Monate nach einer Kampagne und Petition zum Hashtag #JamilaBleibt und nach einer Demonstration dutzender Aktivist*innen vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im August hat das Amt seine Entscheidung zur Abschiebung der trans Frau Jamila nach Äthiopien revidiert und ihr Flüchtlingsstatus mit einem dauerhaften Aufenthaltstitel zugestanden.
Darauf machte am Mittwoch der LSVD aufmerksam, der die Entscheidung darauf zurückführte, dass man der "Qualitätssicherung" des BAMF im Sommer "circa 70 abgelehnte Fälle queerer Geflüchteter zur Überprüfung" vorgelegt habe, darunter ihren Fall. "Jamila muss nun nicht länger mit der ständigen Angst leben, nach Äthiopien abgeschoben zu werden", freute sich Patrick Dörr vom LSVD-Bundesvorstand.
"In Äthiopien werden queere Personen vom Staat und von weiten Teilen der Zivilgesellschaft massiv ausgegrenzt, verfolgt und bedroht", so der Verband. "Homosexuelle Handlungen werden mit mehrjährigen Haftstrafen geahndet, das betrifft auch trans* Personen wie Jamila. Transgeschlechtlichkeit wird in Äthiopien darüber hinaus nicht anerkannt, was für die Betroffenen ein riesiges Problem darstellt. Ein menschenwürdiges und sicheres Leben als offen lesbisch, schwul, bisexuell oder trans* ist in Äthiopien unmöglich."
Im Gespräch mit queer.de hatte Jamila im Juli von Fluchtversuchen, Zwangspsychiatrisierung, Erpressung und Outing, Inhaftierung mit Männern, Polizeigewalt und Vergewaltigungen erzählt – in Katar, wo sie geboren wurde und teilweise lebte, und in Äthiopien, dessen Staatsbürgerschaft sie besitzt (queer.de berichtete). Das BAMF lehnte ihren Antrag jedoch ab, unter Nutzung ihres "männlichen" Namens aus ihrem Ausweis und des "er"-Pronomens, unter zynischer Relativierung und Legitimierung ihrer Erfahrungen und mit dem Hinweis, dass sie mit ihrem Aussehen nicht als trans Frau zu identifizieren sei.
"Die von Jamila in Äthiopien erlebte massive körperliche und seelische Gewalt wurde nicht angemessen berücksichtigt", kommentiert auch der LSVD. "Stattdessen verwies das BAMF in seiner Ablehnung erschreckenderweise erneut auf das sogenannte 'Diskretionsgebot', wonach unzulässigerweise erwartet wird, dass Geflüchtete ihre sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität nach Rückkehr in ihr Herkunftsland verstecken. Dabei wäre ein 'diskretes' Leben als trans* Frau für Jamila allein schon deshalb nicht möglich, weil in ihren Ausweisdokumenten fälschlicherweise ihr Geschlecht als männlich angegeben wird."
Während sich das BAMF laut LSVD "bemüht, seinen Umgang mit queeren Geflüchteten zu verbessern", zeige der Fall Jamila exemplarisch auch, "dass es weiteren Handlungsbedarf gibt, um queeren Geflüchteten ein faires Verfahren zu ermöglichen". Der Verband betont: "Außerordentlich wichtig sind dafür die Schulungen der Mitarbeitenden, die das Bundesamt auch in Kooperation mit dem LSVD und seinem Projekt 'Queer Refugees Deutschland' durchführt." Vor allem müssten sich aus der Sicht des LSVD die Leitlinien für die Erstellung der Bescheide "dringend" ändern: "Die europarechtswidrige Praxis, Asylanträge mit dem Verweis abzulehnen, dass die Antragstellenden bei Rückkehr ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität geheim halten könnten oder würden, muss endlich ein Ende haben!" (cw/pm)
Wenn man sich dieser Wahrheit verschließt und einredet, dass Deutschland und die EU Rechtsstaatgebilde sind, die ihre Werte und Grundrechte nicht nach Wohlwollen und Gutdünken zur Anwendung bringen, umschifft man natürlich kongenial den Konflikt, sich selbst erklären zu müssen, weshalb das Grundrecht auf Asyl seit 2015 systematisch außer Kraft gesetzt wird und es überhaupt einer zivilgesellschaftlichen Intervention bedarf, um zu verhindern, dass ein Transmensch wie Jamila nicht in die erwartbare Verfolgung und ihren potentiellen Tod überstellt wird.
Fröhliche Weihnachten und bitte nicht vergessen, die ergreifenden Regenbogenfahnenbilder der Europaabgeordneten auf Twitter zu liken.