10 Kommentare
- 25.11.2021, 14:06h
- Ein interessanter Bericht, auch durch die große Lebenserfahrung der Interviewten und auch wegen des unerwarteten Kontextes der Adenauer-Stiftung. Ich werde mir das gern im Original auf you tube ansehen.
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- 26.11.2021, 06:37hHamburg
- Sie erinnert mich an Heike. Das war einer ältere Frau, die jeden Samstag in einer Kneipe in meiner Nachbarschaft zum Frühschoppen kam und dort richtig aufblühen konnte. Den Rest der Woche fuhr sie als Getränkefahrer Bier für eine Brauerei aus. Erst mit der Rente konnte sie endlich ganz Frau sein. Einige Stammgäste waren zwar etwas irritiert, das der Bierkutscher von Mittwoch der selbe Mensch ist, wie die fröhliche Frau am Samstag, aber sie wär trotzdem beliebt und voll akzeptiert. War allerdings in Hamburg St. Pauli.
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- 26.11.2021, 09:21h
- Das Interview ist wirklich beeindruckend, klug und sensibel, auch von der Moderatorin gut geführt. Schwere und belastende Themen hat Georgine Kellermann ernsthaft und klar, aber mit einer warmherzigen, sensiblen und souveränen Leichtigkeit beantwortet. Da steckt viel Lebenserfahrung und -kunst dahinter.
In Bezug auf das Verhältnis von trans Menschen und cis Menschen sehe ich, dass es noch viel Redebedarf gibt. Solche Formate wären da sehr hilfreich. Nicht jede*r hat das Charisma, sich zu exponieren und die vielleicht tausendmal gestellten Fragen zu beantworten und trotzdem ist es hilfreich.
Z.B. hat mich die Antwort auf die Frage, was für Frau Kellermann eigentlich Frau-Sein ausmacht, etwas überrascht. Denn viele Aspekte, wie z.B. Empathiefähigkeit, einen eher fürsorglichen Blick auf die Menschen und manches andere würde ich auch schwulen Männern zuschreiben. Daran könnten sich viele gute und interessante Gespräche anknüpfen, wie wir als Menschen in dem Spektrum des "männlichen, maskulinen" und "weiblichen, femininen" verorten. Es gilt, da eine ganz neue Sprache und Begrifflichkeit auszuprobieren, auch um Missverständnisse beim Sich-Lesen zu vermeiden. Denn einerseits braucht es Klarheit (und trans Menschen betonen da ihre Eindeutigkeit) , andererseits fassen wir in der Gesellschaft die Begriffe "männlich / weiblich" nicht mehr in so enge Grenzen. Und es gibt ja auch die nicht-binären Menschen.
Am deutlichsten wurde mir Kellermanns Frausein in ihrem ehrlichen Wunsch, Kinder gebären zu können, wobei es für mich unerheblich ist, ob es ihr physisch möglich ist oder nicht. Das hätte ein Mann nicht so formuliert. Hilfreich fand ich auch, dass sie die Schauspielerin Rhea Seehorn als Vorbild nannte. Wo sie es sagte, konnte ich da Ähnlichkeiten erkennen, und besser und klarer verstehen, welche Art von Weiblichkeit in der "Verpackung" steckt - und dann plötzlich auch sehen.
Gerade wenn man Kellermann mit den schwulen cis Männern vergleicht, die mit ihren weiblichen Anteilen spielen (was o.K. ist und seine eigene Berechtigung hat) , fällt auf, dass Kellermann nie spielt und in Gestik und Mimik nicht versucht, auf Deubel komm raus klischeehaft-feminin zu wirken. Sie kleidet sich wie eine Dame, das genügt. Das wird ihr nach außen hin, in den Medien hin das Passing nicht immer erleichtern, aber, wenn man sich da ein bisschen drauf eingestellt hat, ist es eben viel fraulicher, weil selbstverständlich.
Ich wünsche mir noch viele solcher "Lesehilfen", die vermutlich einiges an Passing-Druck von der trans Community nehmen würden. - |
- 28.11.2021, 00:23h
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Begibts du dich nicht in gefährliches Fahrwasser, wenn du sagst, es geht um Souveränität und Charisma?
Man kann die Validität von Menschen, doch nicht danach bewerten, wie geschickt und eloquent sie Fragen beantworten und Argumente vorbringen.
Ich kann das zum Beispiel nicht, trotzdem bin ich nicht weniger valide als Frau Kellermann.
Wieso überrascht es dich, dass sie auf die Frage nach dem Frau-Sein typisch weibliche Eigenschaften nennt? Das sind gängige Vorstellungen in der Gesellschaft. Meine Therapeutin hat mal an einem Seminar teilgenommen, bei dem es hieß "Beschreiben Sie ihr Geschlecht, ohne sich auf körperliche Merkmale zu beziehen."
Das Ergebnis war, die Teilnehmer haben sich alle mit typischen Eigenschaften für ihr Geschlecht beschrieben. Im Feedback wurde das aber in Frage gestellt. Zum Beispiel kann ein Mann genauso einfühlsam oder fürsorglich sein.
Das Seminar endete in Ratlosigkeit, bzw. in der Erkenntnis, dass allein die Selbstbestimmung etwas über das Geschlecht aussagt.
Ich bin eine Frau. Es braucht kein, ich bin eine Frau, weil ich dies oder das bin.
Ich kann dir genauso viele weibliche, wie männliche Eigenschaften an mir aufzählen. Und macht mich das jetzt weniger valide? Bin ich jetzt weniger Frau? Nö, warum sollte es?
Interessant, dass du das Frau-Sein und Kinder kriegen in Verbindung bringst. Hier wird natürlich dem Biologismus in die Hände gespielt.
Weißt du, es gibt genug Frauen, die wollen keine Kinder bekommen und dafür werden sie offen angefeindet. Als wenn es der Daseinszweck von Frauen wäre Kinder zu bekommen. Und die Frauen, die sich dieser Vorgabe entziehen und es öffentlich aussprechen, werden deffamiert. Als wenn es für eine Frau unnormal wäre keine Kinder zu bekommen.
Kannst ja mal erzählmirnix zu dem Thema befragen.
erzaehlmirnix.wordpress.com/
Und dann gibt es auch noch Menschen, die können sich nicht fortpflanzen. Ich zum Beispiel, ich bin von Geburt an unfruchtbar. Vor einer Transition werden nämlich auch Familienplannung und Kinderwunsch besprochen und ja, bei den Untersuchungen kam das dann raus. Damit hatte sich der Kinderwunsch von mir und meiner Frau erledigt. Der Wunsch ist noch da und es belastet mich noch immer. Es ist auch nichts worüber ich reden kann, ohne das mir die Tränen kommen, aber an den Tatsachen kann ich nichts ändern.
Wer sich zu dem Thema eine diffenzierte Meinung bilden will, sollte sich dann mal mit Frauen auseinandersetzen, die keine Kinder bekommen wollen und Frauen, die keine Kinder bekommen können oder Fehlgeburten hatten.
Da steckt jedenfalls mehr dahinter als ein paar oberflächliche Aussagen.
Ehrlich jetzt? Meinst du wirklich, dass transgeschlechtliche Frauen es nötig haben "auf Deubel komm raus klischeehaft-feminin zu wirken."
Verwechselt du uns irgendwie mit Dragqueens?
Ich habe mir irgendwelche Gedanken über meine Gestik oder Mimik gemacht. Ich bin ich, dass reicht völlig aus. Ich habe nie überlegt, ob ich mich weiblicher verhalten muss. Ich verhalte mich wie ich und das wird scheinbar weiblich gelesen.
Genauso interessiert es mich eigentlich auch nicht, was andere von meiner Kleidung halten. Meistens trage ich Röcke und Shirts. Wenn es zu kalt wird, dann Jeans und Pullover.
Make-up benutze ich auch nicht viel, ein bißchen was zu abdecken und Mascara und Eyeliner. Als Brillenträgerin ist das besser, sonst sieht es aus als hätte ich Knopfaugen.
Manchmal glaube ich echt, ich muss mich doch noch bei Instagram anmelden, um mit Videos und Bilder zu mindestens mal die Basics zu erklären.
Aber ich habe keinen Bock auf die ganzen Hasskommentare und Morddrohungen.
Ach ja, und meine cisgeschlechtliche Ehefrau hasst Röcke, Make-up, Schmuck, Schuhe mit Absätzen, die Farbe Rosa, Einhörner und sitzt immer breitbeinig. Wir haben noch nie etwas auf Rollenklischees gegeben. - |
- 29.11.2021, 11:20h
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Begibts du dich nicht in gefährliches Fahrwasser, wenn du sagst, es geht um Souveränität und Charisma?
Showqualitäten besagen nicht, dass die Aussagen dadurch "valider" sind, aber das steht für mich gar nicht zur Debatte. Ich zweifle weder Deine noch Kellermanns Aussagen an, sondern es geht mir darum, wie Kellermann mit dem von ihr gewählten Medium umgeht. Das macht sie hervorragend.
Ich mache hier nur Aussagen über Frau Kellermann, weil sie sich bewusst exponiert und über "Sichtbarkeit" auch Botschaften transportieren will. Andere trans Frauen können völlig anders sein und sich völlig anders repräsentieren. Das macht sie nicht weniger oder mehr "valide".
Zu Deiner Anmerkung, das "Spiel" mit der Femininität betreffend:
Es sind eher die Dragqueens (also meist schwule cis-Männer), die die Lust und das Bedürfnis haben, in Kleidung und Gestik spielerisch weibliche Klischees zu bedienen. Da unterscheidet sich Georgine Kellermann als trans Frau eben klar und macht eben deutlich, dass sie das nicht nötig hat und auch nicht braucht. Sie hat erkennbar auch keinen Druck, ihr "Passing" irgendwelchen Erwartungen anzugleichen. Das empfinde ich als sehr gelungen und authentisch.
Andere trans Frauen, die wie Kellermann lange in einer männlichen Rolle in der Öffentlichkeit gestanden haben, und sich über Jahrzehnte eine sehr männliche Gestik haben antrainieren müssen (Kellermann spricht in dem Interview über ihre Sozialisation und dass das bei ihr der Fall war) , würden vielleicht stärker daran arbeiten wollen, dass bei einer Performance zu korrigieren. (z.B. weniger raumgreifende Gesten zu machen, da diese weniger feminin wirken). Das wäre auch legitim, egal, ob sie es wegen des Passings machen oder weil sie es eben mögen, gestisch besonders zierlich zu wirken. Aber Frau Kellermann ist da nonchalant, weil es ja eben auch cis Frauen gibt, die raumgreifende Gesten machen.
Ich hoffe, Du kannst so besser nachvollziehen, wie ich meine Aussagen meine.
Es kann bei dem Sprechen über Weiblichkeit und Männlichkeit, Femininität und Maskulinität Trans- Cis- Geschlechtlichkeit, Sein und Repräsentation kein einfaches, ungefährliches Fahrwasser geben. Wenn man da auf die eine oder andere Sandbank gerät, versuche ich, den Kahn wieder flott zu kriegen. - |
- 29.11.2021, 19:32h
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Vielleicht musst du deine Aussagen mehr auf den Punkt bringen. Das ist zu mindestens mein Eindruck.
Aber wie dem auch sei, wer regelmäßig vor Publikum steht oder vor der Kamera, wird natürlich souverän mit der Situation umgehen. Das bringt natürlich der Beruf mit sich. Wer das zum ersten Mal macht oder nicht regelmäßig, ist nicht so souverän.
Ich war auch schon in der Situation, dass ich an Vorlesungen zum Thema geschlechtliche Vielfalt teilgenommen habe und von meinen Erfahrungen berichten konnte, oder auch Interviews in Seminaren gegeben habe.
Aber frag nicht wie aufgeregt ich dabei war.
Also ich spiele bestimmt nicht mit irgendwelchen Klischees. Das wäre mir auch viel zu aufwendig, ich will einfach nur ich sein.
Wenn ich etwas mache, dass extrem weiblich ist oder Klischees bedient, dann kriege ich das meist nicht mal mit. Zum Beispiel hab ich wohl einen Augenaufschlag, der Männer anspricht. Ich hab nie darüber nachgedacht, oder so.
Und mit Blick auf die Situation von oben, wie soll ich mich auf irgendwas konzentrieren, was Gestik oder Mimik angeht, wenn mir das Herz bis zum Hals schlägt? - |
- 29.11.2021, 23:53h
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"Vielleicht musst du deine Aussagen mehr auf den Punkt bringen."
Das würde ich auch gern, aber bei diesem Thema suche ich beim Schreiben nach Worten und Begriffen, welche die verschiedene typische Lesarten, z.B. von Lesben, Schwulen, trans- und cis-Männern berücksichtigen und zumindest nicht missverständlich sind. Ich finde das echt nicht leicht und mache es mir auch nicht leicht. Das gerät dann manchmal zum Eiertanz :-/
Was das Thema Präsentation angeht, kann ich nur aus eigener Erfahrung sehr empfehlen, da mal einen Kurs oder Workshop zu machen (Volkshochshulen z.B. bieten Kurse zum Präsentationstraining an, aber Theaterworkshops oder Angebote zum Camera acting gehen sind auch empfehlenswert, da Schauspieler manchmal etwas weniger in Schablonen denken.) So was kann enorm helfen beim Kommunizieren mit dem Körper und auch, um sich zu erden und um sich besser zu zur Ruhe zu bringen vor Leuten - und macht auch oft viel Spaß. ich denke, Frau Kellermann hat sich auch ein paar kleine Tricks zurechtgelegt, zum Beispiel - scheint es mir - legt sie manchmal die Hände auf eine schöne Art ineinander, wenn sie sich innerlich etwas zur Ruhe bringt. Das ist ein Trick, macht sie aber nicht unauthentisch. - |
- 01.12.2021, 00:22h
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Natürlich ist es nicht immer leicht alles auf den Punkt zu bringen.
Ich denke mal, man sollte auch nicht immer alles hinterfragen im Bezug auf transgeschlechtliche Menschen. Das heißt doch wir müssen uns wieder rechtfertigen, oder denken das zu mindestens. Ganz einfach, weil das unsere alltäglichen Erfahrungen sind.
Ich würde sagen, genau zu hören und dann das Gehörte anwenden.
Für dich mag das alles komplex sein, aber für mich ist das eher alltäglich.
Na ja, unterschiedliche Gehirne und so.
Klar könnte ich so etwas machen, aber wozu?
Ich bin so und will gar nicht anders sein. Das Feedback nach meinen Erzählungen und Interviews war ja positiv.
Also bin ich vielleicht nicht souverän, aber ich bin zugänglich. - |
- 01.12.2021, 09:25h
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"Ich denke mal, man sollte auch nicht immer alles hinterfragen im Bezug auf transgeschlechtliche Menschen. Das heißt doch wir müssen uns wieder rechtfertigen, oder denken das zu mindestens."
Meistens sind die Menschen ja mit sich selbst beschäftigt, ich schließe mich da mit ein :-) Ich würde mal sagen, dass es bei 80% der Aussagen, die cis Menschen über trans Menschen machen, darum geht, dass sie sich mit der eigenen Geschlechstidentität, über die sie sich sonst nie Gedanken machen müssen, auseinandersetzen. Wie so ein Tausendfüßler den man fragt, ob er das 50. rechte Bein schneller bewegt als das 780. linke Bein und der dann ins Stolpern kommt. Lass uns cis Menschen da vor uns hin stolpern ...
"Also bin ich vielleicht nicht souverän, aber ich bin zugänglich."
Das ist doch ausreichend. :-) Außerdem erhöht ein bisschen Lampenfieber die Konzentration. - |