Die SPD hat am Montagvormittag als letzte der Ampelparteien ihre Bundesminister*innen vorgestellt. Neben dem gesetzten Kanzler Olaf Scholz bleibt Hubertus Heil wie erwartet Arbeitsminister. Die Hessin Nancy Faser wird als erste Frau Innenministerin, Karl Lauterbach übernimmt von Jens Spahn das Gesundheitsministerium, die jetzige Umweltministerin Svenja Schulze wird Entwicklungsministerin, SPD-Vize Klara Geywitz Bauministerin und der Scholz-Vertraute Wolfgang Schmidt Kanzleramtsminister. Zudem übernimmt die von der queeren Community – sogar von SPDqueer – viel kritisierte Ex-Justizministerin Christina Lambrecht die Hardthöhe – nach Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer als dritte Frau in Folge. Die sozialdemokratischen Staatssekretäre sind bislang nicht benannt worden.
Damit ist klar, dass kein einziger offen queerer Minister und keine offen queere Ministerin am Kabinettstisch sitzen wird. In der letzten Bundesregierung war Jens Spahn als offen schwuler Minister vertreten.
An der Besetzung gibt es einige Kritik. So erklärte Ulle Schauws, die queerpolitische Sprecherin des SPD-Koalitionspartners Grüne, in einem an Olaf Scholz gerichteten Tweet: "Versprechen gegeben + nicht gehalten". Es seien weniger als die Hälfte der Kabinettsmitglieder Frauen, da er sich nicht als Kanzler mitzähle. "Da werden #Gleichstellung und #Frauen für blöd verkauft !" Dazu veröffentlichte sie einen Tweet des designierten Kanzlers aus dem November 2020, in dem Scholz erklärt hatte: "Ich gebe hier heute das Versprechen ab: Ein von mir als Bundeskanzler geführtes Kabinett ist mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt!"
Tatsächlich gibt es im Kabinett einen Kanzler, acht Minister und acht Ministerinnen – der Frauenanteil beträgt also nur 47 Prozent. Freilich trägt daran die FDP die Hauptschuld, die drei ihrer vier Ministerien mit Männern besetzte.
Auch am designierten Gesundheitsminister Lauterbach gibt es Kritik. Der beliebte Politiker und Mediziner ist derzeit omnipräsent in deutschen Talkshows mit seinen Einschätzungen zur Corona-Krise – und setzt sich für größere Vorsicht ein, auch auf CSDs. Vergangenes Jahr sorgte er für Aufregung, weil er neben seiner transphoben Parteifreundin Leni Breymaier und anderen Politiker*innen für ein generelles Prostitutionsverbot in Deutschland eintrat – und damit laut Kritiker*innen in die Fußstapfel der Aids-Politik von Peter Gauweiler trete (queer.de berichtete).
Die Linke.queer: "Lauterbach ist eine Katastrophe"
Frank Laubenburg, der Bundeschef von Die Linke.queer, erklärte deshalb nach der Nominierung Lauterbachs: "Für Sexarbeitende und für alle Menschen, die eine fortschrittliche Gesundheitspolitik erhofft haben, ist Lauterbach eine Katastrophe."
Der scheidende Gesundheitsminister Jens Spahn fand auf Twitter warme Worte für Lauterbach: "[H]erzlichen Glückwunsch zu dieser wichtigen und schwierigen, doch auch sehr schönen Aufgabe. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg und eine glückliche Hand. Denn es geht um unser Land. Die Bewältigung dieser Pandemie bleibt eine Gemeinschaftsaufgabe."
SPD und FDP hatten der neuen Regierungskoalition bereits am Wochenende auf Parteitagen zugestimmt. Am Nachmittag soll noch das Ergebnis der Mitgliederbefragung der Grünen zur Koalition mitgeteilt werden. Fällt die Antwort – wie erwartet – mit Ja aus, kann der Bundeskanzler am Mittwochvormittag gewählt werden. Noch am selben Tag soll das neue Bundeskabinett vereidigt werden. (dk)
Karl Lauterbach zu übergehen, obwohl er (das wird sich dann herausstellen) die perfekte und beliebteste Besetzung für den Posten ist, bloß um eine Quote zu erfüllen, wäre bestimmt auch nicht der Weisheit letzter Schluss.