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Landgericht Bremen
Latzel-Prozess: Befangenheitsantrag gegen homophoben Gutachter
Erst stimmte die Staatsanwaltschaft der Beauftragung des evangelikalen Theologen Christoph Raedel zu, nun machte sie einen Rückzieher. Dessen queerfeindliche Thesen seien ihr "einfach nicht bekannt" gewesen.

Darf immer noch auf die Kanzel: Olaf Latzel bei einer Predigt am 22. August 2021 in der Bremer St. Martini Kirche
- 8. September 2021, 04:03h 2 Min.
Die Bremer Staatsanwaltschaft hat eingeräumt, der Verteidigung des Pastors Olaf Latzel auf den Leim gegangen zu sein. Am Dienstag zog sie ihre Unterstützung für den für die Berufungsverhandlung beauftragten Gutachter Christoph Raedel zurück und beantragte beim Landgericht, den homofeindlichen evangelikalen Theologen wegen Befangenheit abzulehnen.
"Seine Thesen zur Homosexualität waren uns einfach nicht bekannt", begründete Oberstaatsanwalt Frank Passade die Kehrtwende seiner Behörde gegenüber dem "Weser-Kurier". Raedels Auffassungen stünden im Widerspruch zur nötigen Unparteilichkeit vor Gericht, ergänzte er gegenüber der Nachrichtenagentur IDEA. "Wir haben die Sache jetzt neu bewertet und dann Konsequenzen daraus gezogen." Passade rechnet mit einer Entscheidung des Gerichts in den nächsten Tagen.
Raedel hält Homosexualität für "Sünde" und veränderbar

Christoph Raedel (Bild: FTH)
Christoph Raedel, ein Theologieprofessor an der evangelikalen Freien Theologischen Hochschule in Gießen, hält Homosexualität für "unvereinbar mit der christlichen Lehre" und setzt sich für Menschen ein, "die eine Veränderung ihrer Orientierung ersehnen" (queer.de berichtete). Dies hätte die Bremer Staatsanwaltschaft mit einer einfachen Google-Suche herausfinden können. Nach seiner Berufung als Gutachter bestätigte Raedel in der vergangenen Woche noch einmal gegenüber dem Evangelischen Pressedienst, dass er "ausgelebte Homosexualität" für "Sünde" hält (queer.de berichtete).
Die Bestellung Raedels durch das Bremer Landgericht war in der Öffentlichkeit auf breite Empörung gestoßen. Kritisiert wurde nicht nur der ausgewählte Gutachter, sondern auch das Gutachten an sich, das klären soll, inwieweit die diffamierenden Äußerungen Latzels biblisch gedeckt seien. "Was die Bibel 'wirklich' sagt, ist im säkularen Rechtsstaat nun wirklich keine sinnvolle Frage für ein Gerichtsgutachten", sagte der Kirchenrechtler Prof. Hans Michael Heinig. "Allein die Vorstellung, aus einem 1.800 Jahre alten Buch, der Bibel, Ableitungen für das heutige Rechtsverständnis herzuleiten, ist schon absurd", erklärte der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten.
Latzel bezeichnete Homosexualität als "todeswürdig"
Latzel war letzten November vom Amtsgericht wegen Aufstachelung zum Hass gegen Homosexuelle zu einer Geldstrafe von 8.100 Euro (90 Tagessätze) verurteilt worden (queer.de berichtete). Anlass für den Prozess gegen den Pastor der St.-Martini-Gemeinde waren auf Youtube veröffentlichte Äußerungen Latzels in einem "Eheseminar". Darin bezeichnete er gelebte Homosexualität pauschal als "Degenerationsform von Gesellschaft" und als "todeswürdig". Die LGBTI-Community beschimpfte er als "Gender-Dreck". Außerdem warf er CSD-Besucher*innen vor, "Verbrecher" zu sein (queer.de berichtete). (cw)














