Das ungarische Parlament hat am Dienstag mit den Stimmen der rechtsnationalistischen Regierungspartei Fidesz-KDNP von Ministerpräsident Viktor Orbán ein gegen die LGBTI-Gleichbehandlung gerichtetes Referendum beschlossen. 129 der 199 Abgeordneten stimmten für vier Referendumsfragen, die sich mit Sexualkunde in den Schulen und LGBTI-Inhalten in den Medien beschäftigen. Es gab keine Gegenstimme, weil die Opposition die Abstimmung boykottierte.
"Die ungarische Regierung ist der Ansicht, dass die Bürger eine Chance haben sollten, ihre Meinung zu Fragen der Gender-Propaganda vorzutragen", erklärte Staatssekretär Balázs Orbán im Parlament. "Wir sagen Nein zu LGBT-Propaganda in Schulen mit Hilfe von Nichtregierungsorganisationen und den Medien und ohne Zustimmung der Eltern." Das Referendum werde voraussichtlich am selben Tag wie die ungarischen Parlamentswahlen abgehalten, die 2022 stattfinden werden. Die Kosten des Referendums würden demnach 5,5 Milliarden Forint (15,1 Millionen Euro) betragen.
Ministerpräsident Viktor Orbán hatte das Referendum bereits im Sommer angekündigt (queer.de berichtete). Damit wolle er ein kurz zuvor beschlossenes international scharf kritisiertes Gesetz gegen "Homo-Propaganda" legitimieren (queer.de berichtete). Dieses besagt nach russischem Vorbild, das Jugendlichen der Zugang zu allem untersagt wird, in dem "Geschlechtsidentität abweichend vom bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht, Geschlechtsoperationen und Homosexualität dargestellt und beworben" wird. Die EU-Kommission hat deshalb bereits ein Verfahren gegen Ungarn eröffnet, weil das Gesetz die von der Europäischen Union garantierten Grundrechte einschränke (queer.de berichtete).
Die LGBTI-feindliche Haltung der ungarischen Regierung wird von großen Teilen der Bevölkerung unterstützt. Laut einer Eurobarometer-Umfrage aus dem Jahr 2019 lehnt eine Mehrheit die Gleichbehandlung von Homosexuellen ab (queer.de berichtete).
Mit dem Referendum will der politisch unter Druck stehende Orbán offenbar seine LGBTI-feindliche Basis an die Wahlurnen locken. Hintergrund ist, dass die Opposition ein Bündnis gegen die Orbán-Regierung geschlossen hat und laut Umfragen den seit 2010 regierenden Rechtspopulisten ablösen könnte – und das, obwohl Orbán die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen und einem großen Teil der privaten TV- und Radiosender kontrolliert. Der Regierungschef inszeniert sich als Verteidiger nationaler und christlicher Werte gegen die angeblich westliche Dekadenz. Unterstützung für diesen antieuropäischen Kurs erhält er von der mächtigen katholischen Kirche (queer.de berichtete). (dk)