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Corona-Leugner
Martin Rutter vom Vorwurf der Hetze gegen Homosexuelle freigesprochen
Im März war der ehemalige Landtagsabgeordnete noch wegen Volksverhetzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Doch jetzt wurde der Corona-Leugner freigesprochen.

Martin Rutter war fünf Jahre lang Landtagsabgeordneter für zwei rechtspopulistische Parteien (Bild: Screenshot Youtube / BZÖ)
- 4. Oktober 2021, 14:44h 3 Min.
Der 38-jährige Rechtspopulist Martin Rutter, der von 2013 bis 2018 im Kärntner Landtag saß, ist am Montag vom Klagenfurter Landesgericht vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen worden. Dem "Querdenker"-Aktivisten war vorgeworfen worden, Homosexuelle verächtlich gemacht zu haben. Die Staatsanwaltschaft kündigte sofort an, Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen zu wollen.
Das Verfahren geht auf das Zerreißen einer Regenbogenfahne bei einer "Querdenker"-Kundgebung im letzten September in Wien zurück (queer.de berichtete). Die Anti-Coronamaßnahmen-Aktivistin Jennifer Klauninger hatte die Flagge damals unter Applaus zerrissen und erklärt: "Ihr seid kein Teil unserer Gesellschaft. Wir müssen unsere Kinder gegen Kinderschänder schützen. Wir alle sind dafür verantwortlich." Sie behauptete später, es habe sich wegen eines aufgemalten Herzens um eine Pädophilenflagge gehandelt.
/ PresseWien | Das Zerreißen der Regenbogenflagge führte letztes Jahr zu Protesten von LGBTI-Aktivist*innenWie schon berichtet, fand heute in #Wien eine Kundgebung der "Querdenker" statt. Hier ein kurzer Videoabschnitt in dem zu sehen ist, wie auf der Bühne unter tosendem Beifall eine Regenbogenfahne zerrissen wird, da sie als Symbol für "Kinderschänder" verunglimpft wird. pic.twitter.com/csGFFtOehm
Presseservice Wien (@PresseWien) September 5, 2020
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Rutter verteidigte damals als "Querdenker"-Pressesprecher das Zerreißen und wies Kritiker*innen in aggressivem Ton und mit harschen Vorwürfen zurecht – so behauptete Rutter nach Kritik von den Grünen etwa, dass die Partei "Pädophilie und Kindesmissbrauch straffrei stellen" wolle.
Laut oe24.at verteidigte sich Rutter damit, dass er "in keinster Weise" jemanden herabwürdigen habe wollen. Staatsanwältin Lisa Kuschinsky erwiderte: "Wie waren die Aussagen sonst gemeint, wenn nicht verhetzerisch oder beleidigend?" Das Gericht folgte Medienberichten zufolge aber seiner Auffassung, er habe nicht Homosexuelle verächtlich machen, sondern gegen Pädosexualität vorgehen wollen.
Diese Ansicht ist nicht zwangsläufig: Rutter war zu den Vorwürfen im März wegen Volksverhetzung zu einer viermonatigen Bewährungsstrafe und einer Geldstrafe in Höhe von 800 Euro verurteilt worden (queer.de berichtete). Das Urteil wurde aber letzten Monat aus formalen Gründen aufgehoben und der Prozess neu aufgerollt.
Rutter sieht sich als Opfer eines "Politprozesses"
In einem Live-Video auf Facebook feierte Rutter seinen "Freispruch im Politprozess" mit Tiraden gegen den sozialdemokratischen Kärntner Landeshauptmann (Ministerpräsidenten) Peter Kaiser, der nach Hetze gegen seine Person Anzeige gegen Rutter gestellt hatte. Auch eine LGBTI-Organisation hatte den Ex-Politiker angezeigt. "Alles Lüge", erklärte Rutter nun zu den Vorwürfen. Kurioserweise beschwerte er sich auch darüber, dass niemand von der "Systempresse" über seinen Freispruch berichten würde, woraufhin ein Journalist der APA, Österreichs größter Presseagentur, dieser Äußerung live widersprach.
Martin Rutter war ursprünglich bei den Grünen aktiv. Vor elf Jahren wurde er sogar zum Bezirksvorsitzenden der Partei im Klagenfurter Land gewählt. Danach begann seiner Reise zum rechten Rand: 2012 wechselte er zum "Team Stronach", einer damals neuen rechtspopulistischen Partei eines offenbar gelangweilten kanadisch-österreichischen Milliardärs. Für diese – inzwischen wieder verschwundene – Partei zog Rutter 2013 in den Kärntner Landtag ein, dem er bis 2018 angehörte. Später wechselte er zum BZÖ, einer inzwischen winzig kleinen rechtspopulistischen Partei, die 2005 vom damaligen Rechtsaußen-Darling Jörg Haider gegründet worden war. Rutter war bei den nationalen Wahlen 2019 Spitzenkandidat der Partei, die aber weniger als 0,1 Prozent der Stimmen erreichte.
Rutter machte sich seit seinem Ausscheiden aus dem Parlament als lautstarker Verschwörungstheoretiker einen Namen – so wetterte er etwa besonders gegen den "gefährlichen" Ausbau des Mobilfunknetzes, bevor er die Corona-Pandemie als sein Thema entdeckte. Er gilt inzwischen als einer der bekanntesten Corona-Leugner des Landes. Die Presse hatte im Vorfeld des Verfahrens darüber spekuliert, ob sich Rutter weigern würde, beim Prozess einen Mudschutz zu tragen – er zog sich schließlich eine FFP2-Maske über. (dk)















