Die CSU-Politikerin Silke Launert tritt in die Fußstapfen ihres Parteifreundes Norbert Geis (Bild: Deutscher Bundestag / Achim Melde)
Déjà-vu in der politischen Debatte: Wieder einmal zeichnen Konservative und der extreme rechte Rand das Horrorszenario an die Wand, dass Linke und Liberale die Ehe abschaffen wollen – dieses Mal wird nicht nur mit homophoben, sondern auch vermehrt mit ausländerfeindlichen Klischees hantiert.
Konkret geht es dabei um das Konzept der Verantwortungsgemeinschaft. Im vergangene Woche vorgestellten Ampel-Koalitionsvertrag heißt es: "Wir werden das Institut der Verantwortungsgemeinschaft einführen und damit jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglichen, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen." Das Konzept beruht insbesondere auf einer Idee der FDP: Damit sollen zwei oder mehr Personen flexibel Verantwortung füreinander übernehmen können.
Bereits mehrfach hatten die Liberalen das Konzept ins Gespräch gebracht. In einem FDP-Antrag aus diesem Jahr hieß es etwa: "Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Generationen, Wahlverwandtschaften und andere enge Beziehungen zu einem oder mehreren Menschen, zu denen kein Verwandtschaftsverhältnis besteht, gewinnen in einer alternden Gesellschaft an Bedeutung." Dabei ginge es laut den Liberalen nicht nur darum, dass diese Paare Steuervergünstigen erhalten, sondern auf Eigenverantwortung zu setzen: "Die gegenseitige Übernahme von Verantwortung entlastet auch den Staat, insbesondere bei den sozialen Sicherungssystemen."
Viele rechte Politiker*innen nutzen dieses Projekt für homo- und islampophobe Propaganda. Die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben im Ehe-Recht sei etwa nur ein Zwischenstopp für "eine Legitimierung der islamischen #Vielehe", warnte etwa der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Renner aus Nordrhein-Westfalen. Und am Ende stünde die "Kinderehe".

Selbst die Union macht bei dieser Panikmache mit. In der "Bild"-Zeitung warnte am Dienstag etwa die CSU-Bundestagsabgeordnete Silke Launert aus Bayreuth: "Es droht die Gefahr, dass hier ein Einfallstor für Viel-Ehe geschaffen wird." In einer Pressemitteilung hatte sie bereits vor einigen Tagen zu der Thematik erklärt, dass eine "Ehe light" drohe, die zu einer "Entkernung des verfassungsrechtlich geschützten Instituts der Ehe" führen könne. "Ein reines 'Wünsch-dir-Was', in dessen Rahmen die Vorteile gerne mitgenommen, die einhergehenden [Nachteile] aber ausgespart werden sollen, lehnen wir als CSU ganz klar ab!", so Launert weiter.
Dabei ignorierte die Christsoziale freilich, dass sich der Staat nach diesem Konzept teilweise aus der Verantwortung zurückzieht, wenn Menschen diese füreinander übernehmen. Zudem verband sie das Thema direkt mit anderen queerpolitischen Projekten, etwa mit der geplanten Legalisierung der Eizellenspende für lesbische Paare, und nannte das Ganze "besorgniserregend".
Die panikartigen Reaktionen erinnern an die Einführung von eingetragenen Partnerschaften 2001 – 20 Jahre später heiraten trotz apokalyptischer Vorhersagen von konservativen Vordenkern aber immer noch verschiedengeschlechtliche Paare gerne. Auch nach der Öffnung der Ehe 2017 gab es teils haarsträubende und von Homosexuellenhass triefende Begründungen, warum Abgeordnete für eine Beibehaltung des Ehe-Verbots für Schwule und Lesben gestimmt hatten – teilweise sogar mit Tiervergleichen (queer.de berichtete). Die ersten Reaktionen von Union und AfD auf den Ampel-Koalitionsvertrag lassen befürchten, dass diese Parteien nach wie vor mehr als gewillt sind, Homophobie als Teil ihres Oppositions-Arsenals zu nutzen.
Als ob die Welt durch das ELPG 2001 und die Ehe für Alle 2017 kausal untergegangen wäre....unglaublich, wie verbohrt manche Leute sein können.