Auf zwölf Seiten haben SPD, Grüne und FDP am Freitag die Ergebnisse ihrer Sondierungsgespräche zusammengefasst (PDF). Die angestrebte Ampel-Koalition will auch queerpolitische Reformen auf den Weg bringen. Wir dokumentieren die relevanten Passagen:
8. Freiheit und Sicherheit, Gleichstellung und Vielfalt in der modernen Demokratie
Deutschland ist ein modernes Land, mit großer Vielfalt der Gesellschaft, in der unterschiedliche Lebensentwürfe, Lebensumstände und Herkunftsgeschichten zusammenkommen. Wir begreifen diese Vielfalt als Chance und wollen gerechte Teilhabe in allen Bereichen organisieren und Diskriminierung klar entgegentreten.
Wir wollen unsere Rechtsordnung der gesellschaftlichen Realität anpassen. Dazu werden wir u.a. das Staatsangehörigkeitsrecht, das Familienrecht, das Abstammungsrecht und das Transsexuellengesetz ebenso wie die Regelungen zur Reproduktionsmedizin anpassen und beispielsweise Verantwortungsgemeinschaften bzw. einen Pakt für Zusammenleben möglich machen.
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Wir werden in allen Bereichen entschlossen gegen Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus, Islamismus, Linksextremismus, Queer-Feindlichkeit und jede andere Form der Menschenfeindlichkeit vorgehen, damit Vielfalt auch in gleicher Sicherheit für jede und jeden möglich ist. Die öffentliche Hand sowie ihre Institutionen müssen hier Vorbild sein. Dazu dient auch ein Demokratiefördergesetz.
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Wir wollen den Gleichbehandlungsartikel des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 GG) um ein Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Identität ergänzen und den Begriff "Rasse" im Grundgesetz ersetzen.
LSVD sieht "vielversprechenden Anfang"
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) sieht in dem Sondierungspapier "sehr gute Ansätze für einen echten queerpolitischen Aufbruch hin zu mehr Freiheit, Gerechtigkeit und Respekt" sowie "ein ernsthaftes Bemühen, Vielfalt anzuerkennen und damit auch der Lebensrealität von queeren Menschen in unserem Land in der Gesellschaftspolitik Rechnung zu tragen". Das wäre "ein großer Fortschritt", erklärte Vorstandsmitglied Stefanie Lünsmann-Schmidt in einer Pressemitteilung.
Diese queerpolitischen Vereinbarungen müssten nun "weiter präzisiert" werden, so der LSVD. "An den Vorhaben wird sicher noch viel zu arbeiten sein. So braucht es beispielsweise klare Regelungen zum Schutz, zur Aufnahme und zur Anerkennung von LSBTI-Geflüchteten." Das versprochene Engagement gegen Queerfeindlichkeit müsse sich zudem "in konkreten Maßnahmen widerspiegeln".
Grüne: "Aufbruch in der Queerpolitik endlich möglich"
Die Grünen äußerten sich zufrieden über das Sondierungspapier. "Nach jahrelangem Stillstand ist nun der dringend notwendige Aufbruch in der Queerpolitik endlich möglich", erklärten die beiden queerpolitischen Sprecher*innen der grünen Bundestagsfraktion, Sven Lehmann und Ulle Schauws, in einer Pressemitteilung. "Nun beginnt die Zeit der vertieften Gespräche. Wir sind bereit und wollen diese Chance ergreifen, um unsere vielfältige Gesellschaft nachhaltig zu stärken, damit jeder Mensch überall sicher, frei und selbstbestimmt leben kann."
Den "queerpoltischen Aufbruch" wollen die Grünen "gemeinsam mit den Aktivist*innen und Organisationen vorbereiten, die seit Jahren darauf hinarbeiten", so Lehmann und Schauws. "Breite Beteiligung und stärkere Förderung der Zivilgesellschaft müssen daher für die nächste Regierung selbstverständlich sein."
SPDqueer "zuversichtlich"
Die SPDqueer zeigte sich in einem Tweet zum Sondierungspapier "zuversichtlich". Eine Ampelkoalition könne "den Reformstau auflösen und die Gleichstellung von #LSBTIQ voran bringen".
FDP glaubt an "echte Fortschrittskoalition"
Die Ampel könne "eine echte Fortschrittskoalition für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt werden", erklärte der FDP-Bundestagsabgeordnete Jens Brandenburg auf Twitter. "Das Sondierungspapier gibt einen ersten Vorgeschmack, viele weitere Themen und Details folgen in den Koalitionsverhandlungen", so der queerpolitische Sprecher der Liberalen.
AfD: "Normale" müssen vor queeren Menschen "zurückstehen"
Für die rechtsextreme AfD lässt das Sondierungspapier dagegen "Schlimmstes vermuten und sämtliche Warnungen der AfD wahr werden", wie es in einer Pressemitteilung heißt. "Die normale bürgerliche Mehrheit wird für 'woke' Minderheiten vor allem aus der LGBT-Welt zurückstehen müssen", empörte sich darin der stellvertretende AfD-Bundessprecher Stephan Brandner. "Die mutmaßlichen Ampel-Koalitionäre werden mit einer links-grünen Knute durchregieren und das Land der Mehrzahl seiner Bürger bis zur Unkenntlichkeit verhunzen." (cw)
(Statements SPDqueer, FDP und AfD nachträglich ergänzt)
Ich wußte nicht, daß Texte, die anscheinend BuFtis oder Praktikant_innen verfaßt haben, einfach so an die Öffentlichkeit gegeben werden: zweimal 'anpassen', jeweils: woran? ( Das verlangt 'anpassen' nämlich)
Und ich hoffe (bezweife indessen ...), daß darum dort steht, das Transsexuellengesetz solle 'angepaßt' werden.
Nun ja, setzen wir den Beginn der Moderne mit der Französischen Revolution an (1789), dann ist es wahrlich eine Errungenschaft, daß Deutschland 2021 ein modernes Land (!) ist. Angeblich. Was immer das heißen soll.
Also: woran soll das Transsexuellengesetz angepaßt werden? An die deutsche Sexuualwissenschaft und Psychomedizin ist es doch schon angepaßt, das waren vierzig Jahre lang die entscheidenden Instanzen. Auch vorher schon, aber das ist eine andere Geschichte, die ich hier auch schon erzählt habe.
Ich fürchte, wir werden es bald wissen.
Ach ja, und von körperlicher/medizinischer Selbstbestimmung ist keinerlei Rede. Na sowas, wer hätte das gedacht? Alle die sich auskennen.