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Kinderbuch
"Endlich ich" erzählt davon, ein trans Kind zu sein
Julana weiß, wer sie ist. Doch ihren Eltern fehlt ein Konzept. Eine zufällig eingeschaltete Fernsehsendung und ein Lächeln bringen die Wendung. Davon erzählt Julana selbst in ihrem Buch.

Auf dem Titelbild des Kinderbuchs reitet Julana auf einem Einhorn – worauf sonst?
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8. Oktober 2021, 06:28h 4 Min.
Julana Victoria Gleisenberg ist elf Jahre alt und schon Autorin eines kleinen Büchleins. Das kann anderen Kindern eine große Hilfe sein – Kindern wie Julana. Denn das Mädchen wurde bei der Geburt als Junge zugewiesen. Ein Irrtum, wie sich herausstellen wird.
Zwar fühlte Julana schon früh, wer sie selber ist. Aber die richtigen Worte, etwas zu beschreiben, das so eigentlich nicht vorgesehen war, fehlten. Erst ein Moment mit dem Papa vor dem Fernseher, in dem eine Dokumentation über transgeschlechtliche Menschen lief, änderte alles. Denn der verurteilte den gezeigten Jugendlichen gar nicht. Nein, er lächelte sogar. Und schaute interessiert zu. So brachte die Flimmerkiste das Mädchen auf das gesuchte Zauberwort "Transgender" und zum Mut, sich dem Vater zu offenbaren.
Zeit der Angst
Doch dem Tag mit der Fernsehsendung war eine andere Zeit vorausgegangen. Eine Zeit der Angst. Angst davor, danach zu fragen, wieso sich der eigene Körper nicht in die Richtung entwickelt, in die er doch sollte. Angst davor, dass die Mädchen Julana wieder nicht mitspielen lassen würde. Weil Julana doch "ein Junge" sei.
Angst davor, dass die anderen Kinder in der Schule ähnlich reagieren würden wie die Mama daheim, die Julana, da war das Kind vier, auf ihre Fragen geantwortet hatte: "Jungs haben das halt nicht". Und: "Einen Busen wirst du nicht bekommen". Die Angst in Julana hatte natürlich niemand beabsichtigt. Denn wie Julana gefühlt hatte, war einfach nicht vorgesehen gewesen. Noch war es das nicht.
Der Appell, normal zu sein
Immer wieder kommt es vor, dass transgeschlechtliche Kinder sehr genau über ihre eigene Identität Bescheid wissen, jedoch auf Zurückweisung, diskriminierende Ansichten und auf den Appell stoßen, "normal" zu sein. Für viele dieser Kinder beginnt dann eine lange Zeit stummen Leidens: Weil sie so, wie sie sind, nicht oder vermeintlich nicht geliebt werden, verstecken sie den Persönlichkeitsanteil, der nicht "passt".

Wer hier nicht rein passt, hat es schwer (Illustration: Neve Sophie Scherbius)
Das Resultat sind häufig vielfache psychische Leidenssymptome und eine gestörte Beziehung zu Eltern und Gesellschaft. Verschafft sich die Identität dann später ihre Geltung, ist der Körper meist schon weiter. Dann beginnt ein oft lebenslanger Prozess, die durch die Pubertät im falschen Geschlecht erworbenen körperlichen Merkmale durch Operationen und Hormone zu verändern, zu verstecken oder zu kaschieren.
Einfach mal ausprobieren
Julana hatte Glück. Ihr blieb das meiste davon erspart. Denn am Tag mit der Fernsehsendung hat Julana ihren ganzen Mut zusammengenommen und gesagt, dass sie nun endlich wisse, was mit ihr nicht stimme: "Nämlich, dass ich gar kein Junge bin, sondern ein Mädchen". Auch, wenn Julana das selbst schon ganz lange gewusst hatte, wie sie in ihrem Büchlein betont. Bei ihren Eltern war sie nun auf Akzeptanz gestoßen. Die schlugen vor, es am Wochenende einfach mal auszuprobieren, wie es dem Kind damit geht, wenn die Anderen es wie ein Mädchen behandelten.
Julana war es gut damit gegangen. So gut, dass die alte Traurigkeit von ihr wich und ein ganz anderes Kind zum Vorschein kam. Das alles beschreibt sie selbst, auf dem Computer getippt von Julanas Sekretär*innen Mama und Papa. Bis hinein ins Jahr 2021. Da wurde Julana auch vom Staat offiziell als das Mädchen, die junge Frau, die Julana ist, anerkannt.
Aufklärung darüber, was es gibt
Das Buch zeigt, wie es auch gehen kann: ein transgeschlechtliches Begehren, das Gehör findet. Nicht sofort. Aber mit der nötigen Aufklärung, dass es "das" eben auch gibt. Materialien, Berichte, Fernsehsendungen und Portraits von und über transgeschlechtliche Menschen haben seit einigen Jahren das Wissen um transgeschlechtliche Identitäten stark vergrößert. Und so dürften auch die Lebenswege, die sich dem von Julana ähneln, häufiger geworden sein. So wird viel Leid erspart. Für Kinder und, später, für Erwachsene.
Doch natürlich gibt es auch weiterhin Kids, die wie Julana selbst in einer Phase des Beschweigens, des Versteckens und des Nicht-Verstehens festsitzen. Für sie ist Julanas Buch. Damit sie aus er Phase heraus finden. Und auch für ihre Eltern ist das Buch geschrieben. Damit sie sehen, dass nicht zwangsläufig unwägbaren Gefahren lauern, wenn man dem eigenen Kind zuhört. Und ihm erlaubt, es selbst zu sein. "Endlich ich" (Amazon-Affiliate-Link ) eben.

Seit Mai 2021 heißt Julana auch offiziell Julana (Illustration: Neve Sophie Scherbius)
Ein Anhang erklärt Konzepte und Begrifflichkeiten zu Transgeschlechtlichkeiten und listet Quellen und Ressourcen zur weitergehenden Recherche sowohl für Kinder als auch für Erwachsene auf.
Julana Victoria Gleisenberg: Julana – endlich ich. Mein Weg vom Jungen zum Mädchen. Kinderbuch. Mit Illustrationen von Neve Sophie Scherbius. 32 Seiten. SK WelcomeHome – Die Transgenderstiftung. Pfarrkirchen 2021. Taschenbuch: 9,95 € (ISBN: 978-3-949217-09-8)
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GLG JC