Der Kommandant wird skeptisch. Mit strengem Blick fragt der untersetzte Mann, wo der junge Soldat Sergey mit dem Offizier Roman so lange war. Er habe das Fahrtenbuch überprüft, die Fahrt in die Stadt habe viel zu lang gedauert. Militärisch diszipliniert, ohne zu zögern, antwortet Sergej, der Pilot habe ein Ballett sehen wollen, er habe ihn gefahren. Auf der Rückfahrt sei dann eine Bahnschranke wieder einmal defekt gewesen, alles habe länger gedauert. Dass Roman und er sich im Wald näherkamen, wild knutschten, lässt er sich nicht anmerken. Der Kommandant gibt sich zunächst zufrieden.
Dass es zwischen den zwei Soldaten funkt, war schnell klar. Der junge Sergej und der Kampfpilot Roman lernen sich auf einem Luftwaffenstützpunkt in Estland kennen. Es ist Mitte der 70er Jahre, der Kalte Krieg hat seinen letzten Höhepunkt noch nicht erreicht. "Firebird" dauert keine halbe Stunde, bis die zwei Männer sich zum ersten Mal küssen.
Der Vater Roman kommt von Sergej nicht los
Poster zum Film: "Firebird" startet am 25. November regulär und läuft bereits zuvor in der queerfilmnacht
Wann immer sie können, verbringen sie heimlich Zeit miteinander. Fahren ans Meer, entwickeln gemeinsam analoge Fotos. Doch ihre Zuneigung bleibt nicht unentdeckt. Die Lage wird vor allem für den Karriere-Soldaten Roman heikler. Er muss die Beziehung beenden – und heiratet stattdessen Luisa, eine Freundin von Sergej.
Der Liebesthriller springt dann zuerst ein Jahr vor, dann noch einmal vier Jahre. Sergej ist dann Schauspielstudent in Moskau, so wie er es sich immer gewünscht hat. Roman ist zwar mittlerweile Vater, hängt aber immer noch an ihm. Er reist nach Moskau, will es noch einmal versuchen, ohne zu wissen, ob und wie eine Beziehung funktionieren soll. "Ich habe Angst vor diesem Traum", sagt Sergej. Er wurde schon einmal bitter enttäuscht.
"Firebird" wurde von den Aufzeichnungen des Soldaten Sergey Fetisov inspiriert. Der ehemalige Soldat starb während der Arbeiten am Film, der schwule estnische Regisseur und Co-Autor Peeter Rebane traf ihn noch zum Gespräch. Eine Biografie zu adaptieren, hat seine Tücken. Vielleicht rührt daher das Gefühl, dass der Film keine Zeit verlieren will, alles entwickelt sich recht zügig und ohne Umwege. Doch Rebane schafft es, die Geschichte aufs Wesentliche zu reduzieren und sinnvoll zu arrangieren.
Rechter Protest bei Premiere in Moskau
Viel mehr noch: Er schafft einen wahnsinnig berührenden Film, der niemals zur Schnulze wird, nie in den Kitsch abdriftet. Natürlich sind die Momente von Sergej und Roman sehr intensiv, das Meer besonders blau, die Dunkelkammer tiefrot. Doch genauso ernüchternd sind die Momente, in denen sie merken, wie zerbrechlich ihre Liebe eigentlich ist. "Firebird" zieht alle Register, ist mal spannungsgeladen, dann fast ein Thriller und vor allem tragisch.
Die zwei Darsteller Tom Prior (Sergej) und Oleg Zagordnii (Roman) sind ein großartiges Paar. Prior, gleichzeitig Co-Autor, gibt mit seinen leicht schielenden Rehaugen und dem Schmollmund einen sehr verletzlichen, anfangs noch hoffnungslos naiven jungen Mann, den die Beziehung prägt und verändert. Zagordnii schlüpft in die Rolle des vernunftgeleiteten Offiziers, der gegen seine Gefühle ankämpfen muss, um seine Karriere nicht zu gefährden.
Die Russland-Premiere von "Firebird" beim Internationalen Filmfestival Moskau wurde von rechten Protesten begleitet. Gegen die schwule Sichtbarkeit, die der Film Sergey Fetisov im Besonderen und der Sowjetunion und ihrem Militär im Allgemeinen verleiht, gingen Rechte auf die Straße. Doch diese Geschichte ist zu stark, als dass sie sich verhindern ließe.
Infos zum FilmFirebird. Drama. Estland, Großbritannien 2021. Regie: Peeter Rebane. Darsteller*innen: Tom Prior, Oleg Zagordnii, Diana Pozharskaya, Jake Thomas Henderson, Margus Prangel. Laufzeit: 107 Minuten. Sprache: englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. FSK 12. Verleih: Salzgeber. Im November 2021 in der
queerfilmnacht und ab 25. November regulär im Kino und als VoD