Friedrich Merz (Mitte) steht als Sieger der Urwahl zum CDU-Vorsitz fest (Bild: Screenshot Phoenix)
Ein Christdemokrat, der erst vergangenes Jahr Homosexualität mit Kindesmissbrauch in Verbindung brachte, wird neuer CDU-Chef. Nach Niederlagen bei den vorherigen beiden Vorsitzwahlen gegen Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet konnte Friedrich Merz bei der ersten Urwahl zum CDU-Vorsitzenden 62 Prozent der abgegeben Mitgliederstimmen erhalten. Das Ergebnis wurde am Freitagnachmittag im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin mitgeteilt.
Der Außenpolitiker Norbert Röttgen erreichte mit 26 Prozent den zweiten Platz, Ex-Kanzleramtschef Helge Braun wurde mit zwölf Prozent Dritter. Insgesamt 66 Prozent der Menschen mit CDU-Parteibuch hatten sich an der Wahl beteiligt, die Mehrheit davon online.
Die Verkündung des Ergebnisses (Bild: Screenshot Phoenix)
Im Kampf um den CDU-Vorsitz schlug Merz zwar zuletzt gemäßigtere Töne zu vielen gesellschaftlichen Fragen an. In seiner politischen Karriere hat er sich aber immer wieder mit teils aggressiver Homosexuellenfeindlichkeit profiliert. So stilisierte er 2000 die von Rot-Grün geplanten eingetragenen Partnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare zu einem Angriff auf die heterosexuelle Familie hoch: "Rot-Grün beabsichtigt mit dieser Neuregelung ganz offensichtlich eine grundlegende Umwälzung gesellschaftlicher Strukturen", warnte er damals.
Merz war im Jahr 2000 ein erbitterter Gegner der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften
In einer Rede sagte er außerdem im Jahr 2000: "Die faktische und rechtliche Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften [...] mit Ehe und Familie, meine Damen und Herren, die ist mit der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag nicht zu machen. Die werden wir nicht akzeptieren!" Ein Jahr später fiel er auch mit einer abwertenden Aussage über Klaus Wowereit nach dessen Coming-out auf.
Bis vor kurzem baute Merz auf Homo-Hass: Erst vor gut einem Jahr stellte er in einem Interview einen Zusammenhang zwischen Homosexualität und sexuellem Missbrauch von Kindern her. Darauf angesprochen, ob ein Schwuler Kanzler werden kann, sagte er damals gegenüber "Bild Live": "Die Frage der sexuellen Orientierung geht die Öffentlichkeit nichts an. Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft – an der Stelle ist für mich allerdings eine absolute Grenze erreicht -, ist das kein Thema für die öffentliche Diskussion" (queer.de berichtete). Nach Kritik behauptete er, bewusst von politischen Gegner*innen "missverstanden" worden zu sein (queer.de berichtete).
Doch auch im Bundestagswahlkampf setzte Merz auf queerfeindliche Reflexe, indem er sich über geschlechtergerechte Sprache lustig machte (queer.de berichtete).
Zuletzt queerfreundlichere Töne
Bei seiner Kandidatur zum Parteivorsitz änderte Merz zuletzt seinen Ton warb auch um queere Stimmen: Er trat vergangenen Monat als Gastredner auf der Bundesmitgliederversammlung der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) auf. Dabei erklärte er, Homosexuelle "brauchen und verdienen Anerkennung und Respekt" (queer.de berichtete).
In einer ersten Reaktion hat der offen schwule SPD-Politiker Michael Roth das Wahlergebnis auf Twitter mit den Worten kommentiert: "Die Wahl von #FriedrichMerz ist gut für einen profilierten, demokratischen Wettbewerb! Ich gratuliere! Wenn die SPD jetzt weiter ganz viel richtig macht, hilft uns das als stärkster progressiver Partei in Deutschland, weil bei uns Fortschritt, Modernität und Vielfalt zuhause sind." Roth war bis Anfang Dezember Staatsminister für Europa und leitet nun den wichtigen Auswärtigen Ausschuss (queer.de berichtete).
Am 21. und 22. Januar muss die Personalie Merz beim Online-Bundesparteitag noch bestätigt werden, anschließend müssen die 1.001 Delegierten die Bestätigung per Post wiederholen. Das gilt als Formsache, da die unterlegenen Kandidaten bereits im Vorfeld angekündigt hatten, das Ergebnis der Urwahl zu akzeptieren. Merz wird dann wohl im März offiziell den Parteivorsitz übernehmen. Bei dem Parteitag soll auch die LSU als Sonderorganisation der CDU offiziell anerkannt werden. Merz hatte dafür seine Unterstützung angekündigt.
Zu den im Koalitionsvertrag angekündigten queerpolitischen Projekten der Ampelparteien hat sich Merz bislang nicht geäußert. In manchen Fragen – etwa der Änderung des Grundgesetzartikels 3 – ist die Koalition auf Unterstützung aus der Union angewiesen. (dk)
15.00 Uhr: Artikel mehrfach aktualisiert