Die offen bisexuelle Ricarda Lang könnte bald die Co-Vorsitzende von Deutschlands drittgrößter Partei sein (Bild: Georg Kössler)
Ricarda Lang hat am Wochenende ihre Kandidatur für den Grünenvorsitz angekündigt. Die 27-Jährige aus dem schwäbischen Filderstadt (Landkreis Esslingen) ist derzeit Vize-Parteivorsitzende und sorgte bei der Bundestagswahl am 26. September für Schlagzeilen, weil sie als erste offen bisexuelle Person den Einzug ins deutsche Parlament schaffte (queer.de berichtete).
"In den letzten Jahren haben wir daran gearbeitet, die Partei zu öffnen und Politik für die ganze Gesellschaft zu machen. Jetzt gilt es, darauf aufzubauen", erklärte Lang in einem Interview mit dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland", in dem sie ihre Kandidatur bestätigte.
Auf ihrer Facebook-Seite schrieb Lang zudem am Montagmorgen: "Es geht darum, eine starke soziale und ökologische Politik in der Regierung umzusetzen, aber auch über den Regierungsalltag hinaus zu denken, an unserem inhaltlichen Profil zu arbeiten."
Die Grünen wählen ihr neues Führungspersonal auf einem virtuellen Parteitag am 28. und 29. Januar 2022. Die derzeitigen Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck dürfen laut der Parteisatzung nicht mehr antreten, weil sie Regierungsämter übernommen haben.
Team Lang/Nouripour?
Lang bewirbt sich neben dem außenpolitischen Experten Omid Nouripour um den Grünenvorsitz. Gegenüber dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" erklärte Lang, sie könne sich eine Doppelspitze mit dem langjährigen Bundestagsabgeordneten "gut vorstellen". Nouripour ist bereits seit 2006 Mitglied im deutschen Parlament. Noch gibt sich Lang aber vorsichtig über ihre Chancen: "Es gibt viel positives Feedback auf meine Kandidatur. Aber wenn ich eines gelernt habe in den letzten Jahren, dann: In der Politik sollte man sich niemals zu sicher sein."
Lang hatte vergangenes Jahr in einem Interview mit dem "Bisexuellen Journal" (PDF) beklagt, dass das B der LGBTI-Community oft verdrängt werde: "Bisexuelle Menschen sind kaum sichtbar und werden oft diskriminiert. Gerade bisexuelle Frauen werden häufig nicht ernst genommen", sagte Lang. "Es gibt viele Anfeindungen bis hin zu offenem Hass auf das vermeintlich Andere. Dem müssen wir entgegenwirken – sowohl in der Politik als auch in der Gesamtgesellschaft, aber natürlich auch in der LSBTI*-Community."
Bisexuelle Menschen müssten darum "in allen politischen Bereichen nicht nur mitgenannt, sondern tatsächlich auch mitgedacht werden", forderte Lang in dem Interview. "In den Bildungsplänen der Schulen zum Beispiel muss Bisexualität – und ganz allgemein Vielfalt – als eigenes Thema verankert werden. Es darf nicht länger nur im Nebensatz erwähnt werden." Als ihre politischen Schwerpunkte benannte die frühere Chefin der Grünen Jugend wiederholt Feminismus und Frauenpolitik sowie Bildungs- und Hochschulpolitik.
Unterstützung durch Sven Lehmann
Mehrere Grünenpolitiker*innen haben sich bereits positiv über die Bewerbung Langs geäußert. "Ricarda Lang ist eine der stärksten, verlässlichsten und klügsten Politikerinnen, die ich kenne", erklärte etwa Familienstaatssekretär Sven Lehmann auf Facebook. "Ich könnte mir keine bessere Bundesvorsitzende für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorstellen!"