantisches Timing zu haben scheinen, könnte man mit viel gutem Willem den unterirdischen Drehbüchern in die Schuhe schieben. Womöglich erweist man ihnen damit aber auch zu viel der Ehre.
Lachen auf Kosten von queeren Menschen
Immer wieder ist "The Drag and Us" übrigens nicht nur hochnotpeinlich, sondern auch richtig ärgerlich. Der Sexismus und die Homo- und Transfeindlichkeit von Teenager Nikki nämlich werden zwar dezent als etwas markiert, das es im Verlauf der Serie zu beheben gilt. Lachen soll man über Sätze wie "Er… sie… es… hat also in meinem Bett geschlafen?" aber gefälligst trotzdem.
Lange Rede, kurzer Sinn: Wer gar nicht erst einschaltet, erspart sich vieles. Denn auch ein Gastauftritt der wunderbaren echten Dragqueen Catherrine Leclery (bekannt aus Heidi Klums "Queen of Drags"), die Gabriele M. Walther bei einer zufälligen Begegnung überhaupt erst zu "The Drag and Us" inspiriert haben soll, macht den Kohl nicht mehr fett. Geschweige denn queer.