Der Oberste Gerichtshof Großbritanniens und Nordirlands hat am Mittwoch die Beschwerde der nichtgeschlechtlichen Person Christie Elan-Cane abgewiesen, die in Dokumenten nicht als "männlich" oder "weiblich" eingestuft werden möchte. Elan-Cane kämpft seit 25 Jahren dafür, dass im Pass auch das Geschlecht "X" als eine dritte Möglichkeit vermerkt werden kann. In Deutschland können intergeschlechtliche, aber nicht trans Menschen seit 2018 "divers" als Personenstand eintragen lassen, nachdem das Bundesverfassungsgericht das bestehende Verbot eines dritten Geschlechts für einen Verstoß gegen das Grundgesetz erklärt hatte (queer.de berichtete).
Elan-Cane hatte im März 2020 ein Verfahren gegen die britische Regierung verloren, in dem sie das Eintragen des neutralen Geschlechts in den Pass erreichen wollte. Die Person, die im Englischen das Personalpronomen "they" bevorzugt, hatte sie sich zuvor einer Brust- und einer Gebärmutteroperation unterzogen. Elan-Cane vertrat die Ansicht, dass keine eindeutige Geschlechtsfestlegung möglich sei.
Im Verfahren argumentierte Elan-Cane, dass das britische Verfahren mit dem Zwang zum Eintrag als "männlich" oder "weiblich" im Pass dem Recht auf Privatsphäre zuwider läuft, wie es in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert ist. Doch ihren Einspruch wies der Supreme Court Großbritanniens und Nordirlands nun "einstimmig" zurück, wie Gerichtspräsident Robert Reed mitteilte.
Zur Begründung führte das Londoner Gericht an, es gebe keine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), nach der auch andere Kategorien als weiblich und männlich anerkannt werden müssten. Außerdem verpflichte der EGMR die Behörden nicht dazu, Pässe ohne Angaben der Geschlechtszugehörigkeit auszufertigen.
Elan-Cane teilte daraufhin im Online-Dienst Twitter mit, die Entscheidung der Londoner Richter*innen sei nicht gerecht. Die Sache werde nun vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen. Nach Angaben der Organisation Employers Network for Equality and Inclusion, die ihren Sitz in London hat, gibt es mindestens zwölf Länder, in denen "X" oder "divers" im Pass vermerkt werden kann, darunter neben Deutschland auch die USA, Kanada, Argentinien, Indien und Pakistan.
Die LGBTI-Organisation Stonewall bezeichnete die Entscheidung als "enttäuschend, aber nicht überraschend". "Fehlende Anerkennung verursacht reale Probleme für nichtbinäre und nichtgeschlechtliche Menschen. Das Vereinigte Königreich riskiert wieder einmal, global den Anschluss zu verlieren." (AFP/cw)
Siehe BGH XII ZB 383/19 vom 22. April 2020