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Heimkino
Das Leid spiegelt sich in den Gesichtern
Für die Doku "Paragraph 175" stellten sich im Jahr 1999 die letzten schwulen KZ-Überlebenden vor der Kamera ihrem Schmerz. Jetzt läuft der bewegende Film, der eine historische Lücke schloss, im Salzgeber Club.

Filmstill aus "Paragraph 175" (Bild: Epstein / Friedman)
- 18. November 2021, 11:07h 3 Min.
Die Verfolgung von Homosexuellen während der Zeit des Dritten Reichs ist ein Kapitel deutscher Geschichte, das im Bewusstsein der Öffentlichkeit jahrzehntelang keinen Widerhall gefunden hat. In der Aufarbeitung des nationalsozialistischen Terrors wurde das Thema geflissentlich nicht beachtet und die Opfer hüteten sich lange, aus Angst vor Repressalien, an die Öffentlichkeit zu gehen.
Mit Rob Epstein (Oscar-Gewinner 1987 für "The Times of Harvey Milk") und Jeffrey Friedman (gemeinsam mit Epstein Teddy-Gewinner 1996 mit "The Celluloid Closet") haben sich die wohl bekanntesten schwulen Dokumentarfilmer vor über 20 Jahren des Themas erstmals angenommen.
Anlässlich der Premiere von "The Celluloid Closet" waren beide 1997 in Amsterdam, wo sie die Bekanntschaft mit dem deutschen Historiker Dr. Klaus Müller machten, damals European Project Director des U.S. Holocaust Memorial Museums. Klaus Müller forschte seit 1990 nach schwulen Überlebenden der Nazi-Verfolgung und schlug den Regisseuren eine Zusammenarbeit vor, dieses nicht beachtete Kapitel der Geschichte einer breiten, internationalen Öffentlichkeit bekannt zu machen und Zeitzeugen zu suchen – eine Aufgabe, die sich angesichts der zeitlichen Distanz als schwierig erwies.
Die letzten Zeitzeugen vor der Kamera
Überzeugt, diese Geschichte würde unwiederbringlich verloren gehen, wenn nicht rasch die Berichte der Überlebenden in Bild und Ton festgehalten werden, taten sich Epstein und Friedman mit den beiden Produzenten Janet Cole und Michael Ehrenzweig zusammen, um das Projekt zu lancieren. Nachdem mit Hilfe der Berlin-Brandenburg Film Förderung, britischer und amerikanischer Fernsehsender sowie eine Reihe privater Förderer eine Finanzierung gesichert war, begannen im Oktober 1997 die Dreharbeiten. Bis 1998 wurde in Deutschland, Spanien, Frankreich und England gedreht.
Fünf schwule Männer, alle weit über 90, waren bereit, über ihre Erlebnisse und traumatischen Erinnerungen zu berichten: Ausgehend von der leicht optimistischen Stimmung im Berlin der "Goldenen Zwanzigern", in der das "dritte Geschlecht" in den ersten Homo-Kneipen nach Erfüllung suchte, münden die Erzählungen der Zeitzeugen in jener Zeit, als die Illegalität und die Verfolgung des Homosexuellen als Abartigen bittere Realität wurde.
Es kam anders, als die Schwulen glaubten
Was in der Berliner Freikörperkultur und Pfadfinder-Bewegung zaghaft, aber im Versteckten ausgelebt wurde, endete in Verurteilung, nach dem der Paragraf 175 des Reichsstrafgesetzbuches homosexuelle Handlungen in den Dreißigerjahren unter strenge Strafe stellte: Dass Hitler mit Röhm bis 1934 ein schwuler Berater zur Seite stand, hatte das falsche Sicherheitsgefühl gefördert. Es kam anders, als die Schwulen glaubten. Während Juden mit einem Stern "markiert" wurden, war der rosa Winkel im KZ die Brandmarkung des Homosexuellen.

Filmstill aus "Paragraph 175" (Bild: Salzgeber)
Eindringlich sind die Schilderungen aus den Konzentrationslagern, wie etwa Freundespaare, die den gewaltsamen Tod des anderen mit ansehen mussten. Auf die optische Illustration wurde bewusst verzichtet: Leid spiegelt sich in den Gesichtern.
So ist denn der Charakter des Films "Paragraph 175" sehr stark durch die Einzelschicksale des Fotografen Albrecht Becker, des Buchautoren Gad Beck, des Autors Heinz Dörmer ("Alles nur wegen der Jungs") und des nach des Annexion Frankreichs inhaftierten Pierre Seel geprägt. Einzelschicksale, die eindringlich beschreiben, welch ungeheures Unrecht den schwulen und bisexuellen Männern widerfahren ist. Mit Annette Eick kommt auch eine lesbische Jüdin zu Wort.
Parallel zum Kinostart des Paragraf-175-Dramas "Große Freiheit" zeigt der Filmverleih Salzgeber den Teddy-Gewinner von 2000 als Video on Demand im Salzgeber Club. (cw/pm)
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Paragraph 175. Dokumentarfilm. USA 1999. Regie: Rob Epstein, Jeffrey Friedman. Erzähler: Rupert Everett. Laufzeit: 75 Minuten. Sprache: englisch-französisch-deutsche Originalfassung, teilweise mit deutschen Untertiteln. FSK 16. Ab 18. November 2021 als Video on Demand im Salzgeber Club
Links zum Thema:
» "Paragraph 175" als Video on Demand im Salzgeber Club
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