Manche Länder wollen ihrer Bevölkerung Anybodys (Iris Menas, li.) vorenthalten (Bild: 20th Century Fox)
Die Neuverfilmung von "West Side Story" ist laut "NBC News" in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, Bahrain, Oman und Kuwait verboten worden. In Saudi-Arabien und Katar erhielt der Film schlicht keine Aufführungserlaubnis. In den anderen Länder erteilten die nationalen Zensurbehörden Disney und 20th Century Fox Schnittauflagen, die aber von den beiden Filmproduktionsfirmen abgelehnt worden sind. Damit wird der Film nicht wie geplant am Freitag in diesen Ländern anlaufen.
Kritisiert wurde die trans Figur Anybodys. Die Nebenrolle wird von Broadwaystar Iris Menas dargestellt, der sich auf Twitter als nicht-binäre Lesbe identifiziert. Menas war unter anderem im Broadway-Musical "Jagged Little Pill" zu sehen, das auf dem gleichnamigen Album der kanadischen Sängerin Alanis Morissette basiert. Im Film "West Side Story" aus dem Jahr 1961 war Anybodys ein burschikoses Mädchen, das aufgrund seines Geschlechts nicht Mitglied bei der Gang Jets werden durfte. Im neuen Film wird die Figur als trans dargestellt.
Zensurbehörden in LGBTI-feindlichen Ländern gehen derzeit vermehrt gegen Hollywood-Blockbuster vor, selbst wenn queere Figuren nur am Rande vorkommen. So hatten Saudi-Arabien, Katar und Kuwait den Superheldenfilm "Eternals" verboten, weil darin ein schwules Paar vorkommt, das sich in einer Szene küsst (queer.de berichtete).
Bei "West Side Story" hat Ariana DeBose die Rolle der Anita übernommen (Bild: 20th Century Fox)
In Deutschland ist "West Side Story" bereits am Donnerstag angelaufen. Die FSK hat den Film hierzulande ab 12 Jahren freigegeben und die Aufführung an stillen Feiertagen erlaubt. Die Hauptrollen spielen Ansel Elgort (Tony) und Rachel Zegler (Maria), als Regisseur trat Altmeister Steven Spielberg noch einmal an. Die Rolle der Anita wurde von der queeren Broadway-Darstellerin Ariana DeBose übernommen. Sie spielte unter anderem im Erfolgsproduktionen "Hamilton: An American Musical" und "Summer: The Donna Summer Musical" mit und war zuletzt im Netflix-Film "The Prom" zu sehen. (dk)
Wir fragten uns, wie die Figur von der Produktion angelegt war, also ob hier vielleicht tatsächlich ein Trans-Mann (aufgrund der sehr starken Identifikation mit dem ansonsten ausschließlich männlichen Gang-Umfeld und dem zentralen Wunsch, zu dieser Gemeinschaft zu gehören) gemeint war, oder eher ein Tomboy-Typus... wir kamen zum Schluss, dass der Charakter vielleicht weniger genau definiert war und grundsätzlich eine nach Aussehen und Habitus von heteronormativen Mustern abweichende Frau darstellen soll - für den Zuschauer wurde ja klar gemacht, dass sie von ihrem Umfeld - und vermutlich von sich selbst auch - als Cis-Frau verstanden wird.
Angesichts des damaligen Hangs zur Vermischung von nichtheteronormativen Personen und Verhaltensweisen (vgl. die Verquickung von männlicher Homosexualität mit Effeminiertheit, Transvestizismus, Travestie/Drag und Transexualität), die vermutlich auch bei den Produzenten vorherrschte oder von denen die Produzenten zumindest beim Gros des Publikums ausgehen mussten, überrascht eine solche, vielleicht primär auf die allgemeine Andersartigkeit/Abweichung abzielende Darstellung aber auch nicht.
Interessant, dass das Thema in der Neuverfilmung konsequenter bzw. eindeutiger gehandhabt wird. Sicherlich dem aktuellen Zeitgeist bzw. dem Stand des Wissens um den Themenkomplex geschuldet, ich hoffe jedoch, dass es sich auch stimmig in das mit sozialromantischem Blick betrachtete Gang-Milieu der 50er Jahre einfügt und nicht lediglich wie Queer/Trans Baiting rüberkommt. Da mögen andere Menschen mit mehr Wissen in der Materie gern korrigieren, aber ich habe den Eindruck, dass eine Trans-Frau in dieser Zeit nicht unbedingt das einfachste Leben gehabt haben könnte...