(Stand 16.15h) Auch in der Schweiz werden schwule und lesbische Paare künftig heiraten können: Laut vorläufigem Endergebnis vom Sonntagnachmittag stimmten 64,1 Prozent der Schweizer*innen in einem Referendum für die Ehe für alle inklusive Adoptionsrecht. Erste Eheschließungen könnte es nun im nächsten Sommer geben (Details zum Gesetz s. nach Zwischenüberschrift weiter unten).
Die Zustimmung liegt damit um zwei Prozentpunkte höher als beim Same-Sex-Marriage-Referendum im Mai 2015 in Irland, wo der Schritt damals auf 62,07 Prozent kam. In der Schweiz gibt es eine Mehrheit für die Ehe für alle in allen Kantonen, egal ob Stadt oder Land. So erzielte die Ehe-Öffnung mit 74 Prozent ihr höchstes Ergebnis in Basel-Stadt, 69,1 Prozent gab es in Zürich und jeweils 65,2 Prozent in Bern und Genf. Zudem gab es etwa 55,5 Prozent im Kanton Wallis, 56,6 Prozent in der Schwyz, 57,2 Prozent in Schaffhausen und 62,8 Prozent in Graubünden.
Am knappsten wurde es in Appenzell Innerrhoden mit 50,8 Prozent – 94 Stimmen gaben den Ausschlag für die Mehrheit. Die Wahlbeteiligung lag bei 52,6 Prozent und leicht über dem Durchschnitt bei Volksabstimmungen. Je nach Wahllokal konnte bereits ab Donnerstag sowie per Brief und teilweise online abgestimmt werden, die letzten Lokale schlossen um 12 Uhr.
"Der heutige Volksentscheid ist historisch und ein Meilenstein auf dem Weg zur Gleichstellung von homo- und bisexuellen Menschen", kommentierte das Komitee Ehe für alle. 500.000 Menschen seien in der Schweiz schwul, lesbisch oder bisexuell und hätten auf diesen Tag gewartet. "Ich bin glücklich, dass die Mehrheit der Stimmberechtigten sich für die Familienvielfalt und die Rechtsgleichheit von gleichgeschlechtlichen Paaren ausgesprochen hat", so Sprecherin Maria von Känel. "Die Ehe für alle ermöglicht uns, unseren Kindern und nächsten Generationen ein gleichberechtigtes Leben in Würde. Für die Sichtbarkeit und rechtliche Anerkennung von Regenbogenfamilien werden wir uns weiter einsetzen." Die noch fehlende gemeinschaftliche Eltern-Anerkennung von Frauenpaaren, die auf eine medizinisch unterstützte Samenspende im Ausland oder eine private Samenspende zurückgreifen, müsse folgen.
Eigentlich war die Gleichstellung im Ehe-Recht schon am 18. Dezember 2020 in beiden Kammern des schweizerischen Parlaments mit großer Mehrheit beschlossen worden (queer.de berichtete). Homo-Hasser*innen sammelten aber binnen 100 Tage mehr als die 50.000 notwendigen Unterschriften, um einen Volksentscheid über den Schritt zu erzwingen. Unterstützt wurde das Referendum von Vertreter*innen der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP), der bibeltreuen Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) sowie der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP).
In Umfragen hatten sich bereits in den letzten Jahren große Mehrheiten bis zu 80 Prozent für die Ehe für alle gezeigt – beim Thema Adoption und Samenspende verkleinerte sich allerdings die Mehrheit. Die Gegenkampagne setzte daher vor allem auf eine ausgrenzende Stimmungsmache gegen Regenbogenfamilien (queer.de berichtete). "Ich habe keine Mama! Egoistische Homo-Adoptionen vor Kindeswohl?", hieß es etwa auf einem Plakat. Zunehmend wurde auf angsteinflößenden Plakaten angedeutet, die Ehe für alle führe zur – weiter verbotenen – Leihmutterschaft.
Erste Ehen im Sommer 2022
Mit dem Gesetz, das auf eine Initiative der Grünliberalen Partei aus dem Jahr 2013 zurückgeht, erhalten gleichgeschlechtliche Paare praktisch gleiche Rechte wie heterosexuelle inklusive der gemeinschaftlichen Adoption – mit dem seit 2007 bestehenden Institut der Lebenspartnerschaft hatten sie nur beschränkte Einbürgerungsmöglichkeiten, nur ein Recht auf Stiefkindadoption und keinen Zugang zur Fortpflanzungsmedizin. Bei der Samenspende enttäuschte der im Dezember gefundene Kompromiss zwischen beiden Kammern des Parlaments allerdings LGBTI-Aktivst*innen: Nach der Vorlage werden die beiden Ehefrauen bei privat durchgeführten oder ausländischen Samenspenden nicht automatisch als Co-Mütter anerkannt.
Voraussichtlich zum 1. Juli 2022 sollen die ersten Paare dann heiraten können – das soll den Behörden Zeit für Vorbereitungen und Paaren, die im Ausland geheiratet haben, Zeit für Entscheidungen zum Güterstand geben. Die Eintragung einer Lebenspartnerschaft ist nach der Öffnung der Ehe nicht mehr möglich. Bestehende Partnerschaften können umgewandelt werden oder bestehen bleiben.
Ich bin für jeden Prozentpunkt froh, den das Endergebnis noch über der Hochrechnung liegt. Aber auch so ist das eine mehr als deutliche Zustimmung.
Ich finde es auch gut, dass in der Schweiz bei Hochrechungen die Unsicherheitsbereiche, wie weit das noch schwanken kann, mit angegeben werden. Wird ja in Deutschland leider weder bei Umfragen noch bei Prognosen und Hochrechnungen so gemacht.