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Großbritannien
Regierung verteidigt transfeindliche Philosophin
Kathleen Stock vertritt seit Jahren transfeindliche Positionen. Nun quittierte die Philosophin nach Protesten ihren Job an der Universität Sussex. Die konservative Ministerin für Gleichstellung stellt sich hinter sie.

In den Streit an der Universität von Sussex in Brighton mischt sich nun auch die britische Regierung ein (Bild: Morten Watkins / wikipedia)
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1. November 2021, 14:59h 6 Min.
Die britische Regierung hat sich in die Debatte um die Philosophie-Professorin Kathleen Stock eingemischt. Stock hatte sich seit Jahren eine Auseinandersetzung mit Student*innen und Kolleg*innen sowie mit trans Menschen über deren Rechte geliefert. Vergangenen Dienstag hatte sie ihren Job an der Universität von Sussex gekündigt.
Die Gleichstellungsministerin der Regierung, Kemi Badenoch von Boris Johnsons konservativer Tory-Partei, sagte dem Sender Sky News, dass sie nicht denke, dass Stock ihren Job verlieren sollte. Von deren Behandlung sei sie "erschrocken". Die Ansichten der Philosophin seien vermutlich, so die Konservative, in Übereinkunft mit der Mehrheit der Bevölkerung.
Doch Stock hatte ihren Job gar nicht "verloren". Schließlich hatte sich auch die Universität Sussex in Brighton stets demonstrativ hinter die Philosophin gestellt und die Angelegenheit zu einer Frage nach dem Recht auf Meinungs- und Redefreiheit erklärt.
Transfeindliche Äußerungen
Im Oktober hatten Student*innen eine Kampagne zu Stocks Entlassung aufgrund ihrer Verbreitung transfeindlicher Äußerungen und Positionen gestartet. Dagegen verwahrten sich wiederum 200 Akademiker*innen aus Stocks Fachbereich öffentlich. Dennoch verkündete die Philosophin schließlich ihren Rückzug von der Universität von Sussex.
Stock hatte immer wieder dagegen argumentiert, dass transgeschlechtliche Menschen eine Anerkennung in ihrem Geschlecht verdient hätten oder dass transgeschlechtliche Frauen in Frauenräumen Zutritt haben sollten. Sie setzte sich zudem dafür ein, den Begutachtungszwang für Personen aufrecht zu erhalten, die ihre geschlechtliche Identität vom Staat anerkennen lassen wollen.
Deutschsprachige Medien wie der "Spiegel" oder die "Zeit" berichteten über den Fall Stock anlässlich der Äußerungen der britischen Gleichstellungsministerin. Dabei war mehrfach die Rede davon, dass Stock angeblich angegangen worden sei, weil sie glaube, dass transgeschlechtliche Menschen ihr "biologisches Geschlecht" nicht ändern könnten – so wie von der Ministerin behauptet.
Dabei wird das von kaum jemandem bestritten. Vielmehr verneinen die meisten Fürsprecher*innen von Rechten transgeschlechtlicher Personen die Relevanz des Konstruktes eines "biologischen" Geschlechtes für die Behandlung von und das Sprechen über Menschen oder bestreiten, dass es etwas wie ein "biologisches Geschlecht" in dem behaupteten Sinn überhaupt gibt. Eine Position, wonach durch eine Transition zum Beispiel das genetische Chromosomenset verändert würde, wird hingegen nicht vertreten.
Gewerkschaft verteidigte Recht auf Protest
Gegen die Verteidigung Stocks durch die Universitätsleitung wandte sich infolge der jüngst erneuerten Kontroverse auch die gewerkschaftliche "University and College Union" in Sussex. Die betonte gegenüber der Inanspruchnahme der Redefreiheit von Stock das Recht von Student*innen, zu protestieren.
Auch setzte sich die Union für die Würde von und den Respekt vor transgeschlechtlichen Studierenden und Mitarbeiter*innen der Hochschulen ein. Darüber hinaus verlangte die Gewerkschaft eine Untersuchung institutionalisierter Transphobie an der Hochschule. Stock selbst sagte kürzlich, dass der Einsatz der Gewerkschaft zur Unterstützung der Studierenden letztlich den Ausschlag gegeben habe, ihre Karriere an der Universität "effektiv zu beenden".
Zynisches Spiel mit Rechten
Stock hat sich, wie viele transfeindliche Akteur*innen auch, stets dagegen verwahrt, sich überhaupt gegen die Rechte transgeschlechtlicher Menschen zu engagieren. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall und Stock setze sich dafür ein, dass die Menschen ihr Leben leben dürften – frei von Angst, Gewalt, Belästigung oder Diskriminierung.
Dabei verlangte sie gleichzeitig, die juristische Anerkennung transgeschlechtlicher Menschen in ihrem Geschlecht zu verwehren und das "biologische Geschlecht" zur Grundlage zu machen. Folgerichtig unterzeichnete Stock auch die transfeindliche "Declaration on Women's Sex-Based Rights", in der ebenfalls behauptet wird, dass es spezifische "Frauenrechte" gäbe, die in der Biologie von Frauen begründet seien.
Diese dienen in der Vorstellung der Unterzeichner*innen jedoch nicht, wie etwa in der bedeutenden Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt ausgeführt, dazu, die allgemeinen Menschenrechte von Frauen durchzusetzen. Vielmehr seien sie schlicht in einer "Biologie" von Frauen begründet.
In der Erklärung geht es darum auch nicht darum, Frauen Rechte zuzusprechen oder diese Rechte zu verteidigen. Der Text ist vielmehr ein Versuch, transgeschlechtlichen Frauen die Anerkennung als und die Rechte von Frauen abzusprechen. Die Anerkennung transgeschlechtlicher Frauen wird als Angriff auf cisgeschlechtliche Frauen umgedeutet. Außerdem wird in dem Text verlangt, international zu ächten, dass Kinder über "Gender" aufgeklärt werden – offensichtlich um zu verhindern, dass transgeschlechtliche Menschen ihre eigenen Gefühle verstehen und sich outen können.
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Essay sorgte für Kontroverse
Begonnen hatte die Kontroverse um Stock bereits im Jahr 2018 mit einem Essay, in dem die Philosophin den Ausbau der Rechte von trans Personen mit dem Eindringen von Männern in Frauenräume zur Begehung von Sexualstraftaten in Verbindung brachte.
Dort behauptete sie auch, dass transgeschlechtliche Frauen dabei seien, die politische Landschaft zu dominieren, auf für Frauen reservierten Listenplätzen in Parlamente einzuziehen und dann die Interessen von Frauen mit ihren eigenen zu ersetzen. Die unterschieden sich jedoch schon aufgrund ihrer Biologie von den "echten" Fraueninteressen, unter anderem auch, da viele transgeschlechtliche Frauen einen Penis hätten. Im Text benannte sie sogar eine damals 19-jährige Nachwuchspolitikerin namentlich und mit ihrem Alter als Beispiel.
Dass es in der akademischen Philosophie keine Positionen gäbe, die "gender-critical" seien, beklagte Stock in dem Essay. Die Zurückweisung der Argumente solcher "radikalfeministischer" Positionen durch Philosoph*innen sei jedoch voreilig.
Wenn der Ausdruck der Transphobie "überhaupt etwas […] bedeute", so Stock an anderer Stelle im Text, dann Hass oder Vorurteile gegenüber Menschen, einfach nur, weil sie trans seien. Solche Gefühle fänden sich ihrer Beobachtung nach bei "gender-critical feminists" allerdings kaum, sondern meist "ehrliche Wut" über die Ungerechtigkeiten und Verletzungen von cis Frauen. Die würden daraus resultierten, würde man "die Grenzen so ziehen, dass sie trans Frauen als Frauen inkludieren". Entsprechend seien solche Positionen auch gar nicht transphob.
Dass andere Philosoph*innen nicht auf die selben Gedanken wie Stock kämen, läge unter anderem daran, wie das Like-System von sozialen Medien funktioniere, dass sich niemand auf die Seite eines Donald Trump schlagen wolle oder weil Philosoph*innen schlicht Angst hätten.
Auch Protest von Kolleg*innen
Im Dezember 2020 war Stock für ihren Dienst an der akademischen Bildung mit dem Orden des British Empire ausgezeichnet worden. Gegen ihre Ernennung protestierten jedoch 600 akademische Philosoph*innen, da sie Stock für die Marginalisierung transgeschlechtlicher Menschen mitverantwortlich machten.
Anlässlich Stocks Einladung, 2019 eine Rede bei der Aristotelischen Gesellschaft über ihre Ansichten zum Thema "Geschlechtsidentität" zu halten, kritisierte die Organisation "Minorities and Philosophy" die Einladung.
Nicht jeder Gegenstand persönlicher und ideologischer Obsession sei es, so eine Erklärung der Vereinigung, wert, philosophisch zu debattiert werden. Im Besonderen stehe Skeptizismus gegenüber den Rechten marginalisierter Gruppen und Individuen, bei dem Fragen von Leben und Tod auf dem Spiel stünden, nicht zur Debatte.
In Großbritannien verwehren sich seit Jahren öffentliche Persönlichkeiten und Medien dagegen, transgeschlechtlichen Menschen ihre Rechte zu gewähren. Jüngster Höhepunkt war ein transfeindlicher Artikel auf der Webseite der "BBC" (queer.de berichtete). In Reaktion darauf erschien ein offener Brief, den Tausende unterschrieben. Twitter-Nutzer*innen solidarisierten sich mit den angegriffenen Frauen unter dem Hashtag #CisWithTheT.
Die Gleichstellungsministerin Kemi Badenoch sagte im selben Interview mit Sky News auch, dass der "Black History Month" zu einem "Racism History Month" werde. Das begründete sie damit, dass der Monat genutzt würde, um politische Forderungen "einzuschmuggeln", die nicht "britisch" seien, etwa die nach der Kürzung finanzieller Mittel von Polizeien.

















Ich fürchte, das wird auch in Deutschland noch weitere Wellen schlagen und das Lager Transfeindlicher stärken.
Harte Zeiten.
Ceterum censeo: Wir brauchen ein echtes uneingeschränktes Selbstbestimmungsgesetz.