Die Bayreuther Bundestagsabgeordnete Silke Launert sieht mal wieder die heterosexuelle Ehe in Gefahr (Bild: CSU im Bundestag / Tobias Koch)
In einem offenen Brief hat die Bayreuther Stadtratsfraktion Kritik der CSU-Familienpolitikerin Silke Launert zum Ampel-Plan zu Verantwortungsgemeinschaften zurückgewiesen. "Wieso glauben gerade Sie, bestimmen zu dürfen, wie eine Familie auszusehen hat?", heißt es dem Papier. Die christsoziale Bundestagsabgeordnete male völlig ohne Grundlage "Schreckgespenster eines frauenunterdrückenden Harems an die Wand".
Launert hatte nach der Vorstellung des Koalitionsvertrags wie auch Politiker*innen der AfD mit einem homosexuellenfeindlichen Ton den Plan der Einführung von Verantwortungsgemeinschaften kritisiert (queer.de berichtete). Dies erinnerte an die apokalyptischen Voraussagen bei der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft vor 20 Jahren, als konservative Politiker*innen voraussagten, dass Heterosexuelle bald nicht mehr heiraten wollten. Ähnliche "Argumente" gab es 2017 bei der Einführung der Ehe für alle.
"Gibt es in Ihrer Lebensrealität keine Paare, die aus eigenem Willen, aus gesundheitlichen Gründen oder wegen ihrer Sexualität keine leiblichen Kinder haben, aber ihre Zuneigung den Kindern befreundeter Paare schenken?", fragten die Sozialdemokrat*innen. "Wenn Sie zu dem Schluss kommen, dass jetzt 'nur für eine Minderheit ein neues gesetzliches Institut geschafften werden' muss, dann verkennen Sie, wie sehr die von Ihnen kritisierten Lebensmodelle längst in der Lebenswirklichkeit der Menschen angekommen sind." Außerdem zeige sich der Wert einer Gesellschaft gerade darin, "wie Sie mit Ihren Minderheiten umgeht".
Auch andere konservative Politiker*innen zeigen die selben Reflexe wie Launert: "So tritt die Ampel den Schutz von Ehe & Familie UND unser GG mit Füßen, die Fundamente unserer Gesellschaft", bemerkte etwa die amtierende Digitalisierungsbeauftragte Dorothee Bär (CSU), die 2017 für die Beibehaltung des Ehe-Verbots für Schwule und Lesben gestimmt hatte. (dk)
Offener Brief an Dr. Silke Launert zur Ihrer Kritik an der Verantwortungsgemeinschaft
Sehr geehrte Frau Kollegin Dr. Silke Launert,
mit Irritation und Unverständnis haben wir Ihre Äußerungen in der Presse zu den lobenswerten familien- und gesellschaftspolitischen Fortschrittsgedanken der Ampelkoalition gelesen.
Natürlich haben Sie Recht, dass unsere Verfassung die Familie besonders schützt, "weil die Familie die Gesellschaft trägt". Doch wieso glauben gerade Sie, bestimmen zu dürfen, wie eine Familie auszusehen hat? Völlig ohne Grundlage malen Sie Schreckgespenster eines frauenunterdrückenden Harems an die Wand, in dem "die Frauen auf lange Sicht ihre Rechte verlieren" wird. Dabei formuliert unsere künftige Regierung doch nur, dass sich unsere Vorstellung von Verantwortung längst verändert hat. Wir sehen Menschen, die in lebenslanger inniger Freundschaft Verantwortung füreinander übernehmen wollen; Menschen, die sich im Alter stützen und zusammenleben wollen, weil sie keine Kinder oder Geschwister haben; Menschen, die in kleine Gemeinschaften ihre Wahlverwandtschaft erkennen. Sollen wir es diesen Personen absprechen, mehr zu wollen als eine "testamentarische Verfügung und den Abschluss von Vollmachten", nur, weil Sie nicht klassisch aus Mutter-Vater-Kind bestehen?
Auch ist es hanebüchen zu behaupten, hier würden die "Interessen der Erwachsenen und nicht die des Kindes in den Mittelpunkt" gestellt werden. Glauben Sie wirklich, dass ein Kind leidet, wenn sich mehrere Menschen um es sorgen, Zeit mit ihm verbringen und ihm Zuneigung schenken, ohne die leiblichen Eltern zu sein? Wieso ist es für Sie so befremdlich, dass mehr als zwei Menschen ein Kind lieben und für es Verantwortung übernehmen wollen? Gibt es in Ihrer Lebensrealität keine Paare, die aus eigenem Willen, aus gesundheitlichen Gründen oder wegen ihrer Sexualität keine leiblichen Kinder haben, aber ihre Zuneigung den Kindern befreundeter Paare schenken? Kennen Sie keine anderen Patchwork-Familien oder geschiedene Paare, in denen sich beide biologischen Eltern mit ihren neuen Partnerschaften den Kindern in Liebe verbunden fühlen? Haben Sie noch nie mit Menschen gesprochen, die einander zu dritt lieben und sich ihren gemeinsamen Kindern verpflichtet fühlen, egal wessen leibliche Kinder es sind?
Wenn Sie zu dem Schluss kommen, dass jetzt "nur für eine Minderheit ein neues gesetzliches Institut geschafften werden" muss, dann verkennen Sie, wie sehr die von Ihnen kritisierten Lebensmodelle längst in der Lebenswirklichkeit der Menschen angekommen sind. Und selbst wenn Sie dies nicht wären, zeigt sich der Wert einer Gesellschaft gerade darin, wie Sie mit Ihren Minderheiten umgeht.
Deshalb gehen wir mit Freude der Tatsache entgegen, dass "sich damit die Gesellschaft auf längere Sicht ändere". Wir sind optimistisch, dass endlich eine moderne und weltoffene Regierung die Menschen mit Ihrem individuellen Lebensmodell in den Mittelpunkt stellt.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Bauske
Fraktionsvorsitzender
Dr. Beate Kuhn
Stellv. Fraktionsvorsitzende
Andreas Zippel
Bürgermeister