Der britische Premierminister Boris Johnson hat die transphobe Organisation LGB Alliance in einem von seinem Amtssitz in 10 Downing Street am Mittwoch verschickten Brief gelobt. Die LGB Alliance hatte den rechtskonservativen Politiker zuvor zu ihrer Jahresversammlung in London eingeladen. "Der Premierminister ist erfreut, von diesem bahnbrechenden Event zu erfahren, und sich bewusst, welch wirklich bedeutungsvolles Ereignis dies darstellt", heißt es in dem Brief, der von Johnsons Pressesprecherin Mandy Godridge unterschrieben worden war.
"Leider" könne der Regierungschef nicht an der Versammlung teilnehmen, weil sein Kalender prall gefüllt sei. "Allerdings will ich in seinem Namen der LGB Alliance für ihre unglaublich harte Arbeit danken und sende die besten Wünsche für eine erfolgreiche Konferenz", so Godridge.

"Der Premierminister stellt sich auf die Seite der Unterdrücker"
Viele zeigten sich entsetzt über den Brief des Premierministers. Peter Tatchell, der wohl bekannteste LGBTI-Aktivist Großbritanniens, erklärte gegenüber "PinkNews": "Boris Johnson hat einen Riesenfehler gemacht. Er konspiriert mit einer Anti-Trans-Organisation. Dieser Brief zeigt, dass unser Premierminister trans Menschen nicht respektiert und sich auf die Seite der Unterdrücker stellt."
Die LGB Alliance, die inzwischen auch in Deutschland aktiv ist, ist in der britischen LGBTI-Szene höchst umstritten: Die Organisation wurde 2019 als Interessenvertretung von Homo- und Bisexuellen gegründet, die gleiche Rechte für trans Menschen ablehnt (queer.de berichtete). Im April dieses Jahres wurde dem Verein von der "Charity Commission for England and Wales" Gemeinnützigkeit attestiert. Daraufhin protestierten 50 CSD-Organisationen gegen diesen Schritt.
Twitter / SpillerOfTea | "Trans Lives Matter": Ein Aktivist der LGB Alliance wurde im August von der Polizei von einem CSD entfernt
Die Trans-Hasser*innen erhalten aber vereinzelt Unterstützung auch von anderen Parteien. So beteiligten sich neben Tory-Politikerin Jackie Doyle-Price etwa auch die Unterhaus-Abgeordneten Rosie Duffield von der oppositionellen Labour-Partei und Joanna Cherry von der schottischen Separatistenpartei SNP an der inzwischen beendeten Versammlung der LGB Alliance.
Boris Johnson ist seit 2019 britischer Premierminister und zeigte sich bei LGBTI-Rechten widersprüchlich (queer.de berichtete). Zuletzt versprach seine Regierung, die "Heilung" von Homo- und Transsexualität zu verbieten (queer.de berichtete). Bislang wurde aber noch kein Gesetzentwurf vorgelegt.
Mit Sorge wird insbesondere beobachtet, dass sich die britische Regierung laut Justizminister Dominic Raab künftig nicht mehr an die Entscheidungen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs halten will – London orientiert sich mit dieser Politik offenbar an Russland. Der Menschenrechtsgerichtshof hatte mehrfach LGBTI-feindliche Regelungen im Königreich gekippt, etwa 1981 das Homo-Verbot in Nordirland. (dk)