Noch halten sich Transhasser*innen mit ihrer Meinung zu der vergangene Woche bekannt gewordenen Aufnahme eines Selbstbestimmungsgesetzes in den Ampel-Koalitionsvertrag auffallend bedeckt. Links wie rechts, vor allem aber lechts wie rinks, scheint man sich noch zu sammeln.
Das Alice-Schwarzer-Magazin "Emma" etwa würdigte die Reform, gegen die die Zeitschrift Sturm gelaufen war, im Kurzkommentar "Koalitionsvertrag: Und die Frauen?" mit keinem einzigen Wort. Stattdessen zeigt man sich ganz offen überrascht davon, wie viel Positives für die Geschlechtsgenossinnen im Text steht. Puh. Es ist journalistische Recherche am Limit, die die Kolleginnen da regelmäßig abliefern.
Eine ganz andere Gefahrenwitterung hat jedoch der SPD-Politiker sowie ehemalige Finanz- und Bildungsminister Mecklenburg-Vorpommerns, Mathias Brodkorb. Der gegenwärtige Aufsichtsratschef der Universitätsmedizin Rostock und Greifswald im Bildungsministerium warnte jüngst in dem für seine rechtslastigen Beiträge oft kritisierte Magazin "Cicero" vor dem Vorhaben, das zu Ungunsten von Frauen und Lesben gehe.
"Geschlechtswechsel" nur ein mal pro Jahr?
Im Beitrag demonstrierte der SPD-Mann, dass er die Sache mit dem Selbstbestimmungsgesetz im Speziellen und transgeschlechtlichen Menschen im Allgemeinen zwar immer noch nicht so richtig verstanden hat, aber trotzdem dagegen ist. So schreibt Brodkorb, die neue Bundesregierung wolle "Geschlechtsumwandlungen" und die "Geschlechterwahl" erleichtern.
Geplant sei, dass Bürger*innen "selbst entscheiden können", wessen Geschlecht sie sind. Dabei liegt das Problem, das trans Menschen haben, ja gerade im Gegenteil: Sie können ihr Geschlecht eben nicht ihrem körperlichen Zustand anpassen, also in ein für sie zurückweisungs- und diskriminierungsärmeres Geschlecht "wechseln".
Doch Brodkorb ließ sich in seiner Wahrnehmung, hier werde wild und höchst willkürlich zwischen Geschlechtern hin und her gewechselt, nicht irritieren. Die Ampelkoalition wolle außerdem noch festlegen, warnte er, wie oft Bürger*innen ein solches Wechseln zuzugestehen wäre. Bei einem einmaligen "Geschlechtswechsel" pro Jahr soll der Kompromiss der Ampelparteien gegenwärtig liegen. Und wer, wenn nicht ein SPD-Mann, sollte so ein geheimstes Geheimwissen aus den Ampel-Koalitionsverhandlungen haben? Eben.
Um das Selbstbestimmungsgesetz war im abgelaufenen Jahr bereits viel Streit entbrannt. Das hat auch Brodkorb mitbekommen. Den Streit verstanden hat er allerdings wohl auch nicht so richtig. Im Kern der Auseinandersetzungen stehe, erklärte der SPD-Politiker unverzagt, "dass das Geschlecht immer öfter nicht mehr als zumindest auch biologische Tatsache, sondern als allein kulturelles und rein persönliches Bekenntnis verstanden wird".
Für Leser*innen, die diese sehr philosophische Formulierung womöglich noch nicht recht verstehen konnten, hatte er anschließend eine Übersetzung parat. Der erste Fall, also Geschlecht als auch biologische Tatsache verstanden, setze im Falle von trans Menschen "eine Operation" voraus. Im anderen Fall, dem kulturellen, reiche "eine Willenserklärung", "ein bloßer Sprechakt". Was die Medizin heutzutage alles kann, Wahnsinn.
Ambivalentes Verhältnis zum "radikalen Feminismus"
Unverständnis hat Brodkorb für "die queere community" übrig. Die feiere das Vorhaben eines Selbstbestimmungsgesetzes gegenwärtig "euphorisch". Verständnis kann der SPD-Mann jedoch für die andere Seite aufbringen, die "radikal-feministische Lesbenszene". Die könne bald nicht mehr "sinnvoll" für "Frauen- und Lesbenrechte" kämpfen, da sich "die Geschlechterordnung" auflöse.
Bekanntermaßen wollen diese Feminist*innen immer irgendwie für Frauen- und Lesbenrechte kämpfen und wenn ihnen das, wogegen sie da kämpfen, abhanden kommt, man also gar nicht mehr ordentlich was bekämpfen kann – wäre nicht auch das irgendwie ein Verstoß gegen Frauenrechte?
Dabei sollte das Verhältnis des SPD-Mannes und der "radikal-feministischen Lesbenszene" zueinander eigentlich eher angespannt sein. Im September rügte der Deutsche Presserat Brodkorb und Cicero für deren "verdeckte Recherche" bei besagten "radikalen Feministinnen". Unter der ziemlich feministischen Überschrift "Mein erstes Mal" hatte Brodkorb vom diesjährig maßgeblich von Trans-Hasserinnen beeinflussten Lesbenfrühlingstreffen berichtet, ohne sich bei seiner Anwesenheit in den Veranstaltungen als Mann erkennen zu geben. Er hat sich als Frau verkleidet.
Nicht nur das: Eine zuvor erbetene Presseakkreditierung war Brodkorb sogar von den Veranstalter*innen explizit verweigert worden. Man wollte ihn schlicht nicht dabei haben. Doch von Weibsbildern, Entschuldigung, Frauen und Lesben lässt man sich natürlich nichts sagen, wenn es darum geht, Frauen und Lesben vor zudringlichen Männern in Frauenkleidern zu schützen. Schließlich folgt guter Journalismus auch einem gewissen Berufsethos.
Und so nahm Brodkorb trotzdem an den online ausgerichteten Veranstaltungen teil. Als "Uschi". Und berichtete hinterher ausführlich darüber. Zum Beispiel über eine Teilnehmerin, eine 75-jährige Bremerin. Die habe auf dem LFT bekannt, nach der Bundestagsdebatte um das im Mai zunächst gescheiterte Selbstbestimmungsgesetz "zwar 'noch' Mitglied der Grünen zu sein", sich aber eigentlich "nur vom Redebeitrag des CSU-Abgeordneten angesprochen gefühlt" zu haben.
Zustimmung hatte Brodkorb auch für eine Rednerin des LFT übrig, die in ihrem Beitrag "die Absurdität der Butlerschen Position" auf den Punkt gebracht habe. Gemeint war die, übrigens lesbische, Philosophin Judith Butler, die in den 90er Jahren mit ihren Arbeiten zu Geschlecht großen Einfluss gehabt hat.
Doch in denen ging es gar nicht, wie Brodkorb im selben Text behauptete, um "die argumentative Grundlage für ein solches Hin- und Herwandern zwischen den Geschlechterwelten", sondern um den Konstruktionsmodus von Geschlecht generell – also im Großen und Ganzen überwiegend um cis Männer und cis Frauen. Das aber haben die beiden womöglich nicht so richtig...
Ich verstehe echt überhaupt nicht, was dieser Artikel über einen komplett irrelevanten SPD-Landespolitiker hier auf dem Portal zu suchen hat.